| # taz.de -- Kritik an ARD und Didi Hallervorden: Das träge und schwerfällige … | |
| > Didi Hallervorden macht einen rassistischen Witz. Der ARD misslingt es, | |
| > ihn zu erklären. Wie will sie so neue Zuschauer*innen erreichen? | |
| Bild: Nicht mehr zeitgemäß – und rassistisch: Dieter Hallervorden in der ARD | |
| Wäre die ARD ein Tier, sie wäre wohl ein schwerfälliges, gelbzahniges | |
| Walross. Das Bild passt nicht nur zum aktuellen Zustand der Anstalt, | |
| sondern auch symbolisch zu ihrem Jubiläum: 75 Jahre alt wurde die ARD in | |
| diesem Jahr – gefeiert wurde das in einer großen Gala. | |
| Sechs Millionen Menschen schalteten ein, laut Programmdirektorin Christine | |
| Strobl war es „ein Abend, der Millionen berührte“. Moderator Kai Pflaume | |
| schaute mit Gästen wie Barbara Schöneberger, Günther Jauch und Ingo | |
| Zamperoni [1][auf ein dreiviertel Jahrhundert ARD-Geschichte]. Laut Strobl | |
| habe die Show aber nicht nur Erinnerungen gefeiert, sondern neue | |
| geschaffen. | |
| ## Rückwärtsgewandtheit der Sendeanstalt | |
| Von den neuen Erinnerungen und vielleicht auch mal ein paar neuen Ideen für | |
| die Sendeanstalt hätte man sich mehr gewünscht. Stattdessen zeigte sich an | |
| einem Sketch besonders deutlich eine Rückwärtsgewandtheit der schwermütigen | |
| Sendeanstalt. Ein mittlerweile fast 50 Jahre alter Sketch von Dieter | |
| Hallervorden wurde in einer Neuauflage gezeigt: Der 89-Jährige, eine feste | |
| Größe des öffentlich-rechtlichen Humors vergangener Jahrzehnte, | |
| präsentierte „Nonstop Nonsens“. Die Pointe: Hallervorden, im | |
| Sträflingsanzug, sitzt im Knast, und unterhält sich mit einem anderen | |
| Häftling. | |
| Warum er einsitzt? Er habe die mittlerweile nicht mehr verwendeten Worte | |
| für den Schaumkuss und Paprikaschnitzel verwendet. Der Witz, dass | |
| Satiriker:innen das Maul verboten wird, wurde schon tausendmal, etwa | |
| von Dieter Nuhr, auf der Bühne verarbeitet und ausgelutscht. | |
| Hallervorden fügte aber neu das N-Wort und das Z-Wort ein und machte ihn | |
| damit eben auch noch rassistisch. Warum? Hallervorden sagt in einem | |
| Statement auf Instagram, dass er nicht zensiert werden möchte. „Woke | |
| Menschen von heute versuchen ängstlich, nicht aus der Reihe zu tanzen“, so | |
| Hallervorden. In dem Versuch, bestimmte Worte nicht mehr zu benutzen, sieht | |
| der Satiriker eine Verfehlung, sich [2][mit den echten Problemen unserer | |
| Zeit auseinanderzusetzen]. | |
| ## Rassistische Witze bei der ARD | |
| Wer sich aber tatsächlich damit hätte auseinandersetzen können, ob sie in | |
| ihrer Jubiläumsshow einen nicht nur ausgelutschten, sondern auch | |
| rassistischen Witz haben möchte, ist die ARD selbst. Gerade in Zeiten, in | |
| denen Reformen für die Sendeanstalt bitter notwendig sind, um zukunftsfähig | |
| zu bleiben, muss sich die Sendeanstalt überlegen, welche Gesichter für sie | |
| stehen sollen. | |
| Und sie hätte es auch locker tun können, denn die Szene wurde Tage vorab | |
| aufgezeichnet – die ARD hätte sie also problemlos herausschneiden, ändern | |
| oder einen Disclaimer einfügen können. Tat sie aber nicht. Hallervorden | |
| habe in seiner Rolle als Häftling überspitzt den Wandel der Sprache | |
| thematisiert und dabei Begriffe verwendet, „die heute aus guten Gründen | |
| nicht mehr zeitgemäß sind – in diesem satirischen Kontext jedoch bewusst | |
| als Provokation gesetzt“, gab die ARD-Programmdirektion auf taz-Anfrage | |
| bekannt. „Die ARD spricht sich gegen Rassismus aus und steht für Vielfalt | |
| sowie Kunstfreiheit“. | |
| Im Nachgang der Jubiläumsfolge eröffnete sich wegen Hallervordens Worten | |
| eine altbekannte Debatte: Was darf Kunstfreiheit? Wie viel Nostalgie ist | |
| noch schön? Und vor allem sollte aber auch gefragt werden: Was darf die ARD | |
| sich leisten, wenn sie nicht in die Bedeutungslosigkeit rutschen will? | |
| ## Bewährte Gesichter statt mutiger Impulse | |
| In dieser Szene verdichten sich viele der aktuellen Probleme des | |
| öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die ARD klammert sich an bewährte | |
| Gesichter, statt mutige neue Impulse zu setzen. Sie will an der | |
| Vergangenheit festhalten, statt sich aktiv der Gegenwart zu stellen, und | |
| verwechselt dabei wieder mal Kontinuität mit Stagnation. | |
| Dass Hallervorden nach der Sendung das Wortverbot durch die woke Kultur | |
| kritisierte, passt ins Bild. Genauso wie seine frühere Positionierung gegen | |
| das Gendern, das er eine „Vergewaltigung der Sprache“ nannte. Die ARD lud | |
| sich also nicht nur eine überlebte Figur ein – sie gab ihr auch die Bühne, | |
| eine überholte Haltung zu zelebrieren. | |
| Dabei gäbe es genug Gründe für Selbstreflexion. Die Zuschauerzahlen selbst | |
| beliebter Formate wie „Tatort“ gehen seit Jahren zurück. Talkshows | |
| verlieren an Relevanz, Mediathekenzugriffe können das kaum ausgleichen. Der | |
| Senderverbund steckt [3][in einer massiven Strukturkrise]. Finanzskandale | |
| wie beim RBB, die problematische Personalpolitik [4][im Fall Thilo Mischke] | |
| und die sinkende Nutzung durch junge Menschen verdeutlichen: So wie bisher | |
| kann es nicht weitergehen. | |
| ## Weniger Nostalgie, mehr Strategie | |
| Die ARD braucht eine klare Strategie – keine nostalgischen | |
| Geburtstagsfeiern. Sie muss Fehlerkultur zeigen, sich öffentlich mit | |
| kritischen Fällen auseinandersetzen und den gesellschaftlichen Wandel nicht | |
| als Gefahr, sondern als Chance begreifen. Die Rolle des | |
| öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist heute wichtiger denn je – gerade | |
| angesichts von Desinformation, rechter Propaganda und politischem Druck. | |
| Aber dafür reicht es nicht, auf Bühnen zu sitzen und über „verbotene | |
| Wörter“ zu spotten. Es braucht eine neue Generation, neue Formate und vor | |
| allem: den Mut zur Veränderung. | |
| Wenn die ARD das schafft, dann klappt vielleicht auch der Wandel – vom | |
| träge daliegenden Walross zum wachsamen Wachhund. | |
| 7 Apr 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ann-Kathrin Leclere | |
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