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# taz.de -- Berliner AfD: Völkische Wende
> Die Zeiten, in denen die Berliner AfD als „gemäßigt“ bezeichnet werden
> konnte, sind vorbei. Gleichzeitig ist die Partei im Umfragehoch.
Bild: Hier werden schon lange keine gemäßigten Reden mehr gehalten
Berlin taz | 16 Prozent der Berliner:innen würden der AfD bei der
nächsten Abgeordnetenhauswahl ihre Stimme geben. So hat es eine am
Donnerstag veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey
ermittelt. Es ist der höchste je gemessene Wert für die Berliner AfD.
Gleichzeitig wird immer deutlicher: Vom einst als halbwegs gemäßigt
geltenden Kurs der Landespartei ist nicht mehr viel übrig, die Partei
radikalisiert sich inhaltlich und personell.
Ablesbar ist das etwa an der [1][Personalie Thorsten Weiß.] Der einstige
Berliner Obmann des formell aufgelösten Flügels, also des Lagers um den
rechtsextremen Thüringer Parteichef Björn Höcke, ist seit Ende März
innenpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und damit
zuständig für ein für die Partei zentrales Themenfeld.
Mit Blick auf Höcke ist von Weiß der bezeichnende Satz überliefert: „Du
bist unser Anführer, dem wir gerne bereit sind zu folgen.“ Als
Innenpolitiker folgt Weiß in der Fraktion auf den „gemäßigteren“
Abgeordneten Karsten Woldeit, der, so heißt es, sein Sprecheramt aus
„gesundheitlichen Gründen“ aufgegeben hat.
Nur ein paar Wochen nach Weiß’ Beförderung hat die AfD-Fraktion auch
inhaltlich nachgezogen und ein achtseitiges Positionspapier mit dem Titel
„Innere Sicherheit. Ausländerkriminalität und Remigration“ veröffentlich…
Damit ist das völkische Vokabular nun auch in der öffentlichen
Kommunikation der Fraktion im Abgeordnetenhaus fest verankert – und damit
ganz auf Parteilinie. Schließlich ist der verharmlosend „Remigration“
genannte völkische Reinheitswahn auch auf Bundesebene längst fester Teil
des offiziellen Programms.
Weiß selbst tönt: „Nur durch eine konsequente Remigrationspolitik lassen
sich die prekären Sicherheitsprobleme Berlins lösen.“ Im Netz inszeniert er
sich in Pilotenkostüm als „Käpt’n Rückflug“.
## Autoritäre Forderungen
Im Papier der Berliner Fraktion findet sich nicht nur ein Potpourri
autoritärer Forderungen, darunter anlasslose Kontrollen in
„Problemvierteln“, die „vollständige Videoüberwachung in allen
Brennpunktbereichen“ oder „nächtliche Ausgangssperren für jugendliche
Intensivtäter“. Das Dokument verknüpft dabei auch Kriminalität systematisch
mit ethnischer Herkunft. So wird dann auch der „Bau eines neuen,
ausreichend dimensionierten Abschiebezentrums“ in Berlin gefordert.
Es gehe doch bloß um die „schnelle und konsequente Rückführung von
Personen“ von Menschen ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland, und diejenigen
„die gegen unsere Gesetze verstoßen“, ließ Parteichefin Kristin Brinker
wissen. Tatsächlich sind die Grenzen in dem Positionspapier deutlich weiter
gefasst: Mit eingeschlossen ist auch die „Bekämpfung von importierten
ethnisch-kulturellen und politischen Konflikten“ und die „Förderung einer
freiwilligen Rückwanderung“ – was eine beliebige Ausdehnung des Begriffs
auf alle nichtdeutschen Personen ermöglicht.
Für die Berliner AfD, die einst für einen „bürgerlichen“ Kurs zu stehen
vorgab, ist das [2][eine Trendwende]. Bislang war der „Berliner Kurs“ auf
Koalitionsfähigkeit ausgerichtet, Selbstverharmlosung inbegriffen.
Abzulesen war das auch an den Führungsfiguren, etwa an Georg Pazderski, von
2016 bis 2019 Vorsitzender des Landesverbands und Verfechter des Kurses des
damaligen Bundeschefs Jörg Meuthen, der zum wirtschaftsliberalen Flügel
gerechnet wurde. Auch die seit 2021 amtierende Landesvorsitzende Brinker
galt vielen als liberal-konservativ.
Doch unter Brinker begibt sich die Hauptstadt-AfD mehr und mehr auf den
„thüringischen Höcke-Weg“, so Pazderski schon 2021. In internen Chats
schrieb er damals: „Ich habe nicht 41 Jahre diesem Land gedient, um jetzt
mit Neonazis, die es in ihrem Leben zu nichts oder wenig gebracht haben,
Seit’ an Seit’ zu marschieren.“ Pazderski verabschiedete sich 2024 von der
Partei mit den Worten, diese habe sich „immer weiter“ von seinen
politischen Überzeugungen entfernt.
Brinker wurde vor vier Jahren mit den Stimmen des völkisch-nationalen
Lagers zur Landeschefin gewählt. Im Parteivorstand ist sie umringt von
ehemaligen Flügel-Anhängern, etwa der ehemaligen Flügel-Obfrau Jeanette
Auricht und Rolf Wiedenhaupt. Anfang April wurde Brinker beim
Landesparteitag in Jüterbog wiedergewählt.
Auch der ehemalige Berliner Chef der rechtsextremen und inzwischen selbst
aufgelösten Jungen Alternative, Martin Kohler, ist seitdem als Beisitzer im
Parteivorstand. Kohler ist Vorsitzender der AfD-Fraktion in der
Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf, teilt auf Social
Media Videos mit Rechtsextremisten wie Martin Sellner und der Schweizer
Neonazi-Gruppierung Junge Tat. Stolz präsentiert der Burschenschafter der
Berliner Gothia dort auch einen von ihm gestellten BVV-Antrag mit dem Titel
„Remigration auf kommunaler Ebene vielfältig unterstützen“.
Wie die AfD im Bund glaubt angesichts der Umfragewerte auch der Berliner
Landesverband, dass ihm noch große Zeiten bevorstehen, spätestens nach der
Wahl im Herbst 2026. „Auch im ‚Roten Berlin‘ geht es aufwärts“, jubelt…
Donnerstag Rechtsausleger Thorsten Weiß.
24 Apr 2025
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## AUTOREN
Nicolai Kary
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