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# taz.de -- Gentechnik gegen Malaria: Ungefährliche Moskitos
> Um die tödliche Krankheit Malaria auszurotten, läuft in Uganda ein
> einzigartiges Experiment. Forschende wollen genetisch veränderte Moskitos
> aussetzen.
Bild: Eine Laborassistentin bleicht Moskitoeier im Virusinstitut in Entebbe
Entebbe taz | Geschützt durch blaue Plastikhandschuhe greift die
Laborassistentin in eine quadratische Box, die rundherum mit einem
Moskitonetz umwickelt ist. Darin summt es: Hunderte Stechmücken schwirren
umher. Einige sind bereits tot und liegen auf dem Boden. Andere suchen nach
Blut und setzen sich prompt auf die blauen Laborhandschuhe.
„Die Handschuhe sind sicher, da kann nichts durchstechen“, erklärt
Laborchef und Insektenforscher Peter Nkurunziza. Der große rundliche Mann
im weißen Laborkittel steht hinter seiner Assistentin und gibt Anweisungen.
Sie soll den Fütterungsapparat prüfen, ob darin noch genügend Glukoselösung
übrig ist, erklärt er: „Sobald die Moskitos ausgewachsen sind, hören wir
auf, sie zu füttern.“ Er zeigt auf einen kleinen runden Behälter, den er in
der Hand hält. „Dann geben wir ihnen menschliches Blut aus der Blutbank,
das wir auf genau 37 Grad Körpertemperatur aufwärmen.“
Die Laborassistentin schüttelt die Moskitos von ihrer Hand, bevor sie diese
wieder aus der Box herauszieht. Laborchef Nkurunziza greift
sicherheitshalber nach einer elektrisch geladenen Fliegenklatsche. Dann
verschnürt die Assistentin das Netz rasch wieder.
## 250 Millionen Menschen infizieren sich jährlich mit Malaria
„Keine Stechmücke darf entkommen“, betont Nkurunziza und zeigt auf die
Fenster, die mit Moskitonetzen versehen und rundum mit Klebeband am Rahmen
abgedichtet sind. „Selbst am Ausguss des Waschbeckens haben wir Filter
angebracht“, sagt er.
Denn hinter den versiegelten Türen und Fenstern im Virusinstitut in Ugandas
Kleinstadt Entebbe erforschen die Wissenschaftler genetisch manipulierte
Anophelesmücken – jene Moskitos, die Parasiten in sich haben können, die
die gefährliche Krankheit Malaria übertragen.
Malaria, auch Sumpffieber genannt, zählt in den Tropen zu einer der
tödlichsten Krankheiten, vor allem für Kleinkinder. Fast jede Minute stirbt
daran weltweit ein Kind unter fünf Jahren. Jährlich werden rund 250
Millionen Menschen positiv getestet, 94 Prozent davon in Afrika. Sie gilt
damit als die häufigste Infektionskrankheit der Welt.
Doch das soll sich ändern. Die Weltgemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt,
bis 2030 Malaria um bis zu 90 Prozent zu verringern. Um das zu erreichen,
werden in Uganda neue Methoden angewandt. So ist Anfang April in dem
ostafrikanischen Land die weltweit erste und größte Impfkampagne
angelaufen.
Uganda zählt zu den zwölf Ländern Afrikas, wo nun mehr als zwei Millionen
Dosen des neu entwickelten Impfstoffes kostenlos verabreicht werden sollen
– allerdings nur an Kinder unter zwei Jahren, bei Erwachsenen wirkt die
Impfung nur gering. Gleichzeitig versuchen die Wissenschaftler im
Virusinstitut von Entebbe noch etwas früher anzusetzen: direkt an der
Stechmücke, um diese [1][mittels ausgefeilter G][2][enmanipulation] in der
Zukunft quasi auszurotten.
## Heizstrahler und Luftbefeuchter für die Anopheles-Mücke
Während Laborchef Nkurunziza wieder die Türen des Hochsicherheitslabors
verriegelt, steht Doktor Jonathan Kayondo im Vorzimmer von seinem
Schreibtisch auf. Neben seinem Laptop türmen sich ausgedruckte Berichte,
Zahlentabellen, Grafiken und Mikroskopaufnahmen von Moskitolarven. Kayondo
ist Chef der Abteilung für Insektenforschung an Ugandas Virusinstitut und
leitet ein 40-köpfiges Team, das Teil eines größeren Konsortiums ist.
In dem Target-Malaria-Projekt sind weltweit insgesamt über 200 Forscher
tätig, darunter in den USA, Großbritannien, Italien und Burkina Faso. Der
kleine Mann in dem etwas zu großen Anzug zeigt aus dem Fenster. „Wir können
uns in den Garten setzen, dort weht eine kühle Brise“, sagt er. Tatsächlich
ist es in den Laboren sehr warm, Heizstrahler und Luftbefeuchter sind
aufgestellt. Sie erzeugen perfekte Bedingungen für die Anophelesmücke, die
nur in warmen Klimazonen überlebt.
Das afrikaweit führende Vireninstitut, gegründet in der Kolonialzeit von
den Briten, liegt auf einer Anhöhe mit Blick über den gewaltigen
Victoriasee. Dort draußen, auf den zahlreichen Inseln des Ssese-Archipels,
benannt nach der Tsetsefliege, hat bereits 1906 der deutsche
Tropenmediziner Robert Koch im Auftrag der deutschen Kolonialherren die
Schlafkrankheit erforscht.
Sie wird von der Tsetsefliege übertragen und hatte zu jener Zeit eine
Viertelmillion Menschen in Deutsch-Ostafrika dahingerafft. Um Medikamente
zu testen, hatten deutsche Forscher [3][auf den Ssese-Inseln
Konzentrationslager eingerichtet], wo sie todkranke Afrikaner
zusammenpferchten und ihnen Chemikalien einflößten, die zum Teil giftig
wirkten.
Auf diesen Inseln will Kayondo in den kommenden Jahren nun auch die
genmanipulierten Moskitos aussetzen, um sie in freier Wildbahn zu testen.
Er setzt sich im Garten des Instituts auf eine Bank unter einem
Akazienbaum, der in Blüte steht – mit Blick auf den See. „Wir haben die
Gensequenz so verändert, dass nun deutlich mehr männliche als weibliche
Larven schlüpfen“, erklärt der Forscher den Ansatz.
## „Dann rotten wir die weiblichen Moskitos langfristig aus“
Da nur die weiblichen Anophelesmücken Blut saugen, um fruchtbar zu werden
und Eier zu legen, „sind es nur die weiblichen Mücken, welche die Parasiten
als Wirt von Mensch zu Mensch übertragen“, so Kayondo. „Wenn es also über
Generationen hinweg deutlich mehr männliche Moskitos gibt, dann rotten wir
die weiblichen Moskitos langfristig aus“ – und auf diese Weise letztlich
die gesamte Moskitopopulation.
Schon bei Teilerfolgen reduziert sich die Wahrscheinlichkeit einer
Malariainfektion bei Menschen. Um dies nun nicht nur im Labor, sondern auch
in der Natur testen zu können, müssen bald die Einwohner der Ssese-Inseln
wieder zu Versuchszwecken herhalten. Allerdings erst, das betont der
Forscher ausdrücklich, „wenn die Methode als hundert Prozent sicher gilt“.
Doch: „Damit sich die Moskitos vermehren, brauchen sie menschliches Blut –
ohne das geht es einfach nicht.“
Doch so weit sind die Insektenforscher noch nicht. Das Projekt steckt noch
in den Kinderschuhen. Bislang wurden nur in den Laboren der Zentren für
Seuchenkontrolle und -prävention (CDC) in den USA die Genstränge verändert
und die Folgen untersucht.
„Wir müssen zunächst alle Risiken ausschließen – nicht, dass unsere
genveränderte Anopheles nun andere Krankheiten wie Zika besser überträgt,
länger leben kann oder andere ungewollte Fähigkeiten entwickelt“, sagt
Kayondo.
## Risikovorsorge kostet wertvolle Zeit
Er schätzt, dass die ersten Feldversuche nicht vor dem Jahr 2028
stattfinden können. „Und dann dauert es optimistisch betrachtet weitere
zwei bis drei Jahre, bis wir die ersten Ergebnisse haben.“ Sollten diese
positiv sein, dauere es aber weitere Jahre, bis Ugandas Regierung die
nötigen Gesetze und Verordnungen verabschiedet, um die Freilassung von
genetisch manipulierten Stechmücken – nicht nur zu Versuchszwecken – zu
legalisieren.
Das Ziel, Malaria bis zum Jahr 2030 fast auszurotten, wäre so nicht
einzuhalten. Scott Filler, zuständig im Global Fund für den Kampf gegen
Malaria, will daran trotzdem unbedingt festhalten. Als Grund berichtet er
von der mysteriösen „Krankheit X“, die letztes Jahr Gesundheitsexperten
weltweit in Aufregung versetzte.
In der Demokratischen Republik Kongo war in einem abgelegenen Teil des
Landes eine Krankheit ausgebrochen, die vor allem bei Kindern zum Tode
führte. Aus Panik vor einer neuen weltweiten Pandemie machten sich
Seuchenexperten auf den Weg in den Dschungel. Letztlich stellte sich
heraus, dass es sich um einen neuen Malariastrang handelt, der schwere
Symptome verursacht.
Dass nun in Uganda an neuen Ansätzen der Malariabekämpfung geforscht wird,
begrüßt Filler. Die [4][frisch angelaufene Impfkampagne] könne helfen,
zumindest die Todesraten bei Kleinkindern zu verringern: „Als zusätzliches
Hilfsmittel im Kampf gegen Malaria ist dies sehr spannend“, sagt er.
## Nur Symptome bekämpfen genügt nicht
Doch der Impfstoff muss dreimal in kurzen Zeitabständen verabreicht werden,
und: „Die Impfung hält nicht lange an und ist zudem extrem teuer.“ Mehr
Forschung sei in diese Richtung gefragt, damit eine Impfung tatsächlich ein
„Gamechanger“ sein kann, wie Filler es nennt. Er hofft stattdessen auf gute
Erfolge der Genforschung an den Moskitos. Denn dieser Ansatz „benötigt
nicht viel menschliches Zutun oder Verhaltensänderungen“.
Filler mahnt: Historisch gesehen „werden wir den Rüstungswettlauf mit der
Krankheit verlieren, wenn wir immer nur Symptome behandeln“. Denn die
Moskitos würden zunehmend resistenter gegen Insektizide. Einige
Parasitenstränge seien bereits resistent gegen die gängigen
Behandlungsmethoden. Aufgrund der Erderwärmung als Folge des
Klimawandels „verbreitet sich nun die Malaria in Regionen, wo es sie
bislang nicht gab“, sagt Filler.
Der ugandische Forscher Kayondo pflichtet dem bei. In den Laboren hätten
sie bereits festgestellt, wenn sie die Raumtemperatur um nur 2 Grad
anheben, dann schlüpfen in kürzerer Zeit deutlich mehr Larven und die
„Parasiten vermehren sich deutlich schneller“, so Kayondo.
Während er von der Bank im Garten des Virusinstituts aufsteht, um zurück in
den aufgeheizten Laboren seine Studien weiterzubetreiben, sagt er: „Im
Kampf gegen die Malaria haben wir noch einen langen Weg vor uns – und je
rascher wir neue Instrumente anwenden, desto eher gewinnen wir den Kampf.“
19 May 2025
## LINKS
[1] /Genveraenderte-Malaria-Muecken/!5956386
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[3] /Hamburg-Krimi-Toedlicher-Schlaf/!5972303
[4] /Impfstoff-gegen-Malaria/!5949677
## AUTOREN
Simone Schlindwein
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