# taz.de -- Jahresbericht von Amnesty International: Generalsekretärin spricht… | |
> Die NGO warnt vor Attacken auf regelbasierte Ordnung. Kritik ernten die | |
> USA und Russland, aber auch Deutschland. Israel wird Völkermord | |
> vorgeworfen. | |
Bild: Ein israelischer Panzer in den zerbombten Ruinen im nördlichen Gazastrei… | |
Berlin apf | Amnesty International hat vor einer Schwächung internationaler | |
Organisationen und zunehmenden Attacken mächtiger Staaten auf die | |
regelbasierte Ordnung gewarnt. „Weltweit ergriffen im Jahr 2024 weder die | |
internationale Staatengemeinschaft noch einzelne Länder wirksame Maßnahmen, | |
um die Gräueltaten in Konflikten zu stoppen“, heißt es im am Dienstag | |
veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation für das Jahr 2024. | |
Die Organisation verwies zudem auf die dramatische Lage für die | |
Zivilbevölkerung im Gazastreifen, in der Ukraine und im Sudan. | |
Insbesondere US-Präsident Donald Trump habe seit seinem Amtsantritt im | |
Januar [1][„zahlreiche Attacken“] auf die „hart erkämpften Errungenschaf… | |
der vergangenen 80 Jahre in Sachen Gleichheit, Gerechtigkeit und Würde“ | |
verübt, erklärte Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard. Trumps | |
„Kooperation mit großen Konzernen“ katapultiere die Welt „mit hoher | |
Geschwindigkeit in ein brutales Zeitalter“, in dem „Menschenrechte und | |
Diplomatie von militärischer und wirtschaftlicher Macht übertrumpft“ | |
würden. | |
Die Probleme beschränkten sich jedoch nicht auf die Politik Trumps. „Seit | |
mehr als einem Jahrzehnt erlebt die Welt eine Ausbreitung autoritärer | |
Gesetze, Maßnahmen und Praktiken“, kritisierte Callamard. So seien in | |
verschiedenen Ländern immer mehr NGOs und politische Parteien „aufgelöst, | |
mit einem Betätigungsverbot belegt oder willkürlich als ‚extremistisch‘ | |
gebrandmarkt“ worden. Mindestens 21 Staaten brachten nach ihren Angaben | |
2024 „Gesetze oder Gesetzesentwürfe ein, die auf die Unterdrückung der | |
freien Meinungsäußerung oder ein Verbot von Medienunternehmen abzielten“. | |
Amnesty-Generalsekretärin Julia Duchrow sprach von einem „epochalen Bruch“, | |
da viele autoritäre Staatenlenker ihre menschenrechtswidrige Politik nicht | |
einmal mehr verschleiern würden. „Rechtsstaat, Völkerrecht und | |
Menschenrechtsschutz werden von einer Vielzahl von Staaten missachtet und | |
angegriffen“, erklärte Duchrow. „Menschenrechtsverletzungen werden nicht | |
mehr geleugnet oder vertuscht, sondern [2][ausdrücklich gerechtfertigt.“] | |
## Lage in Ukraine und Sudan | |
Zudem seien multilaterale Institutionen und dabei „insbesondere der | |
UN-Sicherheitsrat“ im vergangenen Jahr „häufig nicht in der Lage oder nicht | |
willens“ gewesen, „Druck auf Konfliktparteien auszuüben, damit diese das | |
humanitäre Völkerrecht einhalten und/oder sicherstellen, dass die | |
humanitäre Hilfe dem Bedarf der Zivilbevölkerung entspricht“, erklärte | |
Amnesty. Dies habe auch zur Folge, dass es „immer größere Zweifel an der | |
Legitimität und Funktionsfähigkeit dieser Institutionen“ gibt. | |
Amnesty kommt neben zahlreichen weiteren Konflikten insbesondere auch auf | |
den Krieg in der Ukraine zu sprechen. Dort seien die Lebensbedingungen für | |
die Zivilbevölkerung wegen der russischen Angriffe „immer untragbarer“ | |
geworden. Im vergangenen Jahr seien durch „systematische Angriffe auf die | |
zivile Infrastruktur der Ukraine“ noch mehr Zivilistinnen und Zivilisten | |
als 2023 getötet worden. | |
[3][Im Sudan] litten hunderttausende Menschen an Hunger, hieß es weiter. | |
Das Bürgerkriegsland war mit mehr als elf Millionen Binnenvertriebenen 2024 | |
Schauplatz der größten Vertreibungskrise weltweit, wie Amnesty weiter | |
ausführte. | |
## Kritik an der Bundesregierung | |
Auch innenpolitische Entscheidungen bei der Flüchtlings- und | |
Migrationspolitik der Bundesregierung wurden in dem Jahresbericht | |
kritisiert. So habe sich die damalige Ampel-Regierung bei der | |
Verabschiedung ihres „Sicherheitspakets“ im vergangenen Jahr von | |
„rassistischer und migrationsfeindlicher Rhetorik“ beeinflussen lassen, die | |
insbesondere nach den Messerangriffen von Mannheim im Mai und Solingen im | |
August sehr präsent gewesen sei. Die verabschiedeten Gesetze enthalten laut | |
Amnesty Regelungen, „die Kriminalität mit rassistischen Zuschreibungen, | |
ethnischer Zugehörigkeit und Nationalität verknüpften“. | |
Auch die Politik der wahrscheinlich künftigen Regierungskoalition aus Union | |
und SPD biete Anlass zur Sorge, erklärte die Amnesty-Generalsekretärin für | |
Deutschland, Duchrow. Die im Koalitionsvertrag angekündigte „Zeitenwende in | |
der inneren Sicherheit“ bediene „rassistische Feindbilder, | |
instrumentalisiert das Aufenthalts- und Migrationsrecht, bläht Überwachung | |
auf und greift die Zivilgesellschaft an“, erklärte sie. | |
Amnesty kritisierte weiter, dass das Bundesamt für Migration und | |
Flüchtlinge (BAMF) am 9. Dezember nach dem Machtwechsel in Syrien die | |
Bearbeitung von Asylanträgen von Syrerinnen und Syrern aussetzte. Damit | |
seien „50.000 Asylsuchende einer (…) zusätzlichen rechtlichen Unsicherheit… | |
ausgesetzt, was bedeute, dass sie zum Teil in Aufnahmeeinrichtungen bleiben | |
müssten, nicht arbeiten dürften oder nur eingeschränkt Zugang zu | |
Gesundheitsleistungen hätten. | |
Des Weiteren beklagte Amnesty in Deutschland eine „weitere Kriminalisierung | |
der Klimabewegung“. So habe die Staatsanwaltschaft im brandenburgischen | |
Neuruppin im Mai fünf Aktivisten der „Letzten Generation“ der „Bildung | |
einer kriminellen Vereinigung“ beschuldigt. Im Jahresbericht verwies | |
Amnesty zudem auf teils „exzessive Gewaltanwendung“ der Behörden bei | |
Klimaprotesten. | |
Amnesty kritisierte zudem das Vorgehen gegen pro-palästinensische | |
Protestierende. Als Beispiel führte die Organisation das Verbot des | |
sogenannten Palästina-Kongresses vom April 2024 an, bei dem gegen mehrere | |
Rednerinnen und Redner „unverhältnismäßige Einreise- und Tätigkeitsverbot… | |
verhängt worden seien. | |
## Amnesty wirft Israel „Völkermord“ im Gazastreifen vor | |
Die Menschenrechtsorganisation hat Israel vorgeworfen, mit dem Vorgehen im | |
Gazastreifen im Krieg gegen die radikalislamische [4][Hamas einen | |
„Völkermord“ zu begehen] und in diesem Zusammenhang auch deutsche | |
Waffenexporte kritisiert. „Im Gazastreifen wurde Völkermord verübt“, hei�… | |
es im Jahresbericht. Israels Vorgehen in dem Palästinensergebiet „hatte | |
katastrophale Folgen für die palästinensische Zivilbevölkerung“. | |
Im Westjordanland habe Israel im vergangenen Jahr „das System der Apartheid | |
und rechtswidrigen Besetzung weiterhin gewaltsam“ durchgesetzt, hieß es | |
weiter. Amnesty kritisierte dort „willkürliche Inhaftierungen, | |
rechtswidrige Tötungen und staatlich unterstützte Angriffe israelischer | |
Siedlerinnen und Siedler auf palästinensische Zivilpersonen“, die 2024 | |
stark zugenommen hätten. | |
Weder die internationale Staatengemeinschaft noch einzelne Länder hätten | |
wirksame Maßnahmen ergriffen, um Gräueltaten in Konflikten wie dem Krieg im | |
Gazastreifen zu stoppen, heißt es weiter in dem Jahresbericht. Amnesty | |
kritisierte insbesondere die USA, warf aber auch Großbritannien und vielen | |
EU-Mitgliedstaaten vor, sich offen hinter das Vorgehen Israels im | |
Gazastreifen gestellt zu haben. | |
UN-Experten hätten gefordert, Waffenlieferungen nach Israel auszusetzen, | |
führte Amnesty aus. Deutschland habe nicht zu den Ländern gehört, die | |
dieser Forderung nachgekommen seien. Stattdessen habe die Bundesrepublik | |
weiter Waffen nach Israel und in weitere Länder geliefert, „wo ein | |
erhebliches Risiko bestand, dass die Waffen für schwere völkerrechtliche | |
Verstöße eingesetzt werden bzw. solchen Verstößen Vorschub leisten | |
könnten“, darunter auch Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen | |
Emirate. Amnesty forderte die Einstellung dieser „unverantwortlichen | |
Rüstungsexporte“. | |
Die Hamas und mit ihr verbündete Islamisten hatten am 7. Oktober 2023 einen | |
Großangriff auf Israel ausgeführt, etwa 1.200 Menschen getötet und damit | |
den Gaza-Krieg entfacht. Israel geht seitdem massiv militärisch im | |
Gazastreifen vor. Dabei wurden bislang nach Angaben des von der Hamas | |
kontrollierten Gesundheitsministeriums mehr als 52.000 Menschen getötet. | |
29 Apr 2025 | |
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