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# taz.de -- Abwehr von Flüchtlingen: Algerien als Afrikas Abschotter
> Systematische Razzien, zehntausendfache Abschiebung in Nigers
> Sahara-Wüste: Algeriens Autokraten halten Afrikaner von Europa fern.
Bild: Transitzentren in Algerien, von hier geht es nur zurück und nicht nach E…
Tunis taz | Wieder einmal gehen [1][algerische Behörden] massiv gegen im
Land lebende Geflüchtete vor. Schon seit Anfang April führen die
Polizeibehörden in zahlreichen Städten des Landes systematische Razzien
gegen Einwanderer*innen durch.
„Es ist wirklich heftig im Moment. Polizist*innen haben unzählige
Unterkünfte von uns zerstört und alle Migrant*innen, die sie gefunden
haben, mitgenommen“, erzählt ein Mann aus Kamerun der taz, kurz nachdem er
sich Mitte April vor einer solchen Razzia im westalgerischen Oran gerade
noch retten konnte. Auch in Algier, Mostaganem und im südalgerischen
Tamanrasset wird von Verhaftungen berichtet.
Angesichts der autoritären politischen Lage in Algerien finden derlei
Razzien fast immer im Verborgenen statt und werden erst öffentlich, wenn
Verhaftete in das südliche Nachbarland Niger abgeschoben werden. So auch
dieses Mal. Ende April bestätigte die staatliche nigrische Medienanstalt
Radio Télévision du Niger, dass Algerien zwischen dem 1. und dem 21. April
4.975 Menschen in eine Region nahe der Kleinstadt Assamaka im Norden Nigers
mitten in der Sahara-Wüste abgeschoben habe.
2.899 davon seien nigrische Staatsbürger*innen, die verbleibenden 2.076
stammen aus afrikanischen Staaten wie Senegal, Sudan, Somalia und Tschad,
aber auch aus Bangladesch.
## Erzwungene Abschiebungen aus Libyen
Das neben nigrischen Behörden und Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne
Grenzen ebenfalls im mitten in der Sahara liegenden nigrisch-algerischen
Grenzgebiet präsente Aktivist*innennetzwerk Alarme Phone Sahara (APS)
berichtet derweil, Algerien habe seit Jahresbeginn mindestens 6.840
Menschen in das südliche Nachbarland ausgewiesen. APS meldet zudem
zunehmend erzwungene Abschiebungen aus Libyen. Demnach seien in weniger als
einem Monat mindestens 783 Menschen von mit General Khalifa Haftar
verbündeten Milizen im Grenzgebiet im Nordosten Nigers nahe der Stadt
Madama abgeschoben worden.
Zeitgleich begannen in Tunesien die Behörden, die informellen
Zeltsiedlungen Tausender Geflüchteter in Olivenhainen nördlich der
[2][Industriestadt Sfax zu räumen]. Inzwischen sollen tunesische Behörden
zudem abermals im Zuge der jüngsten Razzien aufgegriffene Menschen an die
Landgrenzen nach Libyen und Algerien abgeschoben haben – eine Praxis, die
vor 2023 in Tunesien nur sporadisch praktiziert wurde.
Seit jenem Jahr jedoch sind die gegen internationales Recht verstoßenden
Sammelausweisungen gängige Praxis. Algeriens Grenzpolizei wiederum hat in
den vergangenen zwei Jahren immer wieder an der tunesisch-algerischen
Grenze verhaftete Geflüchtete in sogenannten Kettenabschiebungen direkt
nach Niger ausgewiesen, wie APS bereits 2024 bestätigt hatte.
Die offensichtliche Koordinierung von repressiven Maßnahmen gegen
Geflüchtete durch Algerien, Tunesien und Behörden im geteilten Libyen wurde
schon im April 2024 eingefädelt.
## Treffen mit Giorgia Meloni
Damals waren Algeriens Präsident Abdelmadjid Tebboune, Tunesiens
autokratisch regierender Staatschef Kaïs Saïed und der in Teilen
Westlibyens als Präsident des libyschen „Präsidialrates“ regierende Moham…
al-Menfi zu einem Gipfeltreffen in Tunis zusammengekommen und hatten
vereinbart, ihre Migrationspolitik künftig enger zu koordinieren. Kurz
darauf reisten die Innenminister der drei Staaten nach Rom und trafen sich
mit ihrem italienischen Amtskollegen, um diese Koordinierung auch in einem
Viererpakt mit Italiens rechtsextremer Regierung von Giorgia Meloni
abzustimmen.
Algeriens Abschiebepraxis an seinen südlichen Außengrenzen ist dabei alles
andere als neu und wird bereits seit den 2000er Jahren immer wieder heftig
kritisiert. Nachdem Algerien seine illegalen Abschiebungen nach Mali 2011
angesichts des dort ausgebrochenen Krieges praktisch einstellte, gehen die
Ausweisungen nach Niger seither konsequent weiter.
Erst seit 2017 allerdings finden sie regelmäßig und systematisch statt.
Nachdem Algerien 2021 insgesamt 27.208 Menschen nach Niger abgeschoben
hatte, stieg die Zahl im Folgejahr auf 36.083, so das Niger-Büro von „Ärzte
ohne Grenzen“.
6 May 2025
## LINKS
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[2] /Tunesien-raeumt-Fluechtlingscamps/!6080850
## AUTOREN
Sofian Philip Naceur
## TAGS
Algerien
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Migration
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