| # taz.de -- Streit um „Bleiburg-Gedenkmesse“ in Sarajevo: Mit dem Segen der… | |
| > Jedes Jahr erinnert die kroatische Rechte an gefallene Ustascha-Anhänger. | |
| > Dieses Jahr will auch die katholische Kirche in Bosnien teilnehmen. | |
| Bild: Gleicht einer nationalistischen Show: umstrittene Gedenkfeier im österre… | |
| SPLIT taz | Als vor wenigen Tagen die Nachricht öffentlich wurde, der | |
| katholische Kardinal von Sarajevo, Vinko Puljić, wolle am 16. Mai eine | |
| [1][Gedenkmesse für die nach dem Zweiten Weltkrieg getöteten kroatischen | |
| Ustascha-Soldaten] abhalten, kam es zu heftigen Diskussionen in der Stadt. | |
| Viele Bürger Sarajevos erinnerten an die unzähligen Opfer der Ustaschen und | |
| protestierten gegen eine solche Messe. | |
| So wird im Stadtteil Marindvor dieser Tage mit an Laternenpfählen und | |
| Bäumen aufgehängten Puppen drastisch an die 55 Widerstandskämpfer erinnert, | |
| die kurz vor der Befreiung der Stadt am 6. April 1945 von der kroatischen | |
| Ustascha-Diktatur und der deutschen Besatzungmacht hingerichtet worden | |
| waren. Insgesamt wurden von 1941 bis 1945 mehr als 10.000 Menschen aus | |
| Sarajevo ermordet. | |
| Auf dem Vraca-Hügel südlich von Sarajevo gibt es für sie ein Denkmal. Auf | |
| Steinplatten sind alle Namen der Ermordeten eingraviert – die Mehrheit | |
| davon Juden. 7.500 jüdische Bürger der Stadt sind ab 1941 in das kroatische | |
| Vernichtungslager Jasenovac und nach Auschwitz deportiert worden. Insgesamt | |
| sollen es mehrere Hunderttausend Menschen gewesen sein, die dem | |
| Ustascha-Regime zum Opfer gefallen sind. | |
| Nach der Befreiung Sarajevos durch Partisanentruppen am 6. April 1945 | |
| mussten sich die deutschen und die Ustascha-Truppen nach Norden | |
| zurückziehen. Der Krieg war für sie verloren. Gemeinsam mit anderen mit den | |
| Deutschen kollaborierenden Truppen wie serbischen Tschetniks und | |
| slowenischen Heimwehrleuten, wollten sie sich in Bleiburg in Österreich den | |
| dort schon befindlichen britischen Truppen ergeben. | |
| ## Tod durch Schnellgerichte | |
| Was dann geschah, ist zum Teil noch nicht vollständig aufgeklärt. Tatsache | |
| ist, dass nicht nur der harte Kern der Ustaschen und Tschetniks, sondern | |
| auch Mitglieder der kroatischen und slowenischen Heimwehren, deren | |
| Mitglieder zum Militärdienst eingezogen worden waren, und auch Zivilisten | |
| sich dem Tross angeschlossen hatten. | |
| Am 14. Mai erreichten sie Bleiburg, wo sie von den Briten auf einer Wiese | |
| interniert wurden. Einigen Führern gelang sogar die Flucht, so Ante | |
| Pavelić, Gründer der Ustascha-Bewegung, der 1959 in Spanien starb. | |
| Am 16. Mai 1945 begannen die Briten, die verbliebenen, inzwischen | |
| entwaffneten Ustaschen und Tschetniks an die Partisanen auszuliefern – nach | |
| britischen Quellen bis zum 31. Mai genau 12.196 Kroaten, 8.263 Slowenen, | |
| 5.480 Serben und 400 Montenegriner. Als der noch jugendliche Partisan | |
| Mustafa Kapidžić nach Bleiburg einrückte, konnte er beobachten, wie | |
| Schnellgerichte der Partisanen bekannte Persönlichkeiten der Ustaschen und | |
| Tschetniks zum Tode verurteilten und die Urteile auch vollstreckten. | |
| Andere Quellen berichten, dass der Großteil der Gefangenen auf einen Marsch | |
| durch Slowenien, Kroatien bis nach Mazedonien geschickt wurde. Auf dem Weg | |
| sollen Gefangene Racheakten zum Opfer gefallen sein, viele seien an | |
| Erschöpfung gestorben. Die Körper der Toten wurden in Slowenien teilweise | |
| in Karsthöhlen geworfen, wo ihre Überreste erst nach Jahrzehnten entdeckt | |
| wurden. | |
| „Die Partisanen haben Rache geübt“, sagt der in Zagreb lebende | |
| Politikwissenschaftler und Philosoph Žarko Puhovski. Es war eine blutige | |
| Rache, geben auch heute noch lebende Partisanen zu. Doch sie verwehren sich | |
| gegen den kroatischen Geschichtsrevisionismus, der die Ereignisse von | |
| Bleiburg als eine Art Genozid an den Kroaten verklärt. | |
| „Es war eine Rache an den Kollaborateuren mit den Nazis, eine Rache an den | |
| Feinden, nicht aber nationalistisch definiert“, sagt auch Puhovski. Der | |
| [2][Kommandeur der Partisanen, Josip Broz, genannt Tito], war selbst | |
| Kroate, die Partisanen kämpften für einen multinationalen Staat und gegen | |
| jeglichen Nationalismus. | |
| ## Nationalisten leugnen Verbrechen | |
| Waren es anfänglich vor allem Angehörige, die trauerten, so ist das | |
| [3][jährliche Totengedenken in Bleiburg] in den letzten Jahren immer mehr | |
| einer verengten Erinnerungskultur gewichen. | |
| Heute manifestiert sich dort kroatischer Nationalismus, monieren kroatische | |
| und bosnische Intellektuelle. Dagegen werden von den gleichen | |
| nationalistischen Kreisen die Untaten der Ustaschen geleugnet, die | |
| Gedenkfeiern in Jasenovac gestört und überlebende Opfer diffamiert, | |
| bedauern jüdische Gemeinden und serbische Opferorganisationen. Der Gruß der | |
| Ustaschen – „Für die Heimat bereit“ – wird von rechtsgerichteten Kreis… | |
| öffentlich benutzt. | |
| Und die katholische Kirche? Seit der Unabhängigkeit Kroatiens ist sie immer | |
| mehr nach rechts gerückt, auch in Bosnien. Zwar kämpfen die Franziskaner in | |
| Sarajevo gegen den nationalistischen Chauvinismus der bosnischen Kroaten | |
| unter Führung von Dragan Čović, doch der hat offenbar die Oberhand gewonnen | |
| und den Kardinal für seine Kampagne eingespannt. Čović warf Kritikern vor, | |
| die freie Religionsausübung zu behindern. | |
| Sein Gegenspieler, der sozialliberale Vertreter der Kroaten im bosnischen | |
| Staatspräsidium, Zelko Komšić, konterte: „Für Faschisten zu beten ist ein | |
| Akt, der allen zivilisierten Werten widerspricht.“ | |
| 16 May 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Erich Rathfelder | |
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