# taz.de -- Kurden in der Türkei: Die PKK gibt auf | |
> Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gibt ihre Auflösung bekannt und | |
> verkündet das Ende ihres bewaffneten Kampfes. Garantien bekommt sie dafür | |
> nicht. | |
Bild: Demonstrant mit Portrait von Abdullah Öcalan bein einem Protest in Dyaba… | |
Istanbul taz | Es ist nur ein dürres Kommuniqué mit dem die Arbeiterpartei | |
Kurdistans (PKK) ihre Auflösung bekannt gibt. Über ihre eigene Agentur ANF | |
verbreitete sie am Montagmorgen die Meldung, ein Kongress, der in der | |
letzten Woche im Nordirak stattgefunden hat, habe beschlossen, „die Methode | |
des bewaffneten Kampfes zu beenden“ und die „organische Struktur der PKK“ | |
aufzulösen. Die PKK habe ihre historische Mission erfüllt und die kurdische | |
Frage könne nun durch demokratische Politik gelöst werden. | |
Die PKK ist damit einem [1][Wunsch ihres historischen Führers Abdullah | |
Öcalan] nachgekommen, der Ende Februar gemeinsam mit Vertretern der | |
kurdischen DEM-Partei in einem Aufruf seine Partei aufgefordert hatte, sich | |
aufzulösen und den bewaffneten Kampf zu beenden. | |
Schon vor drei Tagen hatte die DEM-Partei in Vorwegnahme der Bekanntgabe | |
der PKK von Montagmorgen eine Erklärung veröffentlicht, mit der sie eine | |
neue Ära des Friedens und der Brüderlichkeit beschwört. Mit der Auflösung | |
der PKK sind wir „einen Schritt näher an einem stabilen Frieden nach 50 | |
Jahren Krieg und 50.000 Toten. Damit wird eine neue Seite auf dem Weg zu | |
einem würdigen Frieden und einer demokratischen Lösung aufgeschlagen. Die | |
Stimmen für Demokratie und Gerechtigkeit müssen nun laut erhoben werden. | |
Wir glauben, dass nun das türkische Parlament die Verantwortung für die | |
Lösung der kurdischen Frage und die Vertiefung der Demokratisierung hat. | |
Aber auch die exekutive Macht muss ihren Teil der Verantwortung übernehmen | |
und für ein Ende der Gewalt sorgen.“ | |
Während die legale, im Parlament vertretene kurdische Partei in ihrer | |
Erklärung von Frieden, Gerechtigkeit und Demokratisierung redet, ist der | |
offizielle Diskurs der türkischen Regierung und ihrer Medien ein ganz | |
anderer. Präsident Recep Tayyip Erdoğan redet seit Wochen nicht von einem | |
Frieden mit der PKK, sondern von einer „terrorfreien“ Türkei. | |
## Viele Fragen bleiben offen | |
Selbst die oppositionelle CHP hat sich dieser Wortwahl angeschlossen. Bei | |
einer großen Protestveranstaltung am letzten Samstag im kurdisch | |
dominierten Van sagte Parteichef Özgür Özel, wir unterstützen natürlich | |
eine „terrorfreie Türkei“. | |
In einer ersten Reaktion am Montag sagte der Sprecher der regierenden AKP, | |
Ömer Çelik, „wenn die PKK ihren Beschluss umsetzt, wird das ein Wendepunkt | |
in der Türkei sein“. Erdoğan und seine Regierung vermeiden tunlichst, dass | |
der Eindruck entsteht, sie seien der PKK in irgendeiner Weise | |
entgegengekommen. Die PKK soll sich auflösen und ihre Waffen niederlegen, | |
das war’s. | |
Niemand aus der Regierung redet von Abmachungen oder Garantien, die man der | |
PKK oder Öcalan in den seit Oktober letzten Jahres stattgefundenen | |
Gesprächen gegeben hätte. Deshalb wird auch öffentlich nicht darüber | |
geredet, wie es nun weitergehen soll. | |
Wird es eine Amnestie für die rund 4.000 PKK-Kämpfer, die sich im Nordirak | |
aufhalten, geben? Dürfen diese Menschen in die Türkei zurückkehren? Wer | |
überwacht den Prozess der Entwaffnung? Wird mindestens ein Teil der | |
PKK-Kämpfer sich zu ihren Genossen nach Syrien absetzen, oder sind die | |
syrischen Milizen der YPG, die nach Auffassung der türkischen Regierung ein | |
Ableger der PKK sind, Teil der Abmachung und werden sie ebenfalls die | |
Waffen niederlegen, wie es ja auch die neue syrische Regierung unter | |
Präsident Ahmed al-Scharaa fordert? | |
Einer der Gründe, warum über diese Fragen nicht öffentlich diskutiert wird, | |
sind die Erfahrungen aus dem sogenannten „Friedensprozess“ von 2013 bis | |
2015. Damals waren zu all diesen Fragen, von Amnestie, Rückkehrrecht, | |
demokratischer Teilhabe etc. detaillierte Vereinbarungen getroffen worden. | |
Die Verhandlungen auf Regierungsseite führte damals Ministerpräsident Ahmet | |
Davutoğlu. | |
## Regionale und technische Entwicklungen zu Lasten der PKK | |
Doch als bei den Wahlen im Frühjahr 2015 die kurdische HDP unter Führung | |
von Selahattin Demirtaş ein sensationell gutes Ergebnis erzielte, während | |
die AKP ihre absolute Mehrheit verlor, beendete Erdoğan den gesamten | |
Verhandlungsprozess mit einem Federstrich und erklärte die Ergebnisse für | |
obsolet. | |
Es folgten heftige Kämpfen in den kurdisch bewohnten Gebieten im Südosten | |
der Türkei, die die Armee schließlich mit dem massiven Einsatz überlegener | |
Gewalt beendete. Nach dem gescheiterten Putsch gegen Erdoğan 2016, an dem | |
auch Offiziere beteiligt gewesen sein sollen, die Erdoğan die Verhandlungen | |
mit der PKK übel genommen hatten, beendete der anschließende | |
Ausnahmezustand über Jahre jeden zivilen Widerstand auch in den kurdischen | |
Gebieten des Landes. | |
Die PKK wurde aus der Türkei militärisch verdrängt, ziviler Widerstand im | |
Keim erstickt. Auch die Entwicklung der Drohnentechnik, in der die Türkei | |
weltweit mit führend ist, führte dazu, dass die Guerilla-Gruppen der PKK in | |
den Bergen kaum noch operieren konnten und sich in den Nordirak | |
zurückzogen. | |
Anschläge der PKK in der Türkei hat es seit 2020 praktisch nicht mehr | |
gegeben. Aber auch im Irak und Syrien hat sich die Situation für die PKK | |
verändert. Der Irak hat sich nach den jahrzehntelangen Kriegen und | |
Bürgerkriegen in den letzten Jahren wieder etwas stabilisiert. | |
## Bewaffneter Kampf der PKK machte immer weniger Sinn | |
Seit der pragmatische Mohammed Shia al-Sudani im Herbst 2022 die Regierung | |
übernommen hat, wird wieder in den Aufbau des Landes investiert, auch mit | |
Unterstützung der Türkei. Sowohl die irakische Regierung wie auch die | |
Regierung der kurdischen autonomen Zone haben gute Beziehungen zu Ankara, | |
die durch die Existenz der PKK im Nordirak belastet werden. Entsprechend | |
hat al-Sudani im Austausch für mehr Wasser aus Euphrat und Tigris und | |
wirtschaftliche Unterstützung aus der Türkei eingewilligt, gegen die PKK | |
vorzugehen. | |
Der Sturz von Assad in Syrien und die Machtergreifung der mit der Türkei | |
eng verbündeten islamischen HTS in Damaskus war für die PKK auch eine | |
schlechte Nachricht. Die neue Regierung will [2][die mit der PKK verbündete | |
kurdische YPG-Miliz entwaffnen oder zumindest in eine neue syrische Armee | |
integrieren]. Das alles muss der PKK und Öcalan klargemacht haben, dass der | |
„bewaffnete Kampf“ in der bisherigen Form nicht mehr viel Sinn macht. | |
Diese historische Chance, wie die DEM-Partei die Situation beschreibt, | |
trifft nun auf ein zunehmend autoritär und repressiv gewordenes | |
Erdoğan-Regime, das reihenweise oppositionelle Politiker, unter ihnen den | |
Oberbürgermeister von Istanbul, Ekrem Imamoğlu, verhaften lässt und | |
Proteste dagegen gewaltsam niederschlägt. | |
Erdoğan will sich auf keinen Fall erneut vorwerfen lassen, er sei „den | |
Terroristen“ entgegengekommen, was die zahlreichen Nationalisten unter | |
seinen Anhängern gegen ihn aufbringen würde. Deshalb hat er bislang sowohl | |
die Freilassung von Öcalan wie auch anderer wichtiger kurdischer Politiker | |
wie Selahattin Demirtaş abgelehnt und will erst den Vollzug von Entwaffnung | |
und Auflösung der PKK sehen. | |
## PKK-Erklärung ein großer innenpolitischer Erfolg für Erdoğan | |
Bislang ist die Armee noch nicht einmal auf den von der PKK angekündigten | |
Waffenstillstand eingegangen. Für Erdoğan ist die Erklärung der PKK über | |
ihre Selbstauflösung zuerst einmal ein großer innenpolitischer Erfolg. Um | |
den von ihr erhofften „Friedensprozess“ nicht zu gefährden, verhält die D… | |
sich [3][bei den Protesten gegen die Verhaftung Imamoğlus] weitgehend | |
neutral und spaltet so die Opposition. | |
Doch um die DEM weiterhin auf seiner Seite zu halten, muss Erdoğan bald den | |
Kurden etwas bieten. Hafterleichterung für Öcalan und die Wiedereinsetzung | |
kurdischer BürgermeisterInnen die wegen angeblicher Unterstützung der PKK | |
abgesetzt und ins Gefängnis geworfen wurden, wären ein erster Schritt. | |
Letztlich wird es aber bei der von ihm angestrebten Verfassungsänderung zum | |
Schwur kommen. Erdoğan hofft, dass die Kurden ihn bei einer | |
Verfassungsänderung unterstützt, die ihm womöglich weitere Amtszeiten auf | |
Lebenszeit ermöglichen würden. Die Kurden wollen dafür eine Verfassung, in | |
der Türken und Kurden als gleichberechtigte Völker der Türkei | |
festgeschrieben werden. Das wird Erdoğan ihnen niemals zugestehen | |
12 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Wolf Wittenfeld | |
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