# taz.de -- Ehe für alle in Estland: Eine Vorreiterrolle | |
> Mit dem neuen Recht für die LGBTQ+-Community stößt Estland eine | |
> Entwicklung an, die nicht mehr aufzuhalten ist. Das birgt auch | |
> Herausforderungen. | |
Bild: Pride in Tallin: Die LGBTQ+-Community in Estland kann die der Ehe für Al… | |
Es ist eine kleine Revolution in Estland, und Regierungschefin Kaja Kallas | |
ist zu Recht stolz auf ihr Land, wie sie sagt: Ab Anfang kommenden Jahres | |
können auch gleichgeschlechtliche Paare vor den Traualtar treten. Damit | |
übernimmt die ehemalige Sowjetrepublik, in der das Rechtsinstitut der | |
eingetragenen Partnerschaft bereits seit 2016 existiert, in der Region | |
erneut eine Vorreiterrolle bei der [1][Gleichstellung von Angehörigen der | |
LGBTQ+-Community]. Der Schutz von Minderheiten ist ein wichtiger Gradmesser | |
dafür, wie es um demokratische Grundwerte in einem Staat und seiner | |
Gesellschaft bestellt ist. | |
Dass [2][die rechtspopulistische EKRE] – bei der Parlamentswahl im | |
vergangenen März zweitstärkste Kraft – gegen das neue Gesetz Sturm läuft | |
und den Staatspräsidenten auffordert, von dessen Ausfertigung abzusehen, | |
verwundert nicht. Denn diese Partei war es auch, die 2020 als Teil der | |
Regierung die Ehe als Vereinigung zwischen Mann und Frau per Referendum in | |
der Verfassung hatte festschreiben lassen wollen. | |
## Ewig Gestrige überholt | |
Doch aller Proteste zum Trotz: Die Entwicklung in Estland ist nicht mehr | |
aufzuhalten und scheint die ewig Gestrigen, die in den Nullerjahren auf | |
Teilnehmer*innen von Pride-Paraden in der Hauptstadt Tallinn losgingen, | |
schon längst überholt zu haben. | |
Die Ehe für alle stellt die estnische Gesellschaft allerdings vor neue | |
Herausforderungen. Das gilt besonders für [3][die Angehörigen der | |
russischen Minderheit] – immerhin ein Viertel der Bevölkerung – und noch | |
dazu, wenn sie sich der orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchat verbunden | |
fühlen. Für diese Kirche ist LGBTQ+ Teufelszeug und ein schlagender Beweis | |
für die moralische Verkommenheit des „kollektiven“ Westens. | |
Diese zeigt sich auch in Lettland, wo vor Kurzem ein Homosexueller zum | |
Staatschef gewählt wurde. Besonders hier, aber auch in Litauen werden die | |
Ereignisse in Estland mit Interesse verfolgt sowie als Ermutigung und | |
Ansporn gewertet. Bis eine Übersetzung in konkrete Politik erfolgt, ist es | |
nur noch ein Frage der Zeit. | |
21 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /OECD-Studie-zur-LGBTIQ-Gleichstellung/!5912777 | |
[2] /Wahlen-in-Estland/!5919773 | |
[3] /Russische-Minderheit-im-Baltikum/!5889720 | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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