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# taz.de -- „Bündnis gegen rechts“ ruft zum Protest: Rechte Bewunderer bei…
> Eine schlagende Verbindung lädt zu einer Ernst-Jünger-Gedenkveranstaltung
> ein. Neben Rechtsextremen kommt auch „Zeit“-Kolumnist Harald Martenstein.
Bild: Vielbewundert von weiten Teilen der Bundesrepublik: Ernst Jünger (Mitte)…
Hamburg taz | Im Schützengraben, auf der Klippe oder im Wald: Ernst Jünger
war ein fleißiger Schreiber. Er beschwor den heroischen Soldatentod, die
innere Emigration und die zeitgeistliche Widerständigkeit. Ein Solitär mit
reflektierter Distanz und transzendentalem Habitus wollte der
Schriftsteller sein, der 1998 im Alter von 103 Jahren verstarb – hoch
geehrt und viel bewundert in weiten Teilen der Bundesrepublik.
Eine [1][anerkannte literarische Größe] also. Trotzdem ruft am Samstag das
Hamburger „Bündnis gegen rechts“ mit gutem Grund zur Protestdemo gegen eine
Ernst-Jünger-Gedenkveranstaltung auf. Besonders bedenklich stimme an der,
dass neben gesichert rechtsextremen Bewunderern des militaristischen Autors
„auch Angehörige des konservativen Establishments“ teilnehmen, so das
Bündnis, „darunter CDU-Mitglieder und Personen aus der Wirtschaft“.
Veranstalter ist die [2][schlagende Verbindung „Landsmannschaft
Mecklenburgia Rostock“], über die der Verfassungsschutz schon 1993 in einem
vertraulichen Bericht schrieb, sie habe „als zumindest rechtsextremistisch
beeinflusst“ zu gelten. Stargast ihrer diesjährigen Jünger-Huldigung, die
unter dem Titel „Erdbeeren mit Burgunder“ firmiert: [3][Harald
Martenstein].
Ab 19 Uhr können zahlende Gäste dem Kolumnisten von Die Zeit, NDR und Die
Welt im Haus der Landsmannschaft laut interner Ankündigung zuhören. Im
Zeit-Magazin vom 15. Mai hatte Martenstein noch – fehlinformiert –
behauptet, Adolf Hitler sei der „wichtigste Pionier“ des Genderns gewesen.
Grund war, dass er seit 1925 in seinen Ansprachen die getrennte Anrede von
weiblichen und männlichen Genossinnen und Genossen kopiert hat. Die war bei
Kommunisten und SPD-Parteitagen seit Beginn des 20. Jahrhunderts üblich
gewesen.
## Landsmannschaft lässt sich nicht „vom Zeitgeist gängeln“
In ihrer Selbstdarstellung betont die Landsmannschaft, sich „keine
weltanschaulichen oder konfessionellen Zwänge“ aufzuerlegen. „Ebenso wenig
lassen wir uns vom Zeitgeist gängeln.“ Ernst Jünger dürfte sich da nicht
missverstanden fühlen: Den Zeitgeist der Moderne – die parlamentarische
Demokratie, feministische Tendenzen und gesellschaftliche Liberalität –
lehnte er seit den 1920er-Jahren ab. Doch der Literat aus dem Spektrum der
„Konservativen Revolution“, die gegen die republikanische Realität und für
eine autoritäre Reaktion anschrieb, krakeelte mitunter auch laut.
Im Jahr 1930 nahm der Erste-Weltkrieg-Erfahrene teil an einem von der SA
angeführten Mob, dessen Ziel es war, einen Vortrag von Thomas Mann in
Berlin zu stören: Der Literaturnobelpreisträger hatte seine
reaktionär-nationalistischen Positionen aus den „Betrachtungen eines
Unpolitischen“ spätestens angesichts der nationalsozialistischen Bewegung
revidiert und war ins republikanisch-demokratische Lager gewechselt.
Mann sollte Jünger später als „geistigen Wegbereiter und eiskalten
Wollüstling der Barbarei“ bezeichnen. Jünger waren die NSDAP und der Führer
zwar zu vulgär. Bei aller ästhetischen Distanz zur nationalsozialistischen
Bewegung suchte er als Autor praktisch ihre Nähe. So schrieb er Artikel für
den Völkischen Beobachter und verteidigte rechtsterroristische Morde.
Seine entmenschlichte Ästhetik greift die Landsmannschaft mit dem gewählten
Titel der Veranstaltung auf. Er spielt auf eine Szene an, die Jünger
während seiner Zeit als Wehrmachtsoffizier im Mai 1944 im besetzten Paris
in sein zur Veröffentlichung bestimmtes Tagebuch schrieb. Anlass war das
Bombardement der Stadt durch die US-Luftwaffe, das er vom hohen Dach des
Hotels, in dem er einquartiert war, genüsslich beobachtet: Zweimal habe er
„in der Richtung von St. Germain gewaltige Sprengwolken aufsteigen“ sehen.
Beim zweiten Mal „hielt ich ein Glas Burgunder, in dem Erdbeeren schwammen,
in der Hand. Die Stadt mit ihren roten Türmen und Kuppeln lag in gewaltiger
Schönheit, gleich einem Blütenkelche, der zu tödlicher Befruchtung
überflogen wird.“
Kriegskitsch mit Sexassoziationen: In der französischen Hauptstadt nahm
Jünger damals freiwillig an Hinrichtungen von Deserteuren und
Gegner*innen teil. Die Landsmannschaft werden diese Schilderungen kaum
stören. Sie beklagt schon lange einen „deutschen Selbsthass“ als „ungesu…
und dekadent“ und betont die „Vaterlandsliebe“. Die liegt auch den
Ernst-Jünger-Festrednern am Herzen: Neben [4][Uwe Tellkamp] waren bisher
der ehemalige Leiter des extrem [5][rechten Magazins Cato], Andreas
Lombard, sowie der Spiritus Rector dieses Heftes, Karlheinz Weißmann, zu
Gast.
Das Hamburger „Bündnis gegen rechts“ weist darauf hin, dass in diesem
„Lebensbund“ Kader der AfD mit Personen aus CDU und Wirtschaft
zusammentreffen. So finden sich unter den 100 Landsmannschaft-Mitgliedern
der ehemalige CDU-Bürgerschaftsabgeordnete und einstige leitender
NDR-Mitarbeiter Horst Szychowiak, aber auch das Ehrenmitglied des
Nordmetall-Vorstands, Wolfgang Würst.
23 May 2025
## LINKS
[1] /Ernst-Juengers-Hauptwerk-ueberarbeitet/!5055212
[2] /Alte-Herren-im-Verteidigungsministerium/!5934723
[3] /Der-Fall-Harald-Martenstein/!5833750
[4] /Tellkamp-bei-rechter-Studentenverbindung/!5935343
[5] /Neue-Rechte-stellt-Magazin-vor/!5442850
## AUTOREN
Andreas Speit
## TAGS
Hamburg
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