| # taz.de -- Neue Härte in Hamburg: Ausländerbehörde verschärft Lehrlingsman… | |
| > Hamburg weist vermehrt junge Geflüchtete aus, die eine Lehrstelle und | |
| > damit ein Aufenthaltsrecht haben. Sozialarbeiter fordern ein Ende dieser | |
| > Praxis. | |
| Bild: Von Abschiebung bedroht: Kundgebung in Hamburg-St.- Pauli für Khalid und… | |
| Luna Freund ist Sozialarbeiterin in der Hamburger Einrichtung | |
| „Heimathafen“, die sechs junge Geflüchtete betreut. „Wir sind ein | |
| engagiertes Team aus Leuten, die ihren Job wirklich lieben“, sagt sie. Doch | |
| die pädagogische Arbeit werde immer schwieriger. „In den letzten Monaten | |
| kamen wöchentlich Ablehnungsbescheide von Asylanträgen bei unseren | |
| Jugendlichen an“, berichtet sie. „Teilweise gab es auch schon konkrete | |
| [1][Androhung von Abschiebung].“ Das reiße den Jugendlichen den Boden unter | |
| den Füßen weg. | |
| Sie betreut zum Beispiel Khalid, der kurz nach seiner Ankunft in | |
| Deutschland vor gut zwei Jahren zur Schule kam, schnell Deutsch lernte und | |
| heute im Fußballverein spielt. „Khalid ist zudem ein humorvoller und | |
| lebensbejahender junger Mensch, der mit seiner freundlichen Art schnell | |
| Anschluss gefunden hat“, schreibt Luna Freund in einer [2][Onlinepetition] | |
| für den Jungen. Khalid hat gerade seinen Ersten Schulabschluss (ESA) | |
| bestanden und kann ab August eine Ausbildung zum Verkäufer in einem | |
| Lebensmittelgeschäft beginnen. Auch Khalids Mitbewohner [3][Hatrouch] soll | |
| abgeschoben werden. Er geht noch zur Schule und hat auch ab Sommer einen | |
| Ausbildungsplatz. | |
| Eigentlich sieht der Paragraf 60 des Aufenthaltsgesetzes vor, dass einem | |
| Ausländer eine [4][Ausbildungsduldung] zu erteilen ist, wenn er eine | |
| Ausbildung in einem anerkannten Lehrberuf beginnt. Doch nun soll den jungen | |
| Männern zum Verhängnis werden, dass sich nicht innerhalb der ersten sechs | |
| Monate nach ihrer Einreise ihre Identität eindeutig klären ließ. Beide | |
| waren bei ihrer Einreise über 18, hatten aber unbestreitbar Anspruch auf | |
| Jugendhilfe für junge Volljährige, die bis 21 greift. | |
| Die sie unterstützenden Sozialarbeiter geben zu bedenken, dass die Jungen | |
| bei der Einreise kein Deutsch konnten und auf Übersetzer angewiesen waren. | |
| Es sei für sie nicht leicht gewesen, alle Abläufe zu durchschauen und | |
| beispielsweise Papiere aus der Heimat zu besorgen. | |
| ## Amt für Migration sieht keinen Spielraum | |
| Das in Hamburg [5][zuständige Amt für Migration] erklärt zum Schicksal der | |
| beiden gefragt, man könne sich aus Datenschutzgründen zu Einzelfällen nicht | |
| äußern. Doch grundsätzlich sei man auch bei der Ausbildungsduldung daran | |
| gebunden, dass die „Erteilungsvoraussetzungen“ erfüllt seien. „Wenn diese | |
| Erteilungsvorausetzungen nicht erfüllt werden – zum Beispiel im Falle einer | |
| Täuschung über die Identität – ist sie dann rechtlich ausgeschlossen“, s… | |
| Sprecher Christian Schridde. Da gebe es auch keinen Ermessensspielraum. | |
| Das schätzt Carola Ensslen, die flüchtlingspolitische Sprecherin der | |
| Linksfraktion, anders ein. „Es gibt Spielräume bei der Beurteilung der | |
| Mitwirkungsfristen“, sagt die Juristin. So dürfe in dem zumeist dem Antrag | |
| auf Ausbildungsduldung vorausgegangenen Asylverfahren kein Kontakt zum | |
| Herkunftsland erwartet werden. „Und wer nicht weiß, was er genau tun soll, | |
| darf nicht im Nachhinein ‚bestraft‘ werden“, sagt Ensslen. Die Behörde h… | |
| hier eine Hinweis- und Beratungspflicht. Auch das Gesetz sehe ein Ermessen | |
| vor, sollte die Identitätsklärung nicht rechtzeitig gelingen. Der etwaige | |
| Vorwurf einer „Identitätstäuschung“ spiele ihres Erachtens bei | |
| Ausbildungsduldungen nur eine untergeordnete Rolle. „Nur wenn bei | |
| aufenthaltsspezifischen Delikten eine Strafe über 90 Tagessätzen ausfällt, | |
| kann keine Duldung oder Aufenthaltserlaubnis erteilt werden“, sagt Ensslen. | |
| Oft werden solche Verfahren aber sogar eingestellt. | |
| Die Linken-Politikerin sieht Anzeichen dafür, dass der rot-grüne Hamburger | |
| Senat hier eine härtere Gangart fährt. „Ich werde aus verschiedensten | |
| Beratungseinrichtungen damit konfrontiert, dass insbesondere sehr schnell | |
| Beschäftigungsverbote verhängt werden, wenn Identitäten nicht vollständig | |
| geklärt sind.“ | |
| ## Keine Abschiebung aus der Jugendhilfe | |
| Luna Freund und ihre KollegInnen fordern, dass aus Jugendhilfeeinrichtungen | |
| grundsätzlich nicht abgeschoben wird. Andernfalls könne man die Arbeit gar | |
| nicht mehr machen. Es sei extrem schwierig, unter solchen Bedingungen | |
| pädagogisch zu arbeiten. Die drohenden Abschiebungen seien nicht nur | |
| menschlich, sondern auch integrationspolitisch fragwürdig: „Denn in Hamburg | |
| herrscht akuter Fachkräftemangel. Gerade im Verkauf bleiben viele | |
| Ausbildungsstellen unbesetzt“, sagt Freund. | |
| Das Amt für Migration erklärt zur Forderung, aus der Jugendhilfe nicht mehr | |
| abzuschieben: „Diese Forderung ist uns nicht bekannt.“ Auf eine [6][Anfrage | |
| der Linken], wie viele Abschiebungen aus Jugendhilfe es in 2024 und 2025 | |
| gab, antwortet der Senat gar: „Keine“. Noch hat Luna Freund Hoffnung, dass | |
| der Eingabeausschuss der [7][Bürgerschaft] ihren Schützlingen helfen wird. | |
| ## Grüne fordern für junge Geflüchtete Verlässlichkeit | |
| Immerhin bei der Grünen-Fraktion stößt das Anliegen auf offene Ohren. „Als | |
| Grüne Fraktion ist unsere Position klar: Der vorhandene Ermessensspielraum | |
| im Aufenthaltsrecht sollte im Sinne der jungen Menschen genutzt werden“, | |
| sagt die fluchtpolitische Sprecherin Lena Zagst. | |
| Rot-Grün habe sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, gut | |
| integrierten Geflüchteten durch Schulbesuch, Ausbildung und | |
| Arbeitsverhältnisse eine Bleibeperspektive zu eröffnen. Man setze sich in | |
| Bund und Land dafür ein, dass viele junge Menschen von der Regelung zur | |
| Verlängerung des Aufenthalts profitieren. Gerade mit Blick auf den | |
| Fachkräftemangel wäre es fatal, das Potenzial junger Menschen nicht zu | |
| nutzen, sagt Zagst. Das Hamburger Projekt „[8][Übergänge in Ausbildung und | |
| Arbeit]“ spiele hier eine wichtige Rolle und müsse „ins Regelsystem | |
| überführt“ werden. | |
| Vor diesem Hintergrund sei nicht nachvollziehbar, wenn Jugendliche, die | |
| eine Lehre beginnen und in Häusern der Jugendhilfe betreut werden, | |
| abgeschoben werden, sagt Lena Zgast: „Gerade in dieser Lebensphase braucht | |
| es Schutz, Perspektive und Verlässlichkeit“. | |
| 9 Jul 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Schuelerinnen-Protest-gegen-Abschiebung/!6080779 | |
| [2] https://innn.it/ausbildung-statt-abschiebung-khalid-muss-bleiben | |
| [3] https://innn.it/abschiebung-stoppen-hatrouch-g | |
| [4] https://dejure.org/gesetze/AufenthG/60c.html | |
| [5] /Bericht-ueber-Maengel-in-der-Verwaltung/!6076545 | |
| [6] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/91349/23_00720_integration… | |
| [7] /Hamburger-Haertefallkommission/!6027564 | |
| [8] https://hibb.hamburg.de/bildungswege-abschluesse/berufsvorbereitung/ueberga… | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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