Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Queer in Litauen: „Historisches Urteil“
> Das oberste Gericht erklärt das Verbot gleichgeschlechtlicher
> Partnerschaften für verfassungswidrig. Dadurch werde das
> Rechtsstaatsprinzip verletzt.
Bild: Ein Grund zum Feiern für Queers in Litauen, wie hier auf der Baltic Pride
Berlin taz | Litauens Justizminister Rimantas Mockus war des Lobes voll.
„Wir müssen anerkennen, dass diese Entscheidung des Verfassungsgerichts
historisch ist, historisch in der Entwicklung des Schutzes von
Menschenrechten. Wir müssen auch anerkennen, dass Lebenspartnerschaft nach
dieser Entscheidung offensichtlich anders verstanden wird, nämlich nicht
nur zwischen Mann und Frau, sondern auch zwischen Personen des gleichen
Geschlechts“, sagte Mockus der litauischen Nachrichtenagentur ELTA. Jetzt
müssten die Politiker*innen die notwendigen Gesetzesänderungen in die
Wege leiten.
Das Verfassungsgericht war am Donnerstag zu dem Schluss gekommen, die
staatlich eingetragene Lebenspartnerschaft, so wie derzeit im Bürgerlichen
Gesetzbuch definiert, verstoße gegen das Grundgesetz, da diese nur eine
Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau vorsehe und
gleichgeschlechtliche Beziehungen ausschließe.
Derzeit ist im Bürgerlichen Gesetzbuch die Institution „eingetragene
Partnerschaft“ zwar verankert. Gleichzeitig ist aber auch festgelegt, dass
diese Partnerschaft durch ein gesondertes Gesetz geregelt werden muss. Das
Parlament (Seimas) hatte Anfang der 2000er Jahre die Formalisierung
eingetragener Partnerschaften zwischen Mann und Frau angestrebt, diese
jedoch nicht gesetzlich verankert.
Ein Gesetzentwurf zur Anerkennung auch gleichgeschlechtlicher
Lebenspartnerschaften war nach zwei Lesungen in der vergangenen
Legislaturperiode im Parlament stecken geblieben. Der Gesetzentwurf sah
unter anderem vor, dass die Partner*innen einer eingetragenen
Lebenspartnerschaft gemeinsames Eigentum besitzen, sich jedoch auch auf
eine Gütertrennung einigen können.
Sie waren einander gegenüber erbberechtigt, ohne Erbschaftssteuer zahlen zu
müssen sowie befugt, im Namen und Interesse des/r anderen zu handeln, sich
in Gesundheitsfragen zu vertreten und auf die medizinischen Daten des/ der
anderen zuzugreifen.
## Hängepartie seit Jahrzehnten
Das jüngste Urteil bedeutet, dass Menschen in Litauen gender-neutrale
Lebenspartnerschaften registrieren lassen und dafür, wenn nötig, den
Rechtsweg beschreiten können. Zudem muss die Legislative ein Gesetz zur
Registrierung von Lebenspartnerschaften verabschieden.
Das Versäumnis, ein solches Sondergesetz innerhalb einer angemessenen Frist
zu verabschieden, (…) habe zu Rechtsunsicherheit und allgemeiner
Unsicherheit geführt. Die über zwei Jahrzehnte lang andauernde
„Hängepartie“ habe „das Prinzip einer verantwortungsvollen
Regierungsführung verletzt, so das Gericht. Stereotype, die in der
Gesellschaft existierten, könnten nicht als Grundlage für die Verweigerung
oder Einschränkung grundlegender Rechte und Freiheiten dienen.
„Ein Rechtsrahmen, der auf Vorurteilen unter anderem gegenüber
gleichgeschlechtlichen Paaren beruht, wäre mit der Verfassung unvereinbar,
einschließlich des daraus abgeleiteten Familienkonzepts, der Achtung der
Menschenrechte und der Menschenwürde sowie der Werte der Gleichheit, des
Pluralismus und der Toleranz, die einer demokratischen Gesellschaft
innewohnen“, heißt es in der Urteilsbegründung.
Bereits im vergangenen Dezember hatte Litauens Verfassungsgericht ein
bemerkenswertes Urteil gefällt [1][und ein Gesetz gegen „Homo-Propaganda“
aus dem Jahre 2009 für verfassungswidrig erklärt]. Das Gesetz verstoße
gegen den in der Verfassung verankerten Schutz von Familien und Kindern
sowie gegen die darin garantierte „Achtung der Menschenrechte, der
Menschenwürde, der Gleichheit, des Pluralismus und der Toleranz“.
## Ehe nur zwischen Mann und Frau
Nach diesem Gesetz war die Veröffentlichung von für Kinder bestimmten
Materialien verboten, [2][die Informationen enthalten, die „zur Missachtung
familiärer Werte führen und ein anderes Konzept von Ehe und
Familiengründung fördern als das, das die Verfassung und das Bürgerliche
Gesetzbuch festlegen]. Die litauische Verfassung schreibt vor, dass eine
Ehe nur zwischen einem Mann und einer Frau geschlossen werden kann.
Im Dezember 2012 hatte die lesbische Autorin Neringa Dangvydė Macatė unter
dem Titel „Bernsteinherz“ eine Märchensammlung veröffentlicht. Eine
Geschichte handelt von einem Prinzen, der einen schwarzen Schneider, und
einer Prinzessin, die ihre Jugendfreundin, die Tochter eines Schuhmachers,
heiratet.
Nachdem hatte sich eine Person an die Regierung gewandt und dem Buch
vorgeworfen hatte, „Perversionen zu fördern“, stufte das Kulturministerium
die Märchen als jugendgefährdend ein und verbot den öffentlichen Verkauf.
Im Oktober 2014 reichte die Autorin gegen diese Entscheidung Klage ein.
2023 urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dass
das Gesetz gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (ECHR) verstoße.
Das litauische Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Verfassung die Ehe
zwar als Verbindung zwischen Mann und Frau definiere, der Begriff Familie
jedoch geschlechtsneutral sei und sich auf verschiedene Familienmodelle
erstrecke. Daher verletzten Geschichten über gleichgeschlechtliche Paare
innerhalb von Familien nicht das litauische Recht.
18 Apr 2025
## LINKS
[1] /Queere-Menschen-in-Litauen/!6025006
[2] /Praesidentschaftswahl-in-Litauen/!6009803
## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
Schwerpunkt LGBTQIA
Litauen
Verfassungsgericht
lesbisch
Ehe für alle
Schwerpunkt LGBTQIA
Lettland
## ARTIKEL ZUM THEMA
Queer in Berlin: Lesbisch sein überall sichtbar machen
Zum Tag der lesbischen Sichtbarkeit finden am Samstag in Berlin zahlreiche
Veranstaltungen statt. Eine Forderung: mehr queere Räume in den Bezirken.
Ehe für alle in Estland: Eine Vorreiterrolle
Mit dem neuen Recht für die LGBTQ+-Community stößt Estland eine Entwicklung
an, die nicht mehr aufzuhalten ist. Das birgt auch Herausforderungen.
Neuer Präsident in Lettland: #proudtobegay in Lettland
Edgars Rinkēvičs wird der erste offen schwule Präsident Lettlands. In dem
baltischen Staat ist die gleichgeschlechtliche Ehe verboten.
Coming-out von Lettlands Außenminister: Stolz darauf, schwul zu sein
Als erster baltischer Spitzenpolitiker hat sich Edgars Rinkēvičs als schwul
geoutet – via Twitter. Für seine Offenheit erntete er viel Lob.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.