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# taz.de -- Abschiebungsplan nach Gaza-Protest: Ihre Grausamkeit und die unsere
> Der Fall des Palästinensers Mahmoud Khalil zeigt, wie sich Trump über den
> Rechtsstaat hinwegsetzt. Doch auch CDU und SPD haben düstere Pläne.
Bild: Polizist:innen halten eine Person fest, Demonstration gegen die Festnahme…
Am 8. März entführte die Trump-Regierung in den USA den Palästinenser
[1][Mahmoud Khalil.] Beamte des Department of Homeland Security [2][nahmen
den Studenten auf dem Campus der Columbia University] fest, fixierten ihn
in Handschellen und fuhren ihn mit einem nicht gekennzeichneten Auto fort.
Gegen Khalil, der ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht hat, liegt keine Anklage
vor, die Beamten hatten auch keinen Haftbefehl. Die Regierung will an ihm
ein Exempel statuieren und ihn am Rechtsstaat vorbei abschieben, weil er
auf dem Campus gegen Israels Krieg in Gaza demonstriert hat.
Gruselig, was der Trump da wieder macht. So oder so ähnlich lauten die
Reaktionen in Deutschland, wenn die US-Regierung täglich aufs Neue ihre
Verachtung der Freiheitsrechte der Verfassung demonstriert. Gut, dass wir
in Deutschland noch nicht so weit sind, dass die AfD hier noch nicht an der
Regierung ist.
Aber braucht es dafür überhaupt die AfD? Am selben Tag, als Mahmoud Khalil
in New York gekidnappt wurde, stellten Politiker:innen von Union und
SPD in Berlin ihr Sondierungspapier für die Koalitionsverhandlungen vor.
Darin steht, man wolle prüfen, ob man „Terrorunterstützern, Antisemiten und
Extremisten“ [3][die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen könne], so sie
denn eine weitere besitzen.
Mit diesen Schlagworten klingen die CDU und SPD in etwa wie Trump, der auf
einer Kundgebung vor seiner Wahl im Oktober tönte, er werde die Visa von
„radikalen, antiamerikanischen und antisemitischen Ausländern“ an
Universitäten annullieren und sie „direkt nach Hause schicken“. Nur, dass
die freundlichen Parteien der bürgerlichen Mitte in Deutschland nicht
allein auf die bösen Ausländer zielen, sondern einen Schritt weiter gehen.
Sie wollen sogar die Tür für ein [4][Zweiklassensystem der
Staatsbürgerschaft] öffnen – eine Forderung direkt aus dem AfD-Playbook.
Hier gibt es dann auf der einen Seite die waschechten Deutschen, die mit
den deutschen Eltern und Großeltern, die nur einen Pass haben (wie
übersichtlich). Und auf der anderen Seite die suspekten Doppelstaatler,
allermeist mit Migrationsgeschichte, die immer nur Deutsche auf Probe
bleiben.
## Angriff auf die Gleichheit
Es ist keine Überraschung, dass dieser Angriff auf die Gleichheit aller
Deutschen im Gewand der Antisemitismusbekämpfung daherkommt. Die
Radikalisierung der Mitte reicht dabei weit vor den Hamas-Angriff auf
Israel am 7. Oktober 2023 zurück. 2019 brachte die AfD eine Resolution in
den Bundestag ein, die ein Verbot der Israelboykottbewegung BDS forderte.
Die anderen Parteien von CDU bis Grünen lehnten das ab, legten in der
Folgewoche aber ihre eigene Resolution nach, die BDS als in Gänze
antisemitisch brandmarkte.
Im November vergangenen Jahres folgte dann jene umstrittene
[5][Antisemitismusresolution], der auch die AfD freudig zustimmte. Der
erhellendste Debattenbeitrag dazu kam ausgerechnet von der AfD-Politikerin
Beatrix von Storch. Sie wies am Podium darauf hin, dass im Antrag die Rede
sei von Antisemitismus, der auf „Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas
und des Nahen und Mittleren Ostens basiert“. Das seien „grüne Chiffren für
importierten muslimischen Antisemitismus“, sagte von Storch. „Und auch der
Lösungsvorschlag in Ihrem Antrag geht in unsere Richtung: repressive
Möglichkeiten ausschöpfen, insbesondere im Straf- und
Staatsbürgerschaftsrecht und im Asyl- und Aufenthaltsrecht.“
## „Wer hat das Recht, Rechte zu haben?“
Zurück zu Mahmoud Khalil. Dessen Abschiebung ist dank der Intervention
eines Richters zunächst ausgesetzt. Khalil meldete sich am Dienstag [6][aus
seiner Zelle in Louisiana zu Wort] und verglich seine Entführung durch die
Trump-Schergen mit der Lage jener Tausenden Palästinenser, die ohne Anklage
und anwaltlichen Beistand in israelischen Militärgefängnissen darben –
eine Praxis, die Israel euphemistisch „[7][Administrativhaft]“ nennt.
„Wer hat das Recht, Rechte zu haben?“, fragt Khalil in seinem Statement
weiter. Damit greift er eine Formulierung Hannah Arendts auf, die in ihrem
Totalitarismus-Werk nach dem Zweiten Weltkrieg Zweifel an den Forderungen
nach universellen Menschenrechten anmeldete. Diese Forderungen klingen zwar
schön, sagte Arendt sinngemäß, aber am Ende braucht es immer Staaten, die
Rechte garantieren und durchsetzen. Als Bürger:in Teil einer politischen
Gemeinschaft zu sein, wird bei ihr zum fundamentalen [8][„Recht, Rechte zu
haben“]. Arendt war wie viele andere nach ihrer Ausbürgerung durch die
Nazis staatenlos geworden. Eine Lehre daraus fand ihren Eingang ins
Grundgesetz. Dort [9][steht in Artikel 16]: „Die deutsche
Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden.“
Wie beruhigend also, dass die freundlichen bürgerlichen Parteien in
Deutschland nicht die Absicht haben, irgendwas dergleichen zu tun. Wie
beruhigend, dass hier noch keine amerikanischen Verhältnisse herrschen. Wie
beruhigend, dass die AfD hier noch nicht regiert.
23 Mar 2025
## LINKS
[1] /Trumps-Kampf-gegen-die-Universitaeten/!6077080
[2] /Trump-Regierung-gegen-Uni-Proteste/!6075092
[3] /Sondierungspapier-von-Union-und-SPD/!6075427
[4] /Autor-ueber-AfD-Tendenzen-der-CDU/!6075398
[5] /Nach-Verabschiedung-im-Bundestag/!6049065
[6] https://www.theguardian.com/commentisfree/2025/mar/19/mahmoud-khalil-statem…
[7] /Palaestinenser-in-Israels-Gefaengnissen/!6021130
[8] https://www.hamburger-edition.de/buecher-e-books/artikel-detail/vom-recht-r…
[9] https://www.bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte-der-bundesregierung/75-…
## AUTOREN
Leon Holly
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