Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Schüler:innen-Protest gegen Abschiebung: Klasse 5c gegen das System
> Der 12-jährigen Chanelia aus Hamburg droht die Abschiebung. Ihre
> Mitschüler:innen kämpfen mit ihrer Klassenlehrerin dafür, dass sie
> bleiben darf.
Bild: Die 5c für Chanelia: Schüler:innen bei einer Aktion auf dem Marktplatz …
Hamburg taz | Du kaufst drei Tüten Äpfel, in jeder Tüte sind fünf Stück.
Wie viele Äpfel hast du? Das ist so eine Frage, die Schüler:innen in der
fünften Klasse normalerweise beschäftigt.
An einer Stadtteilschule in Hamburg-Wandsbek müssen sich die
Fünftklässler:innen gerade mit einer ganz anderen Frage herumschlagen:
[1][Wird unsere Mitschülerin abgeschoben?]
Anfang Januar hat die 12-jährige Chanelia aus der 5c einen Brief bekommen.
Innerhalb einer Woche müssen sie und ihre Mutter ausreisen, stand darin.
Nach Mazedonien, ein Land, mit dem Chanelia fast nichts verbindet. Sie
spricht die Sprache nicht, ist in Hamburg aufgewachsen, geht hier zur
Schule, hat hier Familie und Freund:innen. Chanelias Familie sind Rom*nja,
die in Mazedonien diskriminiert werden.
Sie selbst ist staatenlos. Zwar hat sie einen volljährigen Bruder in
Hamburg, ihr Aufenthaltstitel ist aber an den ihrer Mutter geknüpft, die
das alleinige Sorgerecht hat. Weil der nicht verlängert wurde, betrifft das
auch Chanelia. Ohne gültigen Aufenthaltstitel folgt die sogenannte
Aufforderung zur freiwilligen Ausreise. Wer die Frist darin, oft nur wenige
Wochen, verstreichen lässt, [2][dem droht die Abschiebung].
## Überraschende Reaktion von Chanelias Klasse
Wie erklärt man das einer fünften Klasse? Vor dieser Frage stand wiederum
zum ersten Mal in ihrem Berufsleben Charlotte Wachsmuth, die
Klassenlehrerin der 5c. Als sie von dem Abschiebebescheid erfahren hat, sei
ihr klar gewesen, „dass wir das den Kindern mitteilen. Einfach aus dem
Grund, dass es sein kann, dass Chanelia nächste Woche nicht mehr da ist.“
Am Anfang hätte die Nachricht von Chanelias drohender Abschiebung auch
Ängste ausgelöst. Gerade die Kinder, die selbst keinen deutschen Pass haben
oder deren Eltern nicht aus Deutschland sind, hätten sich gefragt: Kann mir
das auch passieren?
Im nächsten Moment habe die Reaktion der Klasse sie aber sehr überrascht,
sagt Wachsmuth. „Auch wenn die sich sonst viel gestritten haben, waren die
in dem Moment eins.“ Die Klasse fand: Chanelia muss bleiben. Schnell sei es
um die Frage gegangen: Was können wir tun?
„Wir haben erst mal Plakate gemalt, die Kinder wollten demonstrieren, sind
durch die Schule gelaufen und haben bei Mitschülern Unterschriften
gesammelt.“ Die Initiative sei von den Schüler:innen ausgegangen, sagt
Wachsmuth. Sie und ihre Kolleg:innen hätten dann entschieden, den
Protest der Kinder in die Erwachsenenwelt zu tragen.
## Ähnlicher Fall im vergangenen Jahr
So haben Charlotte Wachsmuth und ihre 5c in den vergangenen Wochen alle
Hebel in Bewegung gesetzt. Erst reichte Wachsmuth in Absprache mit
Chanelias Eltern „in einer ersten Pause“ eine Eingabe beim Hamburger Senat
ein, der die Abschiebung vorerst aussetzte. Dann kam [3][die Petition, die
inzwischen mehr als 50.000 Unterschriften hat].
Dann kamen die Ausflüge, auch auf den Volksdorfer Marktplatz im Februar,
mitten im Hamburger Wahlkampf, wo die 5c mit dem Hamburger Bürgermeister
Peter Tschentscher (SPD) sprach. Und in eine Sitzung der Bezirksversammlung
Wandsbek, woraufhin sich die Versammlung bei der Innenbehörde für Chanelia
einsetzte, ein bis dahin einmaliger Vorgang. [4][Die lokalen Zeitungen
berichteten].
## Am Montag fährt die Klasse 5c ins Rathaus
Ähnlich hohe Wellen schlug im vergangenen Jahr der Fall des damals
18-jährigen Joel, der kurz vor seinem Abitur nach Ghana abgeschoben werden
sollte. Auch da machten seine Mitschüler:innen ordentlich Wirbel, es
gab eine Petition, [5][am Ende konnte Joel durch eine Entscheidung der
Hamburger Härtefallkommission bleiben].
Darauf hofft auch Chanelias Klassenlehrerin Charlotte Wachsmuth. Am Montag
wird sie mit Schüler:innen aus ihrer 5c noch einen Ausflug machen, ins
Hamburger Rathaus.
Dort übergeben die Kinder die gesammelten Unterschriften symbolisch an den
Eingabenausschuss der Hamburger Bürgerschaft, der Chanelias Fall an die
Härtefallkommission weiterleiten könnte. Die Härtefallkommission ist die
letzte Möglichkeit, [6][eine Abschiebung zu verhindern], wenn alle anderen
Rechtsmittel ausgeschöpft sind.
Charlotte Wachsmuth hofft, dass Charnelia bleiben kann. Auch für die ganze
5c. Dann könne die Klasse, hoffentlich vollzählig, zum Alltag übergehen.
Textaufgaben lösen zum Beispiel.
25 Apr 2025
## LINKS
[1] /Hamburger-Schueler/!6018139
[2] /Abschiebebeobachtung-in-Hamburg/!6079115
[3] https://innn.it/chanelia-bleibt-bei-uns-abschiebung-eines-kindes-verhindern
[4] https://www.abendblatt.de/hamburg/wandsbek/article408069747/chanelia-11-mus…
[5] /Schueler-ueber-seine-drohende-Abschiebung/!6027566
[6] /Abschiebe-Monitoring-am-Airport/!6000552
## AUTOREN
Amira Klute
## TAGS
Hamburg
Abschiebung Minderjähriger
Stadtteilschule
Abschiebung
Protestkultur
Solidarität
Schule
Flughafen Hamburg
Hamburg
## ARTIKEL ZUM THEMA
Abschiebebeobachtung in Hamburg: Abschiebung bleibt fies
Hamburg schiebt Migrant:innen trotz Suizidgefahr ab und trennt Familien.
Der Jahresbericht des Flughafenforums fordert mehr Menschlichkeit.
Hamburger Härtefallkommission: Zu viele Abschiebungen abgenickt
Die Hamburger Härtefallkommission kann Abschiebungen verhindern. Das tut
sie viel zu selten, denn sie ist selektiver aufgestellt als überall sonst.
Hamburger Schüler: Abschiebung statt Abitur
Joel A. soll trotz mustergültiger Integration abgeschoben werden. Grund ist
auch eine Gesetzesänderung. Seine Schule setzt sich für ihn ein.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.