# taz.de -- Kroatische Rechte in Kärnten: Vaterunser mit Rechten | |
> Wie jedes Jahr pilgerten kroatische Rechte nach Kärnten, um gefallener | |
> Ustascha-Anhänger zu gedenken. Kroatien braucht eine Debatte über seine | |
> Geschichte. | |
Bild: Tausende Anhänger der kroatischen Rechten kamen ins österreichische Ble… | |
Bleiburg taz | Das Feld nahe Unterloibach im südlichen Kärnten füllte sich | |
am Samstag mit kroatischen Besuchern. Sie sind mit Hunderten Bussen und | |
Autos aus Kroatien, Deutschland und Österreich angereist, um der Opfer | |
eines Massakers am 15. Mai 1945 zu gedenken. Auf einer Bühne zelebrieren | |
katholische Geistliche eine Messe vor der Kulisse von Hunderten kroatischen | |
Fahnen. | |
Damals lagerten auf diesem Feld die Überbleibsel der Truppen des mit | |
Mussolini und Hitler kollaborierenden Ustascha-Staates, der von 1941 bis | |
1945 unsägliche Verbrechen beging. Unter dem Führer Ante Pavelić hatten die | |
Ustaschen nicht nur Oppositionelle in Kroatien verfolgt, sondern gemäß | |
ihrer nationalistischen und rassistischen Theorien auch Serben, Juden und | |
Roma. Sie gründeten noch vor den Deutschen Konzentrationslager, in denen | |
Hunderttausende ermordet wurden. | |
Doch den Krieg gegen die multinationale Widerstandsbewegung der Partisanen | |
unter Josip Broz, genannt Tito, hatten sie verloren. Hunderttausende | |
Ustascha-Anhänger suchten daraufhin bei den britischen Streitkräften | |
Schutz, die wenige Tage zuvor hierhergekommen waren. Unter den Ustaschen | |
waren Militärs und politische Funktionsträger, einfache kroatische | |
Soldaten, kroatische und slowenische Polizisten, sogar serbische Tschetniks | |
und einige Wehrmachtsangehörige. | |
Die Briten lieferten sie jedoch an die Partisanen aus, die sofort | |
darangingen, mit Standgerichten Ustascha-Repräsentanten zum Tode zu | |
verurteilen – auch die Rache der Partisanen war fürchterlich. Die | |
Überlebenden mussten zu Fuß bis in die serbische Provinz Vojvodina ziehen. | |
Auf diesen Todesmärschen kamen vermutlich Zehntausende um, genaue Zahlen | |
der Opfer gibt es nicht. | |
## Kroatien bemüht sich um Deeskalation | |
Um diese Toten soll hier getrauert werden. Nur um sie, nicht auch um die | |
Opfer der Ustaschen. Bis zum Mittag hat sich das Feld mit rund 10.000 | |
Menschen gefüllt. Es sind weniger gekommen als erwartet. Bis zuletzt war | |
von vielen Seiten befürchtet worden, dass Ustascha-Anhänger und Neonazis | |
aus ganz Europa die Gedenkfeiern wie im letzten Jahr zu einer politischen | |
Manifestation nutzen könnten. | |
Die österreichischen Behörden und auch die katholische Kirche Österreichs | |
reagierten jedoch: Sie verboten den Kroaten, Insignien der | |
Ustascha-Herrschaft zu zeigen und den Hitlergruß oder den Ustaschagruß „Für | |
die Heimat bereit“ zu nutzen. | |
Auch die kroatische Seite bemühte sich um Deeskalation. So sollte es nur | |
noch einen Gottesdienst geben, keine politische Rede mehr. Der Wink kam von | |
oben: Die Organisatoren vom „Bleiburger Ehrenzug“ wie Bože Vukošić und | |
Vertreter der rechtsgerichteten Regierungspartei HDZ (Kroatische | |
Demokratische Gemeinschaft) wie der ehemalige Parlamentspräsident Vladimir | |
Šeks forderten die Teilnehmer auf, sich an die österreichischen Auflagen zu | |
halten. | |
Angesichts des Besuches von Angela Merkel am gleichen Tag in Zagreb wären | |
Ustascha-Grüße aus Bleiburg den Regierenden wohl peinlich. Auch die | |
Gegendemonstranten von der Grünen Partei haben sich an die Auflagen | |
gehalten und nur eine kleine Kundgebung in Bleiburg selbst abgehalten. | |
## Das Land steht am Scheideweg | |
Jedoch attackierten Teilnehmer am Rande der Veranstaltung einen Reporter | |
der Frankfurter Rundschau. Der rechtsextreme kroatische TV-Moderator | |
Velimir Bujanec bespuckte den Journalisten, der schon in den Vorjahren von | |
dort berichtet hatte. Umstehende beschimpften und schlugen daraufhin nach | |
ihm. Die österreichische Polizei verhinderte durch ihr Eingreifen | |
Schlimmeres. Trotz Verbot tauchten auch immer wieder Ustascha-Symbole in | |
der Menge auf sowie ein Hitlergruß. | |
Der Bürgermeister Stefan Visotschnig will, dass die Kroaten-Veranstaltung | |
in Zukunft friedlicher abläuft. Er hat einen Vorschlag: Man sollte | |
gemeinsam mit Rechten und Linken ernsthaft über Geschichte diskutieren. Für | |
nächstes Jahr plant er eine Ausstellung. | |
Werden die Kroaten dem zustimmen? In einem abgeschiedenen Hotel am | |
Pirkdorfer See, wo die Organisatoren wohnen, erklärt Vladimir Šeks vom | |
Rechtsaußen-Flügel der Regierungspartei HDZ der taz, dass er und seine | |
Partei sich klipp und klar von den Ustaschen abgrenzen. Dem Projekt, die | |
Veranstaltung zu reformieren, stehe er positiv gegenüber. | |
Kroatien steht am Scheideweg. Will es sich enger an Europa binden oder | |
[1][den Weg Orbáns in Ungarn] gehen? Wenn Kroatien Europa wählt, müsste es | |
eine echte, tiefgreifende Geschichtsdebatte führen. Daran führt kein Weg | |
vorbei. | |
20 May 2019 | |
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## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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