# taz.de -- FPÖ-Chef Herbert Kickl entzaubert: Ein österreichisches Lehrstück | |
> Nach dem Scheitern seiner Verhandlungen mit der ÖVP muten die verbalen | |
> Ausfälle des FPÖ-Chefs Herbert Kickl zahnlos an. Der Ton stimmt nicht | |
> mehr. | |
Bild: Zu wenig Gewicht für das Staatsamt: Abtritt von Herbert Kickl in Januar | |
Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen zwischen der extrem rechten | |
FPÖ und der konservativen ÖVP ist es merkwürdig still geworden um Herbert | |
Kickl. | |
Der FPÖ-Chef machte sich zuletzt nur durch eine erstaunliche Meldung | |
bemerkbar: „Bei diesem antidemokratischen ‚Staatsstreich‘ in einem EU-Land | |
hat sich die Brüsseler Elite nicht als Verteidiger der Demokratie bewährt, | |
sondern als heuchlerischer Saboteur. […] Demokratische Grundprinzipien, | |
Grund- und Freiheitsrechte – all das gilt offensichtlich nur dann, wenn es | |
sich innerhalb des von Brüssel erwünschten und von der Bevölkerung | |
abgekoppelten ‚Meinungskorridors‘ bewegt“, so der FPÖ-Chef. | |
Auch den österreichischen Bundespräsidenten attackierte er: „Freie Wahlen | |
sind das Herzstück einer jeden Demokratie und das ureigenste Recht der | |
Staatsbürger. Dieses Recht zu beschneiden, ist schlicht und ergreifend | |
unerhört. Das Recht auf freie und faire Wahlen ohne die Einmischung | |
Brüssels muss nicht nur […] schnellstmöglich wieder sichergestellt werden, | |
sondern grundsätzlich auch für die Zukunft verteidigt werden. | |
Bundespräsident Van der Bellen und die Bundesregierung haben sich daher | |
klar auf die Seite des Souveräns und damit auf die Seite der Demokratie zu | |
stellen.“ | |
Gemeint war die Entscheidung Rumäniens, die nochmalige Kandidatur des | |
extrem rechten Präsidentschaftskandidaten Călin Georgescu abzuweisen. Aber | |
niemand nahm es wohl nur als Aussage zur rumänischen Wahlrechtsordnung. | |
Schon allein durch die überzogene Emotion wirkte es wie eine Brandrede in | |
eigener Sache. Zudem war es dieselbe „Argumentation“, dieselbe | |
Schuldzuweisung wie jene [1][nach dem Scheitern seiner | |
Koalitionsverhandlungen]. Auch da musste Brüssel, musste die EVP mit ihren | |
„Anweisungen“ an die ÖVP als Schuldige herhalten. | |
Aber Kickl hat seine Chance gehabt. Er hatte die Möglichkeit, eine | |
Koalition zu bilden, er hatte die Möglichkeit, österreichischer Kanzler zu | |
werden. Und wenn er jetzt tobt, wenn ihm jetzt Rumänien als Vehikel dient, | |
wenn er jetzt „Diktatur“ ruft – dann muss man festhalten: Er hatte die | |
Gelegenheit. Niemand hat sie ihm weggenommen. Er hat sie selbst verspielt. | |
Keine Ungerechtigkeit. Keine schlechte Behandlung, die man anklagen könnte. | |
Schuldig ist er selbst. Höchstpersönlich. | |
## Chance verspielt | |
Dass er seine Chance verspielt hat, macht sein jetziges Getöse zum | |
Gekläffe. Ob das von innen auch so wirkt? Von außen betrachtet, außerhalb | |
der Freiheitlichen-Blase, sind Kickls Angriffe jedenfalls merkwürdig | |
zahnlos geworden. Nicht so sehr inhaltlich. Aber der Ton stimmt nicht mehr. | |
Wenn er bei der traditionell derben Aschermittwochrede im Bierzelt auf den | |
Putz hauen möchte und als größten Trumpf nur zu bieten hat: Er sei kein | |
[2][„Doch-nicht-Kanzler“,] sondern „Noch-nicht-Kanzler“. Das Projekt der | |
Volkskanzlerschaft sei nur aufgeschoben und nicht aufgehoben. Der Schritt | |
zurück diene nur dem längeren Anlauf ins Kanzleramt. Dann hört sich das | |
nicht nur merkwürdig ausgehöhlt an. | |
Das hat schon etwas Verzweifeltes. Er ist nicht mehr Verantwortungsträger | |
in spe, sondern außer Dienst. Er ist gewissermaßen vor seinem Antritt | |
emeritiert. Ein Rohrkrepierer. | |
Die Empörung ist nicht mehr angemessen. Das Hass-Pathos, die Rage – all das | |
klingt hohl. Falsch. Wie ein beleidigtes Aufjaulen, das sich noch in den | |
Mantel des großen Erregungsauftritts hüllt. | |
## Zu wenig Gewicht fürs Staatsamt | |
Dabei erinnert es mehr an jene Szene aus Asterix, wo sich der große, | |
imposante Gote „Verkrümeldich“ im Fellmantel als Freiwilliger bei der | |
römischen Armee bewirbt. Im nächsten Bild sieht man den abgelegten | |
imposanten Mantel und ein zaundürres Männchen kommt heraus und ruft: „Zu | |
dünn sagen sie! Zu dünn für die Armee!“ | |
Es ist diese Art von Abstreifen des Mantels, der Hülle der Aggression – es | |
ist diese Art von „Entzauberung“, die Herbert Kickl erfahren hat: zu dünn, | |
zu wenig Gewicht fürs Staatsamt. Man darf sich dennoch keiner Illusion | |
hingeben. Das ist kein politischer Sieg gegen rechts gewesen, sondern nur | |
deren Versagen. Aber es gewährt zumindest eine Atempause. In der kann die | |
österreichische Ampel arbeiten. | |
24 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Isolde Charim | |
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