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# taz.de -- Jugoslawien und das Weltkriegsende: 1945 siegten die Antifaschisten
> In Jugoslawien kämpften Partisanen im Zweiten Weltkrieg gegen deutsche,
> kroatische und serbische Faschisten. Nach 1945 kam die Gefahr aus der
> Sowjetunion.
Bild: Josip Broz Tito – ehemaliger Partisan und später Präsident Jugoslawie…
Split taz | Das Tito-Café nahe dem historischen Museum ist in Sarajevo ein
beliebter Treffpunkt. Zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs kam er
vor wenigen Jahren noch persönlich hier her: der 1926 geborene Raif
Dizdarević, der letzte Präsident des ehemaligen Staates Jugoslawien. Heute
kann er das aus Altersgründen nicht mehr. Er gehört aber weiterhin zur
lebendigen antifaschistischen Szene der bosnisch-herzegowinischen
Hauptstadt. Für die heute herrschenden Autokraten hat er nur Verachtung
übrig.
Beim letzten Treffen vor zwei Jahren saß er in einem Raum des Cafés unter
dem großformatigen Foto, das ihn zusammen mit Josip Broz, genannt Tito, dem
legendären Partisanenführer des Zweiten Weltkrieges, zeigt.
Dizdarević ist natürlich immer noch stolz darauf, [1][zu den Partisanen]
und dann später zum inneren Kreis der Staatsführung um Tito gehört zu
haben. Aber darüber spricht er nur überlegt distanziert. Wenn er allerdings
über die Zeit zwischen 1943 und 1945 redet, in der er als gerade mal 16-,
17-jähriger Jugendlicher wie viele Gleichaltrige als Kurier der Partisanen
diente, dann macht er aus seinen Gefühlen keinen Hehl.
Denn er hat mit den Partisanen nicht nur gegen den Faschismus, sondern vor
allem gegen die damals mächtigste Armee Europas, die deutsche Wehrmacht,
gegen die kroatische Ustascha und [2][serbischen Tschetniks], gekämpft und
gesiegt.
## Anfänge der multireligiösen bosnischen Gesellschaft
Die Familie von Raif Dizdarević stammt aus Fojnica in Zentralbosnien. Dass
die älteren der sieben Brüder und drei Schwestern allesamt bei den
Partisanen landeten, hat etwas mit ihrer Mutter zu tun, einer damals für
die muslimisch-bosniakische ländlichen Verhältnisse außergewöhnlich aktiven
und gebildeten Frau.
Fojnica ist eine multireligiöse Stadt, hier steht das Franziskanerkloster,
in dem 1463 der Sultan des Osmanischen Reiches, Mehmed, ein Jahr nach der
Eroberung Bosniens, dem Prinzipal des Klosters eine Bulle mit dem
Versprechen der Religionsfreiheit übergab. Seither entwickelte sich [3][die
multireligiöse bosnische Gesellschaft].
In Zentralbosnien taten sich die nationalistischen Extremisten der
kroatischen Ustascha schwer, ihre Ideologie durchzusetzen. Schon 1942 wurde
Raifs älteste Bruder Zija, ein damals schon bekannter Dichter und
Schriftsteller, von den rechtsradikalen Kroaten verhaftet und im
Konzentrationslager ermordet. Wahrscheinlich vom KZ-Kommandanten und
nationalistischen Fanatiker Maks Luburić persönlich. Auch zwei andere
Brüder überlebten den Befreiungskrieg nicht.
## Die Legende „Valter“ Vladimir Perić
Kaum 200 Meter von dem Tito-Café entfernt mündet die Vladimir- Perić-Straße
in den Tito-Boulevard. Der legendäre Leiter des antifaschistischen
Widerstands in Sarajevo, Vladimir Perić (Codename Valter), sollte in den
letzten Kriegstagen von dem eigens angereisten Luburić ermordet werden.
Valter ist bis heute eine Legende in Sarajevo, er wurde von den Deutschen
und Angehörigen der Ustascha gejagt. In einer bis heute gern erzählte
Legende wurde ein Adjutant des deutschen Generals gefragt, wer Valter sei.
Der deutete auf die Stadt Sarajevo und sagte: „Das ist Valter“. Alle
Bewohner Sarajevos waren Valter.
Anfang April 1945 rückten Partisanentruppen auf Sarajevo vor. Luburić ließ
noch Dutzende Bürger der Stadt erhängen, bevor die deutschen Truppen am 6.
April die Stadt räumen sollten. Um Mitternacht inspizierte Valter noch eine
Fabrik. Ein deutscher Soldat entdeckte ihn und warf eine Handgranate auf
den Partisanen. Valter starb ein paar Stunden vor der Befreiung der Stadt.
Doch der Krieg war noch nicht zu Ende. Die deutschen und Verbündeten
lokalen Rechtsradikalen versuchten sich nach Norden abzusetzen um endlich
nach Österreich durchbrechen. Die Partisanen verfolgten sie.
## Krieg war in Bosnien erst am 16. Mai vorbei
Als am 8. Mai Deutschland kapitulierte, legten die deutschen Soldaten ihre
Waffen nieder, die Ustascha und Tschetniks taten dies nicht. So gingen die
Kämpfe zwischen den SS-Truppen und Rechtsradikalen mit Partisanen weiter,
erst am 16. Mai in Poljani war der Zweite Weltkrieg hier zu Ende.
Die aus dem Balkan fliehenden deutschen und rechtsradikalen jugoslawischen
Truppen wurden von den Briten im österreichischen Bleiburg (slowenisch
Pliberk) interniert. Die Briten sahen sich jedoch nicht in der Lage,
Hunderttausende Menschen zu verpflegen und unterzubringen. Sie erlaubten
den Partisanen, in Schnellgerichten SS-Leute, Wachleute aus den
Konzentrationslagern, generell Menschen, die für schuldig gehalten wurden,
Verbrechen begangen zu haben, sofort zu verurteilen und auch Todesstrafen
zu verhängen. Die Briten zwangen die restlichen Pro-Hitler-Truppen, nach
Jugoslawien zurückzukehren.
Das betraf jedoch nicht alle. Den größten Verbrechern wurde geholfen, so
zum Beispiel Maks Luburić. Der Vatikan verhalf ihm sowie einigen anderen
Funktionsträgern der Ustascha zur Flucht nach Lateinamerika und Spanien.
Die Zeche zahlten die meisten der einfachen Soldaten. Sie wurden von der
neuen Staatsmacht Jugoslawiens auf Hungermärsche geschickt, viele kamen
dabei ums Leben.
Wir hatten ja selbst nicht viel zu essen“, sagen Ex-Partisanen. Das Land,
vor allem der Hauptkriegsschauplatz Bosnien, war zerstört, die
Landwirtschaft lag am Boden, Industrie gab es nicht mehr. Mit Hacke und
Schaufel gingen die Menschen an den Wiederaufbau, jedes Stückchen Land
musste für den Anbau von Kartoffeln und Gemüse genutzt werden.
## Neue Gefahr aus der Sowjetunion
„Jedes dieser Ereignisse ist eine menschliche Tragödie,“ kritisiert Mustafa
Kapidzić, ebenfalls betagter Partisan aus Sarajevo. Der spätere Verleger
bekämpfte noch Jahre später [4][versprengte Nazis und Ustascha-Kämpfer in
den Wäldern]. Doch es drohte bereits eine neue Gefahr. Denn die
stalinistische Sowjetunion entsandte Tausende von „Experten“ nach
Jugoslawien und die begannen, wie auch in anderen „Ostblockländern“, dort
das sowjetische System aufzubauen.
„Wir mussten uns wieder verteidigen, die Bedrohung 1948 ging von der
Sowjetunion aus. „Für uns war der Sieg 1945 eine Befreiung, wir hatten den
Feind geschlagen, konnten wieder durchatmen. Aber schon kurz danach wollte
Stalin uns unter seine Kontrolle bekommen,“ sagt Raif Dizdarević.
Schon standen mehrere Divisionen der Sowjetarmee an den Ostgrenzen des
Landes. Die Bevölkerung wurde mobilisiert. „Wie haben uns nicht befreit, um
in eine neue Knechtschaft zu gelangen“ sagen Raif Dizdarević und Mustafa
Kapidzić noch heute.
Um die 20.000 Anhänger Stalins in Jugoslawien wurden verhaftet und [5][auf
die Gefangeneninsel Goli Otok] gebracht. Das war eine Entstalinisierung mit
stalinistischen Mitteln, also kein Ruhmesblatt für den neuen
sozialistischen Staat. Dennoch, den Partisanen ist es gelungen, ohne
nennenswerte Hilfe von außen die stärksten Militärmächte in einem
dreijährigen Krieg zu besiegen und gleichzeitig eine multinationale
Gesellschaft aufzubauen. Mit Beginn der Jugoslawien-Kriege 1991 ging diese
Phase schlagartig zu Ende.
8 May 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Jugoslawien
Tito
Partisanen
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Bosnien und Herzegowina
Stalinismus
Social-Auswahl
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Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
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