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# taz.de -- US-Zollpolitik: Missourisches Bauern-Roulette
> Landwirtschaft ist sowieso ein Glücksspiel: Nie weiß man, wie die Ernte
> ausfällt. Trumps Handelskrieg hat das Überleben der Farmer weiter
> erschwert.
Bild: Bauer Travis Dixon in Missouri: „Ohne die Maschinen ist die Arbeit nich…
Die lange Schotterstraße zur Farm von Travis Dixon führt durch eine
scheinbar endlose Mondlandschaft. Meile um Meile fährt man durch
umgepflügte Äcker, die fruchtbare dunkle Erde des Bauernstaates Missouri im
Mittleren Westen der USA wird für neues Saatgut vorbereitet. In ein paar
Wochen werden hier mannshoch Weizen und Korn stehen und Sojapflanzen üppig
über die langen Furchen durch die Felder wuchern.
Es ist gerade einmal acht Uhr früh, doch Dixon ist schon seit Stunden auf
den Beinen. Seine Cowboystiefel und Jeans sind mit Dreck überzogen, und
bevor der Mann mit dem dichten roten Bart dem Besucher die Hand schüttelt,
wischt er sie sich rasch noch am Hemd ab. „Wir mussten das Saatgut
raushauen, bevor der Regen kommt“, entschuldigt er sich und schaut besorgt
in den dunklen Himmel, der schwer über seinem Land hängt.
Doch es ist nicht nur das Wetter, das ihm Sorgen macht. Das Frühjahr ist
für Dixon, wie für viele Bauern, eine schwierige Zeit. Er hat viel Geld
ausgegeben für Saatgut, für Düngemittel, für Pflanzenschutz, ganz zu
Schweigen von der Arbeitszeit. „Es vergeht um diese Jahreszeit kein Tag, an
dem ich nicht einen Scheck über Tausend Dollar ausstelle“, sagt Dixon.
Ob er das je wieder reinholt, steht jedoch in den Sternen. „Jedes Jahr ist
für uns ein Glücksspiel“, sagt er. „Es gibt Jahre, an denen ich fünf Dol…
in einen Bushel Mais stecke und nur vier wieder herausbekomme.“ Ein Bushel,
das sind etwa 25,4 Kilogramm. Was der Markt im Herbst hergibt, ist
unmöglich zu sagen, und nun, da [1][Donald Trump einen globalen
Handelskrieg angezettelt] hat, der die Landwirtschaft besonders schwer zu
treffen droht, sind die Dinge noch weitaus ungewisser.
Kurz darauf stehen wir in seiner Gerätehalle, die zwischen den
Getreidesilos so groß wirkt wie ein Flugzeughangar. Dixon führt stolz
seinen Fuhrpark vor: Eine kleine Flottille an Traktoren, Saatmaschinen,
Düngemaschinen, Pflügen. „Da stehen gut eine Million Dollar rum“, sagt er.
Und fügt hinzu: „Ohne die Maschinen ist die Arbeit nicht zu schaffen.“
## Kleinteilige Landwirtschaft ist schon lange nicht mehr wirtschaftlich
Dixon ringt mit demselben Dilemma wie die meisten seiner Kollegen hier in
Missouri, hinter Texas dem Bundesstaat mit der zweitgrößten Anzahl an
Bauern in den USA. Kleinteilige Landwirtschaft ist schon lange nicht mehr
wirtschaftlich, man braucht viel Land, um einen vernünftigen Ertrag zu
erzielen. „So wie meine Großeltern von 30 Hektar eine Familie zu ernähren,
ist heute unmöglich.“ Dixon hat sich über die Jahre rund 1.000 Hektar
zusammengekauft.
Rund 91 Prozent der US-amerikanischen Landwirtschaftsbetriebe sind, wie der
von Dixon, Familienunternehmen. Doch seit mehr als zehn Jahren wird es
immer schwieriger, sie am Leben zu erhalten. Die Kosten steigen
unaufhörlich, die Preise für Landwirtschaftsprodukte, abgesehen von
Fleisch, bleiben flach. Zwischen 2012 und 2022 sind in den USA knapp
400.000 Bauernhöfe gestorben. Im Agrarstaat Missouri, wo 87.000 Betriebe
jährlich 14 Milliarden Dollar erwirtschaften, schreitet das
Bauernhofsterben noch schneller voran als anderswo in den USA. 7,8 Prozent
weniger Bauernhöfe gibt es hier pro Jahr, im Bundesdurchschnitt sind es nur
6,9 Prozent.
## Immer mehr Produkte von immer weniger Firmen erzeugt
Es sind die gleichen Kräfte, die auch anderen Branchen zu schaffen machen,
die Bauern wie Dixon das Leben schwermachen: [2][Technologie und
Globalisierung]. Der globale Agrarmarkt drückt seit Jahrzehnten überall die
Preise – ein Prozess, den Trump glaubt, wieder rückgängig machen zu können.
Gleichzeitig ist die Produktion durch moderne Maschinen billiger geworden.
Doch das rechnet sich erst ab einer bestimmten Fläche an Land. Und bei den
Landpreisen können Familienbetriebe wie der von Dixon mit Agrarkonzernen
nicht mithalten. So werden immer mehr Produkte von immer weniger Firmen
erzeugt. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft hingegen stirbt. 9 Prozent der
Betriebe produzieren in den USA rund 66 Prozent der Güter.
Doch Dixon hat es über die Jahre immer wieder geschafft. Sein
Ingenieursstudium, das er abgeschlossen hat, nur um dann doch wieder wie
fünf seiner Vorgängergenerationen in die Landwirtschaft zu gehen, hat ihm
dabei geholfen, klug zu wirtschaften. „Ich habe einen anderen Blick auf die
Dinge. Ich bin mein eigener Agronom“, sagt er. Mit wissenschaftlichen
Methoden hat Dixon Effizienzen beim Düngen geschaffen, er hat seinen Boden
nachhaltig gepflegt und er hat klug mit verschiedenen Getreidearten
diversifiziert. Trotzdem braucht die Familie das Einkommen seiner Frau als
Krankenschwester, um über die Runden zu kommen.
Doch das, was jetzt kommt, der neue Handelskrieg, macht ihn extrem nervös.
„Die Hälfte meiner Düngemittel kommen aus China“, sagt er. „Die Reifen …
meine Traktoren kommen aus Taiwan.“ Und seine Sojabohnen, die er an einen
regionalen Vertrieb verkauft, werden den Mississippi hinunter und dann nach
Übersee verschifft.
Dixon ist sich der Gefahr bewusst. „Es kann sein, dass wir das nicht
überleben“, sagt er. Wenn die Preise für Importartikel wie Düngemittel noch
weiter steigen und gleichzeitig die Absatzmärkte für die Produkte
verschwinden, könnte das für ihn und viele andere Farmer der Region, die
ohnehin schon um ihre Existenz kämpfen, das Aus bedeuten. Der Kansas City
Star, die größte Zeitung im Staat, hat in einem langen Editorial „eine
Katastrophe für die Bauern von Missouri“ vorausgesagt.
## Die Folgen von Trumps Politik im Agrarsektor sind jetzt schon zu spüren
Die Folgen von Trumps Politik im Agrarsektor sind jetzt schon zu spüren.
Trump hat zwar die Mehrheit seiner Schutzzölle bis Juli ausgesetzt. Die
globalen Einfuhrzölle von 10 Prozent auf alle Güter sind jedoch seit April
in Kraft. [3][Nach Rekordzöllen von 145 Prozent für Importe aus China hat
Trump die Zölle Mitte Mai vorerst auf 30 Prozent gesetzt.]
Deshalb liegen die Bestellungen für US-Getreide im Jahr 2025 schon jetzt
unter Vorjahrsniveau. China weicht mit seinen Exporten an Düngemitteln und
Saatgut wie schon beim letzten Handelskrieg nach Brasilien und Argentinien
aus, was die Preise in den USA in die Höhe treibt. Hersteller von
Landwirtschaftsmaschinen melden niedrigere Verkäufe, weil die
amerikanischen Bauern mit ihren Ausgaben vorsichtig sind.
Die Vereinigung amerikanischer Bauern hat deshalb gewarnt, dass „steigende
Zölle das wirtschaftliche Überleben amerikanischer Bauern bedrohen“. Man
bittet die Regierung dringend, „die Handelsuneinigkeiten rasch zu
beseitigen, damit die amerikanischen Bauern nicht in die Schusslinie eines
globalen Handelskrieges geraten“. Selbst der konservative Thinktank
American Enterprise Institute glaubt, dass die Folgen von Vergeltungszöllen
durch Exportländer wie China langfristig für amerikanische Bauern
katastrophale Folgen hätten. China würde sich dauerhaft andere
Handelspartner suchen, die steigenden Produktionskosten würden für
amerikanische Bauern bei gleichzeitigem Preisverfall untragbar.
Dixon bereut seine Wahlentscheidung für Donald Trump trotzdem nicht. Ja,
sagt er, der letzte Handelskrieg, den Trump angezettelt hat, sei schlimm
gewesen für die Bauern. Rund 30 Milliarden verlor die US-Landwirtschaft im
Jahr 2017. 2018 hätten die Bauern ohne Zölle 4 Milliarden mehr verdient,
[4][berechnet das American Enterprise Institute]. Und vielleicht komme es
diesmal noch schlimmer. Aber es müsse sich doch irgendetwas ändern, meint
Dixon, damit Betriebe wie seiner langfristig überleben.
## Bereit, Opfer zu bringen
Man hört das in Missouri immer wieder. Das Leben für die Bauern ist,
unabhängig davon, wer gerade in Washington das Sagen hat, spätestens seit
2014, wenn nicht schon wesentlich länger, immer härter geworden. Die
Prozesse, die Familienbetriebe in der Landwirtschaft in Bedrängnis bringen,
überdauern die Politik einer einzelnen Regierung. Klar, sagt Dixon, die
erste Trump-Regierung sei schlecht für die Bauern gewesen. „Aber mit Biden
ist es auch nicht besser geworden.“ Was bleibt, ist die vage Hoffnung, dass
Trumps Versprechen langfristig doch irgendwie wahr werden, „dass wir nach
einem Tief endlich von billigem Chinagetreide unabhängig werden“. Und wenn
das erreicht würde, wäre er auch dazu bereit, dafür Opfer zu bringen.
Wenn Dixon so redet, dann klingt der Stolz des amerikanischen Bauern durch,
des direkten Nachfahren der Pioniere, die einst nach Westen gezogen sind,
sich ein Stück Land geschnappt und bestellt haben, um frei und unabhängig
zu sein, gleich wie beschwerlich dieses Leben ist. Dixons eigene Vorfahren
kamen aus Schweden und Deutschland, bevor sie sich im ausgehenden 19.
Jahrhundert hier in Missouri niedergelassen haben.
Dieses Ethos der Unabhängigkeit, der „Self-Reliance“, die der Romantiker
Ralph Waldo Emerson vor fast 200 Jahren als nationales Dogma formulierte,
wird von der Trump-Rhetorik des Isolationismus und der minimalen Regierung
angefüttert. Der amerikanische Farmer will sich selbst genügen und weder
von Importen noch von Subventionen noch von sonst etwas abhängig sein. Und
darum kämpft er einen erbitterten Kampf. „Ich gebe nicht auf“, sagt Dixon.
„Man müsste mich schon von meinem Land vertreiben.“
Trump verspricht, die Lebensweise der Farmer zu erhalten. „Ich liebe meine
Bauern“, sagt er immer wieder zu der treuen Wählergruppe, die ihm 2024 zum
zweiten Mal zu 70 Prozent ihre Stimmen gegeben hat. So versucht er auch
gerade im Rahmen eines Mega-Gesetzes im Kongress 60 Milliarden für die
Bauern herauszuschlagen, Geld für Preisgarantien und Ernteversicherungen,
das die Landwirtschaft zumindest vorübergehend vor den möglichen Folgen
seines Handelskrieges schützen soll.
Von den Demokraten fühlten sich die Bauern hingegen gegängelt und schutzlos
einem gnadenlosen Globalkapitalismus ausgeliefert, auch wenn die
Biden-Regierung 10 Milliarden an Subventionen für die Bauern bewilligte,
die ihnen noch in diesem Jahr über die Runden helfen werden.
## „Die Politik kann mir insgesamt gestohlen bleiben“
Subventionen möchten die stolzen Bauern von Missouri jedoch nach
Möglichkeit nicht in Anspruch nehmen. Heith Meyer etwa geht die Hutschnur
hoch, wenn er das Wort Regierung nur hört. „Wenn du mich fragst, kann mir
die Politik insgesamt gestohlen bleiben“, sagt der rund 40-Jährige, der
zusammen mit seinem Bruder in der Nähe von Fayette rund 800 Hektar
bewirtschaftet. Fayette liegt in der Mitte des Staates, knapp 100 Kilometer
westlich von der Farm von Dixon.
Wir treffen Meyer an einem sonnigen Maitag vor seiner Scheune, als er
gerade mit seinem Geländewagen von seinen Maisfeldern zurückkommt. Er ist
braungebrannt und athletisch und spricht, wie fast alle hier, einen breiten
„Twang“, jenen Südstaaten-Singsang, den die Städter aus dem Nordosten mit
Hinterwäldlertum in Verbindung bringen.
Doch wie schon Dixon entspricht auch Meyer nicht dem Klischee des
ignoranten Provinzlers, der aus Dummheit auf die Propaganda der
Republikaner und Donald Trumps hereinfällt. Meyer ist hellwach und gut
informiert, die Komplexitäten seines Geschäftes erläutert er klar und in
großem Detail. Dabei klingt er, trotz des schweren Dialekts, allemal
kompetenter als der mehrfache Bankrotteur Trump.
In Trump sieht Meyer das geringere Übel eines kaputten Systems, von dem er
insgesamt nicht viel erwartet. Die Rhetorik der Republikaner, die Regierung
aus den Geschäften der Leute herauszuhalten, gefällt ihm jedoch, die
Ideologie der Freiheit und Unabhängigkeit hat hier in Missouri eine lange
Tradition. Das geplante Hilfspaket von Trump sieht er dazu nicht im
Widerspruch, das sei ja keine Subvention, sondern eine kurzfristige
Korrektur. Und er setzt, wie Dixon, Hoffnungen darauf, dass Trump
tatsächlich etwas daran liegt, die Lebensweise und die Lebensgrundlage der
Bauern erhalten zu wollen. Und diese Lebensweise ist für Meyer das Ein und
Alles.
Auch Meyer ist in der fünften Generation Bauer. Doch er hatte nicht das
Glück, einen Hof zu erben. Der Boden der Familie wurde in der Erbfolge
immer weiter aufgeteilt, irgendwann war das Familienland zu klein, um davon
leben zu können.
So musste Meyer nach der Schule erst einmal auf dem Bau arbeiten.
Irgendwann hatte er genug angespart, um zusammen mit seinem Bruder auf dem
Grund, der einst seiner Familie gehörte, Land zu pachten. Das
bewirtschaften die beiden nun gemeinsam, doch der Bruder muss nebenher noch
als Holzfäller arbeiten, damit es reicht, seine Frau ist ebenfalls
berufstätig. Und trotzdem würde es Meyer nie in den Sinn kommen, etwas
anderes zu tun. „Ich gehöre hierher“, sagt er und blickt dabei durch seine
verspiegelte Sonnenbrille über die Hügel, auf denen schon sein Urgroßvater
Mais und Weizen ausgesät hat.
Dass der Landwirtschaftsstaat Missouri mehrheitlich republikanisch wählt,
liegt freilich nicht nur an den Versprechen von Trump. Die kulturellen und
historischen Gründe reichen lange vor die Zeit von Trump zurück.
## Missouri war im Bürgerkrieg ein Grenzfall
Missouri gehörte praktisch seit dem Ende des Bürgerkriegs zum „Solid
South“, dem soliden Block an Südstaaten, auf den die demokratische Partei
sich stets verlassen konnte. Dabei war Missouri im Bürgerkrieg ein
Grenzfall. Der Staat gehörte dem Norden an, ihm wurde jedoch beim Beitritt
zur Union nach einem Kompromiss die Sklavenhaltung weiterhin erlaubt. Die
Spaltung des Staates zog sich durch den Bürgerkrieg hindurch. Viele Farmer,
die aus dem Süden gekommen waren und sich auf Sklavenarbeit verließen,
hegten Sympathien für den Süden. Andere, insbesondere die zahlreichen
Einwanderer aus Deutschland, waren entschieden gegen die Sklaverei und
hielten zum Norden. Bis nach dem Ende des Krieges gab es gerade rund um
Fayette deshalb blutige Guerillakämpfe zwischen den Fraktionen.
Als Richard Nixon zu Beginn der 70er Jahre Präsident wurde, indem er die
konservativen weißen Wähler im Süden für sich gewann, wechselte jedoch auch
Missouri dauerhaft ins republikanische Lager. Nur als mit Bill Clinton ein
Südstaatler für die Demokraten antrat, wählte Missouri noch einmal
demokratisch.
Die sogenannte „Southern Strategy“ von Nixon wird oft damit erklärt, dass
es ihm gelungen sei, den latenten Rassismus in den Südstaaten anzuzapfen.
Eine Strategie, die man im liberalen Norden auch Trump unterstellt. Der
strenge Föderalismus der Republikaner, das Beharren der Einzelstaaten
darauf, ihre eigene Politik zu machen sowie das Pochen des Individuums auf
seinem Recht, nicht von der Regierung gegängelt zu werden, wird als nur
dünne Codierung für diesen Rassismus bezeichnet. Bis in die 60er Jahre
wurde das Argument dafür verwendet, im Süden weiterhin eine offene
Diskriminierungspolitik zu betreiben. Gleiches gilt selbstredend für Trumps
Krieg gegen „Wokeness“.
## Landwirte in sechster Generation
Die Familie von Derek Davis ist so sehr im Staat Missouri verwurzelt, wie
es nur irgend geht. Sein Urururgroßvater kam 1821, dem Jahr, in dem das
Territorium Missouri in die USA aufgenommen wurde, aus Kentucky und nahm
ein Stück Land in Anspruch. Die Konditionen waren günstig, der neue Staat
wollte die Besiedlung und Bewirtschaftung fördern. Unter primitivsten
Bedingungen begann er Obst und Gemüse anzubauen und Vieh zu züchten. Auf
diesen Stammbaum ist Davis stolz. Seine Kinder, die im Rahmen eines
Bundesprogramms Zusatzkurse in Agrarökonomie besuchen, werden die sechste
Generation von Landwirten in Missouri sein. Seine Tochter, erst 16,
vertreibt bereits eine eigene Linie an Bio-Maisgrütze.
Doch Davis ist nicht beim Getreideanbau und bei der Viehzucht stehen
geblieben. Wir sitzen in seinem Büro am Rand des Ortes Marshall, dessen
Skyline von Getreidesilos ihn als zentralen Umschlagplatz des Landkreises
kenntlich macht. Nebenan steht Davis’ eigenes Silo, ein 30 Meter hoher
doppelter Betonturm.
Seine Firma heißt River Valley Agricultural Exchange, und Davis und seine
Frau Lindsey bieten hier eine ganze Palette an Produkten und
Dienstleistungen an. Das geht von biologischen Düngemitteln und
biologischem Pflanzenschutz bis hin zum An- und Verkauf von Getreide und
der nachhaltigen Lagerung. Zudem berät Davis, der jugendlich und dynamisch
wirkt und so überzeugend wie fachkundig über sein Gewerbe referiert, Bauern
in der Region, die auf nachhaltige Landwirtschaft umsteigen wollen.
Auf das Geschäft ist er gekommen, als er selbst vor Jahren auf
Biolandwirtschaft umgestiegen ist und gemerkt hat, dass er die Produkte
dazu, wie etwa biologische Düngemittel, nirgendwo in der Gegend bekommen
konnte. Also startete er sein eigenes Geschäft und begann den Vertrieb der
Mittel und der neuen Techniken.
Wenn er über die Vorzüge von biologischem Anbau spricht, dann beginnt Davis
vor Leidenschaft zu glühen. Sofort schnappt er sich einen Filzstift und
beginnt auf die Tafel am Ende des Büros Diagramme zu malen. Er zeichnet
komplizierte Rechnungen auf, um wie viel gesünder die Erde mit seinen
Produkten und Methoden ist und um wie viel höher der Nährstoffgehalt. Und
vor allem macht er Rechnungen auf, wie viel Geld die Farmer in Missouri
langfristig sparen, wenn sie auf biologischen Anbau umsatteln.
Das Ziel von Davis ist jedoch das gleiche wie das der anderen Bauern von
Missouri. Er wünscht sich den Erhalt der Lebensgrundlage und der
Lebensweise sowie Freiheit und Unabhängigkeit: von chemischen
Großkonzernen, von der Regierung, von Importen. Nur die Wege, die er wählt,
sind fortschrittlicher.
Natürlich hat auch Davis Trump gewählt. Zur Hälfte, weil er glaubt, dass es
langfristig der Landwirtschaft guttue, Importe zu reduzieren, um die
Ertragspreise für die Bauern zu steigern. Zur anderen Hälfte, sagt Davis,
seien seine Gründe dafür, Trump zu wählen, „kulturell und sozial“. Was er
damit meint, lässt er offen.
Davis ist gewiss ein konservativer Mann, er glaubt an die Erhaltung der
hergebrachten Lebensweise und er glaubt ganz sicher an Familie. Aber sich
diesen vorwärts denkenden, klugen Mann als Rassisten vorzustellen, wie es
die Karikatur des Trump Wählers will, fällt in der Begegnung schwer.
So klingt bei der langen Rückfahrt durch die Felder von Missouri zum
Flughafen von Kansas City vor allem ein Satz von Travis Dixon nach. „Wir
sind doch nur Familien, die versuchen, über die Runden zu kommen.“ Wie
lange das noch klappt, ist freilich ungewiss. Vielleicht noch eine
Generation, vielleicht weniger, vielleicht mehr. Das Versprechen, dass die
200 Jahre alte Lebensweise von Missouri mit einfachen Handgriffen dauerhaft
zu retten ist, wirkt jedenfalls zweifelhaft. Gleich von wem es kommt. Auch
wenn viele Menschen hier das gerne glauben würden.
22 May 2025
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