Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bedingungsloses Grundeinkommen: Keine soziale Hängematte und doch …
> Das Pilotprojekt Grundeinkommen ist zu Ende. Wichtigstes Ergebnis: Die
> 107 Teilnehmenden haben sich nicht auf die faule Haut gelegt.
Bild: Für Sarah Bäcker bedeutete das Grundeinkommen Entscheidungsfreiheit: 1,…
Berlin taz | Diese Studie kommt aus einer anderen Zeit. Als das
Pilotprojekt Grundeinkommen um 2020 angeschoben wurde, ging es der
deutschen Wirtschaft gut, und die SPD plante eine großzügige Reform des
Sozialstaates namens Bürgergeld. Nun jedoch herrscht Krise. Härte regiert,
die Union will das Bürgergeld wieder abschaffen.
Die Ergebnisse des Pilotprojekts – an diesem Mittwoch präsentiert –
eröffnen trotzdem Perspektiven auf ein liberales, modernes Sozialsystem.
[1][Seit 2021 erhielten 107 Personen drei Jahre lang monatlich 1.200 Euro]
zusätzlich zu ihren normalen Einkommen geschenkt, im Prinzip ohne
Gegenleistung, finanziert aus Spenden.
Die Organisator:innen wollten herausfinden, was die Glückspilze mit
dem Geld anstellen: Werden sie faul, investieren sie es in Drogen oder
nutzen sie es sinnvoll? Ersteres befürchten die Konservativen, letzteres
hoffen die Progressiven.
Die Debatte über das Grundeinkommen als Reform-Option für den Sozialstaat
läuft schon, seit die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder und
Joschka Fischer zu Beginn der 2000er Jahre die kärgliche Sozialleistung
Hartz IV einführte.
## „Mythos vom Grundeinkommen als sozialer Hängematte“
Um die Diskussion nun auf eine sachliche Grundlage zu stellen,
organisierten der Verein Mein Grundeinkommen, das Deutsche Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW) und die Wirtschaftsuniversität Wien das
Pilotprojekt. „Die entscheidende Botschaft“ formuliert DIW-Forscher Jürgen
Schupp jetzt so: „Wer bedingungslos regelmäßige Geldzahlungen erhält, zieht
sich nicht aus dem Arbeitsmarkt zurück“. Die Feldstudie entkräfte den
„Mythos vom Grundeinkommen als sozialer Hängematte“.
Die Untersuchung zeigt, dass die 107 Teilnehmenden ihre Erwerbstätigkeit
nicht reduziert haben – im Vergleich zu einer Testgruppe, die kein
Grundeinkommen bekam. Die wöchentliche Arbeitszeit und die
Bruttomonatslöhne lagen minimal unter denen der Vergleichsgruppe, was die
Forschenden für statistisch nicht relevant halten.
Wobei dies den Durchschnitt darstellt, individuell konnte es anders
aussehen. [2][Zum Beispiel Sarah Bäcker], eine Berliner Architektin, die
die taz während des Projektes begleitete, arbeitet jetzt weniger als vorher
– allerdings ist sie auch Mutter geworden. Sie erlaubte sich eine
anderthalbjährige Elternzeit und ist nun 30 Stunden pro Woche tätig, im
Vergleich zur früheren Vollzeit.
Die positive Wirkung des Grundeinkommens beschreibt Bäcker so: „Die
zusätzlichen 1.200 Euro monatlich haben mir Entscheidungsfreiheit
verschafft, weil ich die nötige materielle Sicherheit verspürte.“ Und das
ohne bürokratischen Druck, „denn ich musste mich nicht um Wohngeld oder
aufstockende Sozialleistungen bemühen.“
## Genug Geld entspannt und fördert soziales Miteinander
Weitere Ergebnisse: Die Teilnehmenden waren deutlich zufriedener als die
Angehörigen der Vergleichsgruppe. Ihre Werte für mentale Gesundheit,
Wohlbefinden, Sinnhaftigkeit des eigenen Handelns, Zufriedenheit mit
Gesundheit, Schlaf, Arbeit und – plausiblerweise – Einkommen lagen höher.
Einfach gesagt: Genug Geld entspannt.
Interessanterweise verbrachten die Grundeinkommen-Empfänger:innen auch
zusätzliche private Zeit mit anderen Leuten, und zwar pro Woche vier
Stunden mehr als die Vergleichsgruppe. Sie seien aktiver und sozialer
gewesen, sagte DIW-Forscher Schupp – was beispielsweise auch damit
zusammenhängen kann, dass mehr Geld mehr gemeinsame Freizeitaktivitäten
ermöglicht.
Hinsichtlich der Verwendung der zusätzlichen Mittel war zu beobachten, dass
die Teilnehmenden mehr als doppelt so viel sparten wie die
Vergleichsgruppe, nämlich 779 Euro monatlich. 37 Prozent des
Grundeinkommens legten sie zurück, 50 Prozent gaben sie für zusätzlichen
Konsum aus.
Nun stellt sich aber die Frage, ob die Studienergebnisse angesichts der
veränderten Situation heute noch Relevanz haben. Ein paar Argumente
sprechen dafür: Eine neue Studie im Auftrag des linksliberalen Progressiven
Zentrums weist darauf hin, dass besonders Anhänger:innen der
hartrechten AfD eine große soziale Ungleichheit beklagen.
## Ein möglicher Fallschirm in Krisenzeiten
Vielleicht würde die Umsetzung Grundeinkommen-ähnlicher Ideen dem etwas
entgegensetzen. DIW-Forscher Schupp: „Bedingungslose Geldzahlungen können
in Krisen als Fallschirm dienen.“
Im Übrigen ließen sich Elemente des Grundeinkommens ausgestalten, um dem
Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken. So propagierten das Zentrum Liberale
Moderne und die Bertelsmann-Stiftung 2022 ein „Bildungsgrundeinkommen“.
Alle Erwerbspersonen sollten demnach das Recht erhalten, drei Jahre lang
1.200 Euro monatlich vom Staat zu bekommen, um sich weiterzubilden.
Ein möglicher Effekt eines solchen bedingten, nicht bedingungslosen
Grundeinkommens könnte darin bestehen, dass Erwerbstätige in die Lage
versetzt werden, ihre Lebensarbeitszeit zu verlängern.
Im Interview berichtet eine Teilnehmerin des Pilotprojekts, wie sie das
Jahr mit bedingungslosem Grundeinkommen erlebt hat. Nachlesen können Sie
das [3][hier].
9 Apr 2025
## LINKS
[1] /Bedingungsloses-Grundeinkommen/!5794276
[2] /Pilotprojekt-Grundeinkommen/!6006940
[3] /Teilnehmerin-ueber-Grundeinkommenprojekt/!6081280
## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
Bedingungsloses Grundeinkommen
Grundeinkommen
Ökonomie
Prekäre Arbeit
Freizeit
Soziale Gerechtigkeit
Social-Auswahl
Bedingungsloses Grundeinkommen
Grundeinkommen
Bedingungsloses Grundeinkommen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Teilnehmerin über Grundeinkommenprojekt: „Ich konnte aus dem Hamsterrad auss…
Im Rahmen eines Pilotprojekts erhielt Elisabeth Ragusa drei Jahre monatlich
1.200 Euro – bedingungslos. Und tat, was sie sich ohne nie getraut hätte.
Pilotprojekt Grundeinkommen: Geld bedeutet Selbstbestimmung
Drei Jahre lang erhielten 122 Personen Geld, einfach so. Zwei von ihnen
ziehen jetzt ein erstes Fazit. Doch das Konzept wird zunehmend kritisiert.
Pilotprojekt Grundeinkommen: Neustart von Grund auf
Nach zwei Jahren im Projekt Grundeinkommen hat die Industriekauffrau
Elisabeth Ragusa ein Studium begonnen – und kann sogar Geld zurücklegen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.