# taz.de -- Der Hausbesuch: Die Frau mit den 73 Angusrindern | |
> Schon als Achtjährige weiß Maria Mundry: Ich werde mal Landwirtin. Seit | |
> 2017 betreibt sie ihren eigenen Hof im Havelland. | |
Bild: Maria Mundry vor ihrem Zuhause in Görne im Havelland | |
Will die Kuhbäuerin, Verbandschefin und vierfache Mutter alleine sein, geht | |
sie ins Nachbardorf. Dort weidet ihr Pferd. | |
Draußen: Am Ende des 120-Einwohner:innen-Dorfes Görne im Havelland steht | |
das neu gebaute Fachwerkhaus von Maria Mundry und ihrer Familie. Zu jeder | |
der vier Seiten hat es einen Giebel und eine Eingangstür. „Hexenhaus“ nennt | |
es Mundry, weil es sie an die Hütte der Hexe Baba Jaga erinnert, nur ohne | |
die Hühnerfüße. Neben ihrem Grundstück steht ein großer Funkmast. „Endli… | |
guter Empfang“, sagt sie. Im Dorf gibt es noch eine Kirche, die Freiwillige | |
Feuerwehr und einen Automaten für regionale Produkte. | |
Drinnen: In der Wohnküche sind alte Tische aus einer Berliner Kneipe zu | |
einem großen Esstisch zusammengeschoben worden. Davor eine Holzbank, Stühle | |
im Landhausstil und Gartenstühle von der Terrasse. Auf dem Tisch liegen ein | |
halbfertiges Puzzle, geöffnete Briefe und Ordner, Kaffeetassen daneben. | |
„Immer Chaos hier“, sagt Mundry. An den Türen im Haus fehlen die Klinken, | |
das hat aber bislang niemanden gestört. Mundrys Handy klingelt, wie so oft | |
in den nächsten Stunden. Der Schlachter berichtet am Telefon über den | |
Reifeprozess des Fleisches aus der jüngsten Schlachtung. „Der Boris hängt | |
jetzt am Haken.“ | |
Großstadt: Maria Mundry wurde 1982 in Berlin geboren. Ihre Mutter stammt | |
aus Görne, der Vater aus dem Nachbardorf. In ihrer Jugend verschlug es die | |
Eltern nach Berlin, heute leben sie wieder auf dem Land, fünf Minuten von | |
Mundry entfernt. Für die junge Maria Mundry war die Großstadt eine | |
„Hassliebe“. „Unter der Woche musste ich mein Pflichtprogramm in Berlin | |
machen, am Wochenende konnte ich endlich raus aufs Dorf.“ Das | |
Pflichtprogramm war die Schule. Sie verbrachte ihre Zeit lieber in der | |
Natur und auf dem Rinderhof ihres Onkels. | |
Kuhkontakte: Mit acht Jahren war Maria Mundry das erste Mal im Kuhstall auf | |
dem Hof ihres Onkels. „Ich habe mit den Kälbern gespielt, sie gefüttert und | |
mit der Milch ihrer Mütter getränkt.“ Daran erinnert sie sich noch gut. Von | |
da an wusste sie, dass sie Landwirtin werden will. Ihre Familie habe sich | |
amüsiert, weil sie alle Kälber beim Namen kannte. Anfangs wurde im Stall | |
noch per Kanne gemolken, Mundry half bei der Euterpflege. Jedes Frühjahr | |
war es ein Höhepunkt, wenn die Kühe aus dem Winterstall nach draußen kamen. | |
„Auf den ersten Metern auf der Weide haben sie ihre Freude sehr genossen.“ | |
Der Weg: Bis Mundry ihre eigenen Kühe haben soll, dauert es noch. Erstmal | |
macht sie den Realschulabschluss, dann eine [1][Ausbildung zur Landwirtin] | |
im niedersächsischen Neustadt am Rübenberge und danach die Fachschule | |
Landwirtschaft in Rhinow, ganz in der Nähe von dort, wo sie jetzt lebt. In | |
Rhinow arbeitet Mundry in einem großen Milchviehbetrieb. „Da gab es sogar | |
geregelte Arbeitszeiten von 8 bis 16 Uhr.“ Anschließend macht sie ihren | |
Bachelor in Agrarwissenschaften und wird von ihrem damaligen Partner | |
schwanger. Bald kommt die Trennung, irgendwann lernt Mundry ihren heutigen | |
Ehemann Rasmus kennen. Die beiden leben in Berlin-Mitte, arbeiten in der | |
landwirtschaftlichen Forschung. Sie bekommen noch drei gemeinsame Kinder. | |
Mundry erzählt all dies schnell und ohne abzuschweifen, als sei alles lang | |
her und heute weit weg. | |
Gründung: Die Rinder sind Mundrys Kindheitstraum, die Idee habe sie ihrem | |
Partner Rasmus „untergejubelt“. Im Dezember 2016 schaffte sie sich mit | |
finanzieller Unterstützung ihres Cousins neun Angusrinder an, sie pachtet | |
30 Hektar Land. Im Mai 2017 erfolgt dann die offizielle Gründung ihres Hofs | |
„Schwarze Kuh“. Ihren Betrieb führt sie seit Beginn allein, ihr Mann Rasmus | |
arbeitet in Potsdam im Landwirtschaftsministerium. Nach der Hofgründung | |
zieht die Familie ein Jahr später aufs brandenburgische Dorf. | |
Familie: Wenige Tage vor dem Umzug hat Mundry ihr viertes Kind zur Welt | |
gebracht. „Für mich war das okay, den Stress hatte Rasmus.“ Denn „er mus… | |
das meiste wuppen“. Für den ältesten Sohn, damals 10 Jahre alt, bedeutet | |
das Landleben den Verlust von Selbstständigkeit. Für die jüngeren Kinder, | |
damals 3 und 5 Jahre alt, und ihr Neugeborenes sei das Leben auf dem Dorf | |
heute Normalität. Das Familienleben beschreibt Mundry als entspannt, in der | |
Erziehung setze sie auf Selbstständigkeit. Nicht „so helikoptermäßig“ wi… | |
sie sein. „Rasmus schimpft immer, dass wir mit den Kindern zu wenig | |
Ausflüge machen. Aber ich hoffe, aus den Kindern wird trotzdem was“, sagt | |
sie lachend. | |
Charaktere: Eine Herde von 73 Angusrindern hat Maria Mundry heute. An Kühen | |
mag sie das „Wesen“ und die körperliche Augenhöhe. Sie weiß bei jeder Ku… | |
wie sie tickt und worauf sie achten muss. „Alle Tiere haben einen eigenen | |
Charakter.“ Manche seien vorsichtig, andere forsch. „Friedel ist meine | |
Lieblingskuh, die hat ’ne große Klappe und viel eigene Meinung.“ Das | |
romantische Bild von den „Schmusekühen“ sieht Mundry kritisch. „Auch bei | |
den ruhigen Kühen kann etwas passieren, das sind starke Tiere, die wiegen | |
600 bis 800 Kilo.“ | |
Lebenszyklus: Das Leben eines Rinds auf Mundrys Hof beginnt mit der Geburt | |
auf der Weide. Danach wachsen die Tiere bei ihren Müttern in der Herde auf. | |
Das ganze Jahr sind die Rinder im Freien und fressen Gras und Heu. Ein | |
Schlachter erlegt sie nach zwei Jahren, dann werden die Rinder zerteilt. | |
Mundry vertreibt das Fleisch in der Region, manche Zuchtrinder verkauft sie | |
auf Auktionen. Sie ist nicht traurig, wenn ein Tier geschlachtet wird, das | |
gehöre dazu. Schlimm sei es dagegen, wenn ein Tier durch Krankheit [2][oder | |
einen Wolf] sterbe. Die Maul- und Klauenseuche, die [3][im Januar auf einem | |
Hof in Brandenburg entdeckt wurde], hätte eine „Katastrophe“ für ihren Hof | |
werden können. Glücklicherweise sei es nicht zur weiteren Ausbreitung | |
gekommen. | |
Ehe: Für eine Hochzeit haben sich Maria Mundry und ihr Partner Rasmus vor | |
zwei Jahren entschieden, davor waren sie 13 Jahre zusammen. Die Ehe war | |
eine Entscheidung „aus praktischen Gründen“, sagt Mundry. Sie wirft einen | |
Blick zu Rasmus, der am Herd das Abendessen kocht und fragt ihn: „Rasmus, | |
oder wartest du noch auf die romantische Ehefrau?“ Die Antwort: Lachen. | |
Lobby: Den Hof betreibt Mundry im Nebenerwerb, hauptberuflich ist sie | |
Geschäftsführerin des Kreisbauernverbandes Ostprignitz-Ruppin. Als | |
Lobbyistin setzt sie sich für die Belange der Landwirtschaft ein. „Ich bin | |
die Mutti der Landwirte hier.“ Die Bäuer:innenproteste hat sie in | |
ihrem Verband mitorganisiert, zeitweise war sie so beschäftigt, dass ihr | |
Mann ihr ein Handyverbot während des Abendessens erteilte. Mundry versteht | |
die Frustration der Bäuer:innen, die Gefühle fehlender Anerkennung. Ihr | |
selbst geht das nicht so, „durch die Direktvermarktung erfahre ich im | |
Kundenkontakt die Wertschätzung.“ | |
Spaltung: In ihrer Gemeinde haben bei der Bundestagswahl 42 Prozent [4][die | |
AfD] gewählt. Mundry versteht das nicht. „Denen geht es doch gut, die haben | |
Haus und Land.“ Das Dorf sei gespalten, viele hätten „Angst vor Neuem“. … | |
genau das Neue ist, erklärt sie nicht. Sie sagt nur, dass sie und ihr Mann | |
„Glück hätten“, dass sie aus den umliegenden Dörfern stammen. Mundry | |
erzählt lieber von der Skatgruppe, die sich im Dorf trifft und von ihrem | |
Engagement bei der Freiwilligen Feuerwehr. Sie ist „gegen Grenzen in den | |
Köpfen“, ihr ist wichtig, „allen offen zu begegnen“. | |
Erholung: Für Mundry ist es wie Urlaub, wenn sie „einfach nur Zeit hat, den | |
Kühen zuzuschauen, wie sie weiden“. Wenn sie mal Abstand braucht, dann geht | |
sie zu ihrem Pferd. Ihre Ruhe hat Mundry abends, wenn die Kinder im Bett | |
sind. „Dann mach ich mir den Fernseher an und guck Dokus oder Quizshows.“ | |
Gefragt, ob eines ihrer Kinder den Hof übernehmen soll, zeigt sich Mundry | |
entspannt. „Die sollen machen, was sie wollen, wir zwingen hier niemanden.“ | |
Für die nächsten Jahre wünscht sie sich nur, dass ihr Hof stabil | |
weiterläuft. | |
17 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Marietta Meier | |
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