| # taz.de -- Hundertwasser-Ausstellung in Osnabrück: Traumrecht für alle | |
| > Das Kulturgeschichtliche Museum in Osnabrück zeigt Friedensreich | |
| > Hundertwasser – und nutzt ihn als Plattform für einen umweltpädagogischen | |
| > Appell. | |
| Bild: Typisches Farbglühen: Friedensreich Hundertwassers „Irinaland über de… | |
| Friedensreich Hundertwasser Regentag Dunkelbunt: Wer diesen Namen hört, hat | |
| wohl sinnesschmeichelndes Farbglühen vor Augen, von geheimnistiefem | |
| Dschungelgrün bis zu brennendem Wüstenorange; denkt an Goldglitzer und | |
| Spiralformen. Eine Wortfolge ist das, für sich allein schon ein wundervoll | |
| kryptisches Kunstwerk. | |
| Hundertwasser also: Ist das nicht dieser visionsgeladene Umweltaktivist, | |
| exzessive Verfasser von Manifesten, verspielte Revolutionär für eine | |
| Architektur ohne gerade Linien? Dieser naturmystifizierende Weltreisende, | |
| Schiffsbewohner und Bäumepflanzer, Protestkampierer und | |
| Anti-Kernkraft-Redner? Oder doch dieser freakige | |
| [1][Aktionskunst-Avantgardist], dessen [2][ornamental dekorative Grafiken] | |
| sich ins Wohnzimmer hängt, wer sich nicht stört an der Verehrung ihres | |
| Urhebers für die Habsburg-Monarchie? | |
| Alles richtig. Und das Kulturgeschichtliche Museum Osnabrück hätte es sich | |
| leicht machen können mit seiner derzeitigen, 80 Arbeiten umfassenden | |
| Ausstellung: ein paar hübsche Motive, ein paar exotische Biografie-Details, | |
| fertig. Glücklicherweise geht man im örtlichen Museumsquartier (MQ4) aber | |
| einen anderen Weg: „Friedensreich Hundertwasser – Paradiese kann man nur | |
| selber machen“ ist ein intergenerationeller Appell, ein Aufruf zur | |
| Entwicklung von Utopie-Hoffnung, zur Geburt und Verwirklichung von Träumen. | |
| Hundertwasser ist dabei nicht der Kern, sondern die Plattform. Und das ist | |
| gut so. | |
| Die Zielgruppe sind Kinder – als diejenigen, die ihren Eltern die Augen | |
| öffnen können. Ihnen wird eine Entdeckungsreise geboten durch eine Welt, | |
| die nicht immer nur schön ist, nicht immer nur positiv; eine, die auch | |
| Bedrohungen zeigt oder Fehlentwicklungen. Das Verspielte spielt uns hier | |
| nichts vor, das Hübsche verschleiert hier nichts. An einer Wand steht, zum | |
| Frieden mit der Natur: „Friedensgespräche mit der Natur müssen bald | |
| beginnen, sonst wird es zu spät sein“, ein Satz Hundertwassers von 1980. Er | |
| gilt heute mehr denn je. | |
| Wer sich auf die Reise begibt, also die Schau erkundet, erfährt Impuls auf | |
| Impuls: Umkehr ist nötig, Rettung, Heilung, innerer Neuaufbruch. Wie das | |
| gehen könnte, lässt sich gleich erproben in der realen Welt: Wer dem | |
| Kassenpersonal unten am Eingang, beim Museumsshop – derzeit von | |
| Hundertwasser-Merchandise dominiert – das Lösungswort der | |
| Ausstellungs-Rallye nennt, bekommt ein Tütchen Seedbombs, kleine Kugeln aus | |
| Erde, Tonpulver und – Blumensamen. „Das kann man ja gleich in der Stadt | |
| verteilen“, sagt Nils-Arne Kässens, Direktor des MQ4. Und nennt es einen | |
| „ziemlich subversiven Akt“. | |
| Natürlich kann man auch einfach nur von Werk zu Werk gehen, von der | |
| Serigrafie bis zum Architekturmodell, vom Foto bis zum Plakat. Aber die | |
| Ausstellung, die uns mit einer Kunstfigur konfrontiert, die sich hoch | |
| programmatisch von ihrem bürgerlichen Namen befreit hat, fordert mit Fragen | |
| heraus: „Wie lautet dein neuer Name?“, lautet eine. Hinzu kommen | |
| Partizipations-Stationen: Ein stilisiertes Haus etwa animiert dazu, das | |
| eigene „Fensterrecht“ auszuüben, auf sterilen Fassaden Kunst zu erschaffen, | |
| auf Armeslänge um die Fensteröffnung herum. | |
| Wer will, kann seinen „Beitrag zu einem Friedensvertrag mit der Natur“ | |
| aufschreiben oder eigene Paradiesvorstellungen skizzieren, und an einem | |
| ausladenden Baum mit allen teilen. Oder auf schwarzen Tischen, die | |
| natürlich keine geraden Linien aufweisen, „Schönheitshindernisse“ zeichne… | |
| um die Besuchenden zu verlangsamen. Denn: Wer das Leben durcheilt, dem | |
| entgeht es. | |
| An den teils dunkelbunten Wänden sind Denkanreize zu lesen, das Wort | |
| „Traumrecht“ etwa. Und wer klein ist, kann sich auf Hocker stellen, um den | |
| Bildern näher zu sein – zumindest ein kleines, bei manchen Hängungen eher | |
| symbolhaftes Bisschen. | |
| „Paradiese kann man nur selber machen“ ist eine betont pädagogische Schau. | |
| Sie bietet Workshops zum Bau von [3][Insektenhotels] und Rankhilfen, | |
| natürlich im Hundertwasser-Stil. In Schulen kommt eine „Abenteuerkiste“ zum | |
| Einsatz, die sich zu Hundertwassers Segelschiff „Regentag“ umbauen lässt, | |
| mit dem er fast überall hin reiste, vom Mittelmeer bis Tahiti. | |
| Aber bei Hundertwasser muss man Obacht geben. Nicht nur bei seiner | |
| Esoterik. Auch manche seiner Arbeiten wecken Skepsis: Die liebliche | |
| Dekorierung der Wiener Müllverbrennungsanlage Spittelau zum Beispiel, ab | |
| Ende der 1980er. Nicht alles, was glänzt, ist Gold, auch nicht bei | |
| Hundertwasser. | |
| „Lasst die Kinder sprechen“, habe der Künstler gesagt, erklärt das MQ4 zur | |
| Frage, was diese „Familienausstellung“ inspiriert habe. Ob sich die Kinder, | |
| die sie nun durchstreifen, wohl in Hundertwassers eigene, uneheliche | |
| Tochter versetzen können? Sie hat ihren Vater nie kennengelernt – Zeit | |
| seines Lebens hat er ihr das verweigert. | |
| 10 Jun 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Harff-Peter Schönherr | |
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