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# taz.de -- Auflösung der PKK: Hoffnung in kurdischer Hochburg Diyarbakır
> Die kurdische Arbeiterpartei PKK hat das Ende ihres Kampfes verkündet.
> Was es für Frieden in der Türkei nun braucht – und was Präsident Erdoğan
> macht.
Bild: Frauen in Diyarbakır verfolgen Ende Februar die TV-Übertragung, bei der…
Es gibt zwei Städte in der Türkei, in der von den insgesamt 15 Millionen
KurdInnen jeweils mehr als eine Million leben. Die eine ist Istanbul, in
der die sie unter den mehr als 16 Millionen EinwohnerInnen etwas
untergehen. Die andere Stadt ist Diyarbakır, die mit rund 1,8 Millionen
EinwohnerInnen größte Stadt im überwiegend kurdisch besiedelten Südosten
des Landes.
Diyarbakır gilt schon lange als „heimliche Hauptstadt“ der KurdInnen in der
Türkei. Hier haben die kurdischen Parteien ihre Hauptquartiere, von hier
stammen die meisten Führungsfiguren der kurdischen Politik und hier werden
die Trends der kurdischen Politik gesetzt.
Nachdem die PKK am 12. Mai [1][ihre Auflösung und das Ende des bewaffneten
Kampfes verkündet hat], sind in Diyarbakır die Erwartungen groß, dass das
Leben freier und besser wird, als es in den letzten Jahrzehnten war. „Ich
bin voller Hoffnung“, [2][sagte Ayşe Serra Bucak in einem Interview mit dem
ZDF] einen Tag nach der „sehr wertvollen historischen Entscheidung der
PKK“.
Bucak ist seit den Kommunalwahlen im März 2024 [3][Co-Bürgermeisterin der
Metropole]. Ihre Vorvorgängerin, eine wichtige Funktionärin der
Demokratische Partei der Völker (HDP), saß sieben Jahre im Gefängnis. Ihr
unmittelbarer Vorgänger, ein bekannter Arzt, ist immer noch im Knast.
Dennoch habe sie keine Angst, [4][erklärte sie im Februar in einem
Interview mit dem Schweizer Tagesanzeiger]. Auf die Frage, wie es nun
weitergehen wird, sagte sie: „Wir brauchen nun Schritte zur Versöhnung
zwischen den beiden Völkern. Viele kleine Schritte, die nun zunächst von
der türkischen Regierung ausgehen müssen.“
## Die Stadt Diyarbakır ist ein Symbol
Lange Jahre war das Amt des Bürgermeisters von Diyarbakır praktisch der
wichtigste Posten, den eine PolitikerIn der kurdischen Nationalbewegung
erringen konnte. Der erste kurdische Bürgermeister von Diyarbakır, der
seine kurdische Identität in den Vordergrund stellte und damit auch die
Wahl gewann, war 1977 Mehdi Zana. Damals glich die jahrtausendealte Stadt
am Tigris vielerorts einem Trümmerhaufen.
Aus Ankara gab es kein Geld für die Kommune, in der Altstadt flossen die
Fäkalien durch offene Rinnen in irgendwelche Sickergruben oder gleich in
den Tigris. Vor den alten, noch von den Römern gebauten Stadtmauern hausten
in Elendsquartieren die Allerärmsten, die von den Großgrundbesitzern von
ihrem Land vertrieben worden waren.
Mehdi Zana war der Erste, der versuchte, eine Kanalisation in der Altstadt
bauen zu lassen. Er kam nicht weit, denn im September 1980 putschte sich
das Militär an die Macht und er wurde verhaftet. Er saß bis 1991 in
verschiedenen Gefängnissen und ging nach seiner Entlassung ins Exil nach
Schweden.
## Zwischen Guerilla und Marsch durch die Institutionen
Doch damit war der Kampf für die kurdische Identität und Selbstverwaltung
in Diyarbakır nicht beendet. Seine Ehefrau Leyla Zana blieb in der Türkei,
engagierte sich ebenfalls in der kurdischen Bewegung und wurde zu Beginn
der 90er Jahre als eine der ersten vier KurdInnen ins Parlament gewählt.
Nach knapp zwei Jahren wurde ihre Immunität aufgehoben und sie inhaftiert,
weil sie ihre Eidesformel als Parlamentarierin teilweise auf Kurdisch
gesprochen hatte.
Die Repressionen änderten nichts daran, dass die kurdische Bewegung immer
mehr zu einem politischen Faktor wurde. Vor allem in Diyarbakır wurden
immer wieder VertreterInnen der kurdischen Bewegung ins Bürgermeisteramt
gewählt, die ausnahmslos alle früher oder später im Gefängnis landeten.
Parallel zu dieser demokratisch-parlamentarischen Entwicklung startete die
1978 gegründete PKK im Jahr 1984 ihren bewaffneten Kampf gegen die
türkischen Sicherheitskräfte. Zu Beginn mit dem Ziel eines unabhängigen
Kurdistans, später für eine nie genau definierte Autonomie.
Seitdem die kurdische Bewegung in den 90er-Jahren begann, sich an Wahlen zu
beteiligen, wurden die legalen Parteien immer wieder verboten, woraufhin
sie sich unter neuem Namen jedes Mal neu gründeten. Für sie war der Spagat
zwischen der PKK-Guerilla auf der einen Seite und den staatlichen
Institutionen, an denen sie ja teilhaben wollten, in den letzten 40 Jahren
die größte Herausforderung.
Nicht nur in Diyarbakır stellt sich nun die Frage, wie es nach dem
Beschluss der PKK, die Organisation aufzulösen und den bewaffneten Kampf zu
beenden, weitergehen soll. Ganz praktisch, aber vor allem auch, wie eine
Versöhnung zwischen KurdInnen und TürkInnen gestaltet werden könnte.
Der Co-Vorsitzende der kurdischen DEM-Partei, Tuncer Bakırhan, forderte am
Dienstag die Regierung dazu auf, „vertrauensbildende Maßnahmen“ zu
ergreifen. Noch vor Beginn des Opferfestes am 6. Juni solle die Regierung
„humane, konkrete vertrauensbildende Schritte“ unternehmen.
„Am meisten hören wir aus unserer Partei die Forderung nach der Freilassung
von kranken Gefangenen“, sagte der DEM-Chef. Tuncer Bakırhan und Ayşe Serra
Bucak sind sich einig, was nun passieren sollte: „Wir brauchen einen
Friedensprozess, der einen klaren, transparenten Fahrplan hat und alle
miteinbezieht.“
## Keine vertrauensbildenden Maßnahmen
Auch Özgür Özel, [5][der Vorsitzende der CHP, der anderen großen
Oppositionspartei,] sagte am Dienstag, der weitere Prozess müsse jetzt
transparent vom Parlament gesteuert werden. Keine Partei dürfe
ausgeschlossen werden: „Ein sozialer Kontrakt ist essenziell für den Erfolg
des Prozesses, alle müssen eingeschlossen sein, auch die Familien der
gefallenen Soldaten.“ Zudem, verlangte Özel, dürfe es „geheime
Verhandlungen zwischen der Regierung und der PKK nicht mehr geben“.
Mit seiner Forderung nach einer inklusiven öffentlichen Debatte bezieht
sich Özel auf die Erfahrungen während des gescheiterten Friedensprozesses
2015. Damals stand die Mehrheit der türkischen Bevölkerung den
Verhandlungen mit der PKK skeptisch bis ablehnend gegenüber, was letztlich
entscheidend dazu beitrug, dass es nie zu einer Umsetzung der damaligen
Vereinbarungen kam.
Die PKK und Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatten seit Monaten auf den
Beschluss zur Auflösung der PKK hingearbeitet. Am Dienstag kündigte Erdoğan
vor seiner Fraktion an, dass bald ein Fahrplan für die Auflösung bekannt
gegeben würde. Die Freilassung Abdullah Öcalans, des seit 26 Jahren
inhaftierten Führers der PKK, lehnte er vorerst ab. Auch von anderen
vertrauensbildenden Maßnahmen ist keine Rede.
Stattdessen kündigte der Präsident an, dass nun der türkische Geheimdienst
zusammen mit Vertretern des Iraks die Entwaffnung der PKK überwachen werde.
An sieben Orten im Nordirak sollen die mehreren Tausend PKK-KämpferInnen
ihre Waffen abgeben. Ob es für einen Teil von ihnen eine Amnestie geben
wird, ob die Kader der PKK freies Geleit in ein Drittland bekommen, ist
unklar. Vor allem bleibt völlig offen, ob Recep Tayyip Erdoğan die
KurdInnen [6][als gleichberechtigte BürgerInnen anerkennen wird], mit allen
politischen und kulturellen Rechten.
18 May 2025
## LINKS
[1] /Kurden-in-der-Tuerkei/!6084470
[2] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/pkk-aufloesung-tuerkei-ayse-…
[3] /Kurdische-Politikerin-in-der-Tuerkei/!6050581
[4] https://www.tagesanzeiger.ch/interview-mit-diyarbakirs-buergermeisterin-ays…
[5] /Proteste-in-der-Tuerkei/!6080903
[6] /Aufloesung-der-PKK/!6084507
## AUTOREN
Wolf Wittenfeld
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