# taz.de -- Tag der Pressefreiheit 2025: Wie Trumps Anti-Medien-Strategie Lokal… | |
> US-Präsident Donald Trump legt sich nicht nur mit renommierten Medien wie | |
> AP an, sondern auch mit kleinen Zeitungen, die kritisch über ihn | |
> berichten. | |
Bild: Das eine freie Presse wichtig ist, wusste schon der dritte US-Präsident … | |
Den Des Moines Register gibt es seit 175 Jahren. Die Tageszeitung versorgt | |
in Iowas Hauptstadt noch 27 000 Leser. Doch was die Lokalzeitung im letzten | |
Dezember erlebte, gab es in ihrer Geschichte noch nicht: Der frisch | |
gewählte Präsident Donald Trump verklagte den Register, dessen | |
Mutterkonzern Gannett und die Meinungsforscherin J. Ann Selzer. Denn kurz | |
vor der Wahl im November hatte der Register eine Umfrage veröffentlicht, in | |
der Trump drei Prozentpunkte hinter seiner Konkurrentin Kamala Harris lag. | |
Er gewann Iowa schließlich mit deutlichem Vorsprung. | |
Doch dieser Sieg reichte dem neuen Präsidenten nicht. Seine Anwälte | |
sprachen von einem „falschen Narrativ“ durch die Umfrage und Hilfe für die | |
Demokraten. Trump klagte wegen eines Verstoßes gegen den Iowa Consumer | |
Fraud Act. Der soll Verbrauchertäuschung unterbinden. | |
Der Register wehrt sich gegen die Vorwürfe und hat die Datengrundlage der | |
Umfrage veröffentlicht. Das Distriktgericht von Polk County hat noch nicht | |
entschieden. Erstmals gerät eine Lokalzeitung in Trumps Visier. | |
Laut der Chefredakteurin des Guardian US, Betsy Reed, gehören solche Klagen | |
zu Trumps Strategie gegen kritische Medien. Weitere Schritte seien: Zugang | |
einschränken, Redaktionen mit einer Ereignisflut überfordern, mit | |
Regulierungen deren Wirtschaftsmodelle untergraben, Menschen gegen die | |
Medien bis hin zu Gewalt aufhetzen und Journalistinnen und Journalisten die | |
Visa entziehen. „Die Medien zu attackieren, ist das autoritäre Playbook“, | |
sagt Reed. Treffen diese Strategien neben dem Register auch andere | |
Lokalmedien? | |
## Schon die Drohung mit Klagen ist ein Problem | |
Das Ziel dieser Klagen ist nicht unbedingt Schadenersatz. Es geht Trump | |
darum, dass die Medien hohe Anwaltskosten haben und sich künftig vielleicht | |
einmal mehr überlegen, an welche Geschichten sie sich herantrauen. | |
Dass dieses Szenario viele Verleger beschäftigt, bestätigt Tim Franklin. | |
Der Professor forscht an der Northwestern University in Illinois zu lokalen | |
Medien. Allein die Drohung mit Klagen sorge schon wegen der angespannten | |
wirtschaftlichen Lage solcher Medien für Probleme, sagt er. | |
Diese Situation kennt Sarah Alvarez nur zu gut. Sie ist Chefredakteurin der | |
lokalen Nachrichtenplattform [1][Outlier Media (OM) in Detroit]. Diese | |
Non-Profit-Organisation schreibt vor allem für Menschen mit niedrigem | |
Einkommen. Die anderen Zeitungen kümmerten sich hauptsächlich um reichere | |
Menschen in den Vorstädten, sagt sie. OM stünden jährlich etwa 3,7 | |
Millionen Dollar zur Verfügung. | |
Seit Trump an der Macht ist, nähmen Verleumdungsklagen zu. „Wir geben einen | |
signifikanten Betrag für Anwälte aus“, sagt Alvarez. Die Klagen kämen nicht | |
aus der Politik, sondern aus der Wirtschaft. | |
Trotzdem macht Alvarez den Präsidenten für den Trend verantwortlich. | |
„Trumps Message ist: Wenn du mit Berichterstattung unzufrieden bist, selbst | |
wenn sie stimmt, solltest du klagen“, sagt sie. Das binde neben Geld | |
weitere Ressourcen – und beeinflusse die Arbeit der Redaktion, auch wenn | |
die Klagen alle erfolglos blieben. (Zu diesen so genannten | |
[2][Slapp-Klagen] siehe Seite III dieser Beilage) | |
## Die Attacken und Anfeindungen nehmen zu | |
Von physischen Angriffen seien sie nicht betroffen, so Alvarez. OM sei sehr | |
gut in der Community verwurzelt. Aber Franklin sieht allgemein einen | |
Anstieg solcher Vorfälle. Eine TV-Journalistin in Texas habe etwa nach | |
einem Bericht über die Randalierer des 6. Januar 2020 am Capitol eine | |
wütende Meute vor ihrem Haus gehabt. Das New Yorker [3][Committee to | |
Protect Journalists (CPJ)] berichtet von einer landesweiten Zunahme solcher | |
Attacken. Auch Anfeindungen im Internet werden mehr. | |
Das Problem des Zugangs zu Informationen betrifft OM aber täglich. Wer | |
Auskunft von Behörden will, muss in den USA oft Anfragen nach dem | |
Informationsfreiheitsgesetz stellen. Die Antwort habe früher schon Wochen | |
gedauert, sagt Alvarez. Heute seien es Monate. | |
Politiker äußerten sich zudem eher über Social Media, als Interviews zu | |
geben. Und auch wenn lokale Medien nicht wie die Nachrichtenagentur AP | |
zeitweise von Pressekonferenzen ausgeschlossen würden, sei der Zugang zu | |
manchen Events schwierig. So hinderte die Campus-Polizei einen | |
Studentenzeitungsjournalisten an der Berichterstattung über Proteste an der | |
Universität in Wayne County. „Das ist ein Problem für die Pressefreiheit“, | |
sagt sie. | |
## Besonders gefährdet: Reporter ohne US-Staatsbürgerschaft | |
Gefährlicher wird es, wenn die Reporter keine US-Staatsbürger sind. Mit | |
diesem Problem kämpft Maritza Felix. Sie leitet die spanischsprachige | |
Nachrichtenseite [4][Conecta Arizona] (CA). Die liefert Inhalte für die | |
hispanische Community auf beiden Seiten der Grenze zu Mexiko. Bei CA | |
arbeiten rund 40 feste und freie Journalisten. Nur zwei haben einen | |
US-Pass, aber alle eine Arbeitsgenehmigung, so Felix. | |
Trotzdem überlege sich die Redaktion sehr genau, wen sie zu welchen | |
Terminen schicke. Bei Anti-Abschiebe-Protesten könne es rau zu gehen. Auch | |
Journalisten kämen da schnell in Kontakt mit der Polizei. Sie besprächen | |
intern, was in solchen Situationen zu tun ist. Aber als Nicht-Staatsbürger | |
bleibe immer die Gefahr einer Festnahme – oder gar einer Abschiebung. | |
„Wir sind braun, wir haben einen starken Akzent, wir sind das perfekte | |
Ziel“, sagt Felix. Früher sei ihr Ratschlag gewesen, dass sich ihre | |
Mitarbeiter vor so einem Termin gut mit Sonnenschutz eincremen. Heute rate | |
sie dazu, sich die Nummer eines Anwalts auf den Arm zu schreiben. Die | |
Situation sei journalistisch wie auch emotional belastend. | |
Wie OM basiert auch CA auf einem Non-Profit-Modell. Beide bekommen Spenden, | |
zahlen keine Steuern. Die Inhalte sind kostenlos. Und auch wenn Alvarez und | |
Felix mit dem Problem noch nicht konfrontiert wurden, gibt es laut Franklin | |
die Befürchtung, dass Trump kritischen Non-Profit-Medien diesen Status | |
entziehen könnte, zum Beispiel wegen vorgeblich fehlender Neutralität. | |
Damit wäre deren wirtschaftliche Basis weg. Zwar gebe es einen | |
verfassungsrechtlichen Schutz, erklärt Franklin. Trump würde mit dem | |
Vorstoß vermutlich nicht durchkommen. „Aber könnte er in der Zwischenzeit | |
Schaden anrichten? Sicher“, sagt er. | |
## Zeitungslose „News Desert“ breiten sich aus | |
Auf das Non-Profit-Modell setzten in den letzten fünf Jahren viele neue | |
lokale Medien. Mehr als die Hälfte der knapp 260 neuen Plattformen | |
finanzieren sich laut Franklin so. Das liegt auch daran, dass klassische | |
lokale Medien es wirtschaftlich schwer haben: geringere Auflage, niedrigere | |
Abo- und Werbeeinnahmen. Der Des Moines Register verkaufte zu Hochzeiten | |
täglich 250 000 Zeitungen. Heute ist es etwa ein Zehntel davon. Das | |
Non-Profit-Modell schien für manche ein Ausweg aus der Misere zu sein. | |
Trotzdem geht das Zeitungssterben voran. Laut dem Verband [5][Rebuild Local | |
News (RLN)] haben in den letzten 20 Jahren 3200 Lokalzeitungen dicht | |
gemacht. Knapp 6000 gibt es noch, der Großteil Wochenzeitungen. Laut einer | |
Studie der Northwestern University haben 208 Counties gar keine Zeitungen | |
mehr. „News Deserts“ nennt RLN diese Gebiete. Mehr Geldverschwendung der | |
Verwaltung, mehr Korruption oder eine stärkere Polarisierung zitiert RLN | |
Studien zu Auswirkungen dieser Nachrichtenwüsten. | |
Und manchmal schadet Trump Lokalzeitungen sogar unabsichtlich. Trumps | |
Zölle, die er in Höhe von 25 Prozent kurzzeitig für Kanada plante, zeigten | |
auch bei Lokalzeitungen ihre Wirkung, wie Franklin erklärt. Denn das Papier | |
für die Print-Ausgaben komme aus dem nördlichen Nachbarland. | |
Zumindest für eine Zeitung reichte schon die Androhung der Zölle aus, um | |
sie in den Abgrund zu stürzen. Der ohnehin finanziell angeschlagene | |
Cortland Standard aus dem Nordwesten des Bundesstaats New York musste wegen | |
der zusätzlichen Kosten seinen Betrieb einstellen – nach 157 Jahren. | |
## „News Deserts“ wählen Trump | |
Aber was hat Trump von alldem? Der habe rund 90 Prozent dieser | |
News-Desert-Counties gewonnen, sagt Franklin. Außerdem wolle Trump, dass | |
niemand den Medien glaubt, wenn sie ihn kritisieren. „Es geht um Macht“, | |
ist sich Felix sicher. Medien wie CA bedrohten den Status Quo. | |
Um dieser Herausforderung zu begegnen, müssten sich lokale Medien besser | |
vernetzen, fordert Alvarez. Denn neben den schon seit Jahren bekannten | |
wirtschaftlichen Problemen kommt ein neues Problem hinzu: Eine Regierung, | |
welche die Pressefreiheit lokaler Medien attackiert. | |
Wie sich der Präsident gute Journalisten vorstellt, zeigte sich bei einem | |
Wahlkampf-Event in Oaks, Pennsylvania im letzten Oktober. Bevor Trump dort | |
nach medizinischen Notfällen im Publikum eine halbe Stunde auf der Bühne – | |
unter anderem zu Musik von Guns’N’Roses oder der Village People – tanzte, | |
mussten die etwa 6000 Besucher in der Halle mehrere Stunden auf ihn warten. | |
In der Zwischenzeit stimmte ein Mann vom Pressepodest aus „USA“- und | |
„Fight“-Sprechchöre an. Es handelte sich dabei um Brian Glenn. Der arbeitet | |
für den Trump-freundlichen Sender [6][Real America’s Voice]. Er ist mit der | |
Rechtsaußen-Republikanerin [7][Marjorie Taylor Green] liiert. Mittlerweile | |
ist Glenn für seinen Sender Korrespondent im Weißen Haus. Er bekam dort den | |
Platz, der durch den Ausschluss von AP frei wurde. Glenn nutzt seine neue | |
Stellung, um die wirklich wichtigen Fragen zu stellen. Er hakte bei | |
Wolodymyr Selenskyjs Besuch beim US-Präsidenten nach, warum der im Oval | |
Office keinen Anzug trug. Kritische Nachfragen bei Trump? Fehlanzeige. | |
Felix Biermayer ist freier Lokaljournalist im Schwarzwald und war 2024 mit | |
dem Daniel-Haufler-Stipendium der taz Panter Stiftung in den USA. | |
Dieser Artikel ist am 3. Mai 2025 als Teil einer gemeinsamen Sonderbeilage | |
der [8][taz Panter Stiftung] und Reporter ohne Grenzen zum Tag der | |
Pressefreiheit erschienen. | |
3 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://outliermedia.org/ | |
[2] /Bedrohte-Pressefreiheit/!6076037 | |
[3] https://cpj.org/ | |
[4] https://conectaarizona.com/ | |
[5] https://www.rebuildlocalnews.org/ | |
[6] https://americasvoice.news/ | |
[7] /Republikaner-und-Marjorie-Taylor-Greene/!5749155 | |
[8] /stiftung | |
## AUTOREN | |
Felix Biermayer | |
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