# taz.de -- Richtungsstreit vor Europawahl: Rechtsblock formiert sich | |
> Ungarns Regierungschef Orbán verweigert bei der EU-Wahl dem | |
> EVP-Kandidaten Weber die Unterstützung. Nun hagelt es Kritik. | |
Bild: Monatelanges Gehakel: Viktor Orban und Manfred Weber | |
BERLIN/ BRÜSSEL taz | [1][Viktor Orbán] hatte seine Ankündigung kaum | |
ausgesprochen, da folgten aus Berlin umgehend Reaktionen: Die | |
CDU-Vorsitzende erklärte die „Bewährungsprobe“ für den ungarischen | |
Ministerpräsidenten für beendet. „Er hat mit seinem Verhalten in den | |
vergangenen Tagen und dem Treffen mit dem italienischen Lega-Chef ein | |
klares Zeichen gesetzt, dass er die EVP verlassen wird“, sagte Annegret | |
Kramp-Karrenbauer. | |
Am Montagabend hatte der 55-Jährige öffentlich gemacht, er werde Manfred | |
Weber, dem Spitzenkandidaten der konservativen Parteienfamilie EVP und | |
deren Fraktionschef, bei der Europawahl die Unterstützung entziehen. Nach | |
monatelangem Gehakel mit dem politischen Rechtsausleger hat er damit eine | |
Entscheidung getroffen, deren Folgen noch nicht abzusehen sind. Der | |
CSU-Politiker Weber habe klargemacht, so Orbán in Budapest, dass er nicht | |
mit den Stimmen der Ungarn Präsident der EU-Kommission werden wolle. Dies | |
schließe jede weitere Unterstützung für Weber aus. | |
Orbán war für Weber zwar ein Klotz am Bein; nun kann er freier agieren und | |
glaubwürdiger gegen „Nationalisten und Populisten“ Wahlkampf machen. | |
Trotzdem bedeutet der Bruch für Webers angestrebte Kür zum | |
Juncker-Nachfolger ein neues Problem. Die Europäische Volkspartei, für die | |
Weber antritt, verliert Stimmen; im jetzigen Parlament vor der Wahl | |
entfielen 11 Sitze auf Orbáns Fidesz-Partei. Für Weber könnte es also knapp | |
werden. | |
Nach der letzten Wahlprojektion des Parlaments ist der Vorsprung der EVP | |
vor den Sozialdemokraten auf 31 Sitze geschrumpft. Ohne Fidesz wird er noch | |
kleiner. Webers sozialdemokratischer Herausforderer Frans Timmermans | |
wittert seine Chance. Nach der Wahl im Mai will er versuchen, eine | |
„progressive Allianz“ mit Grünen, Linken und vielleicht Liberalen um sich | |
zu scharen, um selbst Kommissionschef zu werden. Timmermans hofft dabei | |
auch auf seine britischen Genossen. Die dürften nämlich – wenn | |
Großbritannien Ende Mai an der Europawahl teilnimmt – in großer Zahl ins | |
Europaparlament einziehen. Weber hingegen geht leer aus, denn die Tories | |
sind schon lange kein Mitglied der EVP mehr. | |
## Mitgliedschaft ausgesetzt | |
Allerdings macht der Bruch zwischen Weber und Orbán ein starkes | |
Rechtsbündnis wahrscheinlicher. Der ungarische Premier hat seinen Schritt | |
ausgerechnet bei einem Besuch von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache | |
angekündigt. Zuvor hatte er sich mit dem rechtsextremen italienischen | |
Lega-Chef Matteo Salvini getroffen. Wenn die drei tatsächlich gemeinsame | |
Sache machen und womöglich noch Polen dazuholen, könnte der größte Albtraum | |
von Timmermans und Weber wahr werden: dass die Rechten ihre zersplitterten | |
Kräfte sammeln und das Europaparlament aufmischen. | |
Bereits im März war die EVP auf Distanz zu Orbáns Fidesz gegangen und hatte | |
die Mitgliedschaft der Partei in der Europäischen Volkspartei (EVP) [2][auf | |
unbefristete Zeit ausgesetzt]. Hintergrund waren antieuropäische und | |
antisemitische Äußerungen aus der Partei sowie eine fremdenfeindliche und | |
antisemitische Plakatkampagne gegen den bisherigen Kommissionspräsidenten | |
Jean-Claude Juncker sowie den ungarischen Milliardär George Soros. Weber | |
hatte daraufhin den ungarischen Regierungschef zu einem Kurswechsel | |
aufgefordert. Als Orbán seine Hetze bekräftigte, wurde er vorläufig von der | |
EVP suspendiert, aber nicht ausgeschlossen. | |
Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, hatte im | |
März noch vor einem Ausschluss von Fidesz gewarnt. Man müsse darauf achten, | |
dass die EVP zusammenbleibe. Dennoch seien innerhalb der großen Bandbreite | |
der EVP „nicht alle Sonderwege möglich“. Am Dienstag nun bedauerte Dobrindt | |
Orbáns Schritt, machte aber deutlich, dass er „noch nicht das Ende der | |
Eskalationsspirale“ sehe. Dobrindt äußerte sich besorgt über ein mögliches | |
Erstarken der rechten Kräfte in der EU. Die Vorgänge um Orbán seien | |
möglicherweise der Beginn einer Entwicklung, auf die man in ein paar Jahren | |
zurückblicken und sagen werde, dies sei der Auslöser für etwas gewesen, das | |
keiner gewollt habe. | |
Gelassener bewertet die Lage der Parlamentarische Geschäftsführer der | |
Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer. Orbán habe einen | |
„gravierenden Fehler begangen“, sagte der 58-Jährige, das Ganze sei aber | |
dessen persönliche Entscheidung. „Reisende kann man nicht aufhalten.“ | |
7 May 2019 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
Anja Maier | |
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