# taz.de -- Nach antisemitischer Attacke: Drei Jahre Haft für brutalen Angriff… | |
> Das Berliner Amtsgericht sieht es als erwiesen an, dass Mustafa A. aus | |
> Antisemitismus handelte. Das Urteil geht über die Forderung der Anklage | |
> hinaus. | |
Bild: Hartes Urteil: Mustafa A. muss nun drei Jahre ins Gefängnis | |
Berlin taz | „Ein Mosaik“ müsse man zusammensetzen, um Antisemitismus als | |
Tatmotivation nachzuweisen, sagt der Anwalt der Nebenklage im Plädoyer. Von | |
„einem Puzzlespiel“ spricht der Staatsanwalt. Im Verfahren gegen Mustafa A. | |
ist die Detailarbeit aufgegangen. Das Amtsgericht Tiergarten sprach den | |
24-Jährigen der gefährlichen Körperverletzung schuldig, weil er den | |
jüdischen Studenten Lahav Shapira aus antisemitischer Motivation brutal | |
angegriffen hat. Er muss für drei Jahre ins Gefängnis – acht Monate mehr | |
als die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. | |
Shapira zeigte sich nach dem Urteil zufrieden, das Strafmaß empfinde er als | |
„gerecht“, sagte er. Und er sei „froh“, dass der Prozess vorbei ist. Der | |
Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte: „Wir | |
sehen, [1][Antisemitismus] bleibt nicht ungeahndet.“ Er hoffe auf eine | |
präventive Wirkung, die andere von solchen Taten abschrecke. | |
Dass es A. war, der Shapira im Februar 2024 nach einer zufälligen Begegnung | |
in einer Bar in Berlin Mitte angriff, war schon vor dem Urteil klar. Er | |
hatte [2][am ersten Prozesstag] ein Geständnis von seinem Anwalt verlesen | |
lassen. Nur das strafverschärfende antisemitische Motiv, von dem | |
Staatsanwaltschaft und Nebenklage ausgingen, stritt A. beharrlich ab. | |
In seiner Urteilsbegründung sah der Vorsitzende Richter Sahin Sezer nun | |
aber keine Zweifel, dass es Judenhass war, der A. dazu brachte, mehrmals | |
auf Shapira einzuschlagen und ihm mit einem Tritt mehrere komplexe Brüche | |
im Gesicht und eine Hirnblutung zuzufügen. Zusammenfassend sagte Sezer: | |
„Wenn das kein Antisemitismus ist – was denn dann?“ Dass das Gericht zu | |
einer so eindeutigen Einschätzung finden würde, war bei der komplexen | |
Beweislage keineswegs ausgemacht. | |
## Ungeheure Brutalität | |
Ausgangspunkt der Tat war, dass Shapira als Protest gegen eine | |
propalästinensische Hörsaalbesetzung an der Freien Universität (FU) Berlin | |
mehrere Plakate der antisemitischen Gruppe Young Struggle abriss. Es folgte | |
eine antisemitische Hetzjagd gegen Shapira, bei der Fotos und Videos von | |
ihm im Netz verbreitet wurden und er als rechtsextremer Zionist bezeichnet | |
wurde. Dieser Hass schwappte auch in mehrere Chatgruppen, in denen sowohl | |
Shapira als auch sein Kommilitone A. aktiv waren. Es war diese bedrohliche | |
Atmosphäre, die nach Überzeugung des Gerichts den Nährboden für die spätere | |
Tat bildete. | |
[3][A.s Verteidiger Ehssan Khazaeli] hatte in seinem Plädoyer betont, dass | |
der Austausch zwischen A. und Shapira in den Chats lange Zeit sehr | |
respektvoll war, auch wenn die beiden über den Umgang mit israelkritischen | |
Positionen stritten. Antisemitische oder auch nur radikal israelkritische | |
Aussagen von A. sind tatsächlich nicht bekannt. Er argumentierte aber, es | |
sei falsch die Plakate abzureißen. | |
Ausschlaggebend für das Gericht war nun aber anderes. Das wohl wichtigste | |
Beweisstück ist ein Video, dass die Ermittler auf A.s Handy fanden. | |
Metadaten zeigen, dass es noch in der Tatnacht über die App Snapchat auf | |
das Gerät gelangte. Eine erste Version zeigt eine von Blaulicht erhellte | |
Szenerie, in der sich mehrere Personen über eine Gestalt beugen, die am | |
Boden liegt: Shapira. Wenige Minuten nach dieser ersten Version des Videos | |
landet eine zweite Version des Videos über Snapchat auf dem Handy. Der | |
Inhalt ist derselbe, nur dass diesmal noch ein Schriftzug über dem Video | |
liegt: „Musti hat diesen Judenhurensohn totgeschlagen“. | |
Zwar zeigen Meta-Daten, dass A. das Video nicht selbst aufgenommen oder | |
beschriftet hat. Als Ersteller kommen am ehesten Freunde A.s in Frage, die | |
mit ihm vor der Tat unterwegs waren und in der Nähe des Tatorts blieben. | |
Aber woher wussten sie, dass der Mann, den ihr Freund da gerade | |
zusammengeschlagen hatte, Jude ist? Das Gericht folgte hier der | |
Staatsanwaltschaft, die nur die Möglichkeit sieht, dass A. mit seinen | |
Freunden genau darüber gesprochen hat. Und das wiederum spricht dafür, dass | |
das Jüdischsein Shapiras für A. eben sehr wohl eine Rolle spielte. | |
## Anwalt hilft nicht | |
Neben dem strafverschärfenden Motiv der Tat hat die vergleichsweise hohe | |
Strafe aber auch schlicht mit der Brutalität der Tat selbst zu tun, die | |
Richter Sezer „außergewöhnlich“ nannte. Eine Augenzeugin hatte schon am | |
ersten Prozesstag berichtet, wie sie noch Meter entfernt ein „dumpfes | |
Knirschen“ gehört habe, als der Tritt das Gesicht Shapiras traf. Ein | |
anderer Zeuge berichtete, er habe in den Augen A.s den Willen zur | |
Vernichtung erblickt, als der auf Shapira losging. | |
Auch A.s Geständnis dürfte ihm kaum geholfen haben. Sezer sprach von einer | |
Salami-Taktik, bei der A. nur zugegeben habe, was ohnehin kaum noch | |
abzustreiten gewesen sei. | |
Und dann ist da noch A.s Anwalt Khazaeli. Der war im Gericht nicht nur mit | |
aggressivem Tonfall, sondern auch mit skurrilen Versuchen aufgefallen, | |
einen Täter-Opfer-Ausgleich auszuhandeln, in dem er Shapira Bargeld anbot. | |
Dass der Verteidiger mehrere Videos als Beweis eingebracht hatte, die nach | |
dem Plakat-Vorfall online über Shapira verbreitet wurden, wertete das | |
Gericht nun sogar zu Ungunsten von A. Die Videos im Gerichtssaal zu zeigen, | |
habe Shapira weiteren Schaden zugefügt und habe ebenfalls strafverschärfend | |
gewirkt. | |
17 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Frederik Eikmanns | |
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