Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Polizeigewalt am 8. März: Erwartbare Gewalt, erwartbares Schweigen
> Die Polizeigewalt bei der Palästina-solidarischen Demo am 8. März kommt
> wenig überraschend. Wie so häufig, hält sich die breite Empörung in
> Grenzen.
Bild: Kein Kampftag ohne Polizeigewalt? Polizist*innen am 8. März in Berlin
Ein kleines Gedankenexperiment: Was wäre in Berlin los, wenn es am
feministischen Kampftag die israel-solidarische „Feminism Unlimited“-Demo
gewesen wäre, bei der Flinta* von Polizist*innen mit Fäusten in Gesicht
und Oberkörper geschlagen wurden? Wenn die Anklagen über sexualisierte
Gewalt und Misshandlungen in Polizeigewahrsam aus ihren Reihen gekommen
wären?
Eines steht fest: Der Aufschrei wäre wohl deutlich lauter gewesen. So war
es vor allem die Palästina-Bewegung, die die [1][massive Polizeigewalt auf
der pro-palästinensisch ausgerichteten Demo „Until total liberation“] am 8.
März anklagte.
Wieder einmal zeigte sich dabei die brutale Realität der deutschen
Staatsräson, die jegliche Form von Palästina-Solidarität unter
Generalverdacht stellt und mit Repressionen beantwortet. Laut
UN-Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit gehört Deutschland zu den
Ländern, in denen Palästina-solidarische Proteste mit den schärfsten
Einschränkungen unterdrückt werden.
Damit sei nicht gesagt, dass es an der Demo nichts zu verurteilen gebe.
Aufgerufen hatte die Gruppe „Alliance of Internationalist Feminists“,
zusammen mit „Palestine at the Forefront“ und „Young Struggle“, die den
Hamas-Terrorangriff auf Israel als „Gefängnisausbruch“ und „Widerstand“
bezeichneten. Am Rande der Demonstration kam es zu gewalttätigen
Übergriffen auf Pressevertreter. All das verdient keine Solidarität.
Fest steht auch: Sexismus und Polizeigewalt hat es auch auf Flinta*-Demos
ohne direkten Bezug zu Palästina immer wieder gegeben. Ein gravierender
Unterschied ist jedoch, dass im Falle der Palästina-Proteste die Repression
offen von den höchsten politischen Stellen gefordert wird. Regelmäßig wirkt
die Polizei, als lasse sie Palästina-Proteste eskalieren, um dieser
Aufforderung Folge leisten zu können.
## Die Gewalt ist kein Zufall
Zur Erinnerung: Eigentlich ist seit Jahren das Deeskalationsgebot die
offizielle Berliner Antwort auf Ausschreitungen auf Demonstrationen. Seit
2021 ist die Polizei [2][laut Versammlungsfreiheitsgesetz sogar gesetzlich
verpflichtet], befriedigend auf Demos einzuwirken. Wie ein Hohn liest sich
da das Wording der polizeilichen Pressemitteilung zur „Until total
liberation“-Demo. Darin schreibt die Polizei, sie habe noch vor Beginn der
Demo transparent angekündigt, „etwaige Straftaten“ aus dem Palästina-Block
„konsequent und mit niedriger Einschreitschwelle“ zu verfolgen.
Der eigenen Darstellung der Polizei zufolge waren Sprechchöre der Anlass
für folgende polizeilichen Eskalationen – allen voran „From the river to
the sea“, ein Spruch, den die Polizei als strafbar einstuft. Um die
Rufer*innen festzunehmen, ging die Polizei immer wieder in die Demo
rein. Es kann für eine Polizei, die so gut in Sachen Deeskalation geschult
ist, keine Überraschung sein, dass sich dagegen Widerstand entwickelte.
Die Polizei selbst spricht von „gewalttätigen Widerstandshandlungen,
Landfriedensbrüchen, versuchten Gefangenenbefreiungen und tätlichen
Angriffen“ – eine Sprache, die wohl auch die eigenen „Zwangsmaßnahmen in
Form von Schieben und Drücken (…) sowie selektiv gezielte Faustschläge,
Tritte und Pfefferspray“ zu rechtfertigen versucht. Man muss anerkennend
hinzufügen: Selektiv waren sie, die Faustschläge, nämlich immer auf die
Nase.
Aber sobald es um Palästina geht, scheint Kollektivbestrafung und
Generalverdacht kaum verurteilt zu werden. Dass die Polizeigewalt am 8.
März überhaupt Aufmerksamkeit erregt, dürfte wohl am Kontext des
feministischen Kampftages liegen. Manche sprechen dem Protest deshalb
schlicht den feministischen Charakter ab – ganz nach dem Motto: Die
Polizeigewalt war doch okay, es ging ja gar nicht um Feminismus, sondern
nur um Palästina.
## Selektive Solidarität auf allen Seiten
Dabei hat das Bündnis die eigene Position klar formuliert: Der Protest
richtete sich gegen einen weißen, westlichen Feminismus, der sich nicht
solidarisch mit den Unterdrückten dieser Welt zeigt, der in seiner
vermeintlich emanzipatorischen Haltung exklusiv ist und in seiner
Extremform etwa Trans-Identitäten oder die Vereinbarkeit von feministischen
Positionen mit dem Islam infrage stellt.
Apropos selektive Solidarität: Wo war eigentlich die breite Kritik anderer
feministischer Bündnisse daran, dass die Polizei ihre Repression auch damit
rechtfertigte, der Palästina-Block sei „hochemotionalisert“? Das ist eine
alte sexistische und rassistische Strategie, um Frauen und Migrant*innen,
die angeblich nicht zur rationalen Debatte fähig seien, aus dem Diskurs
herauszuhalten.
Einen Lichtblick immerhin gab es: Das israel-solidarische Bündnis „Feminism
Unlimited“ solidarisierte sich in einer Instagram-Story gegen jede Form von
Polizeigewalt und sah damit über die unüberbrückbar erscheinenden
Differenzen hinweg. Vielleicht gibt es ja doch noch eine Chance auf einen
„antifaschistischen und universellen Feminismus“, den das Bündnis anstrebt.
14 Mar 2025
## LINKS
[1] /Polizeigewalt-bei-Demos-am-8-Maerz/!6071497
[2] /Rot-rot-gruenes-Versammlungsgesetz/!5746790
## AUTOREN
Lilly Schröder
Timm Kühn
## TAGS
Wochenkommentar
Feminismus
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Frauenkampftag
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Antisemitismus
Friedrichshain
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Schwerpunkt Feministischer Kampftag
## ARTIKEL ZUM THEMA
Abschiebungsplan nach Gaza-Protest: Ihre Grausamkeit und die unsere
Der Fall des Palästinensers Mahmoud Khalil zeigt, wie sich Trump über den
Rechtsstaat hinwegsetzt. Doch auch CDU und SPD haben düstere Pläne.
Neonazi-Aufmarsch in Friedrichshain: Sie sind wieder da
Zum dritten Mal in Folge wollen Neonazis durch Friedrichshain marschieren.
Aktivist*innen kündigen Gegenproteste und Blockaden an.
Zefanias M. über Rassismus und Polizei: „Wir haben ein gesellschaftliches Pr…
Der Mitgründer der Kampagne „Polizei im Nacken – Kniefixierung
verbieten!“, fordert Schmerzensgeld vom Land Berlin. Warum, erklärt
Zefanias M. hier.
Polizeigewalt bei Demos am 8. März: Auch für die Polizei offenbar ein Kampftag
Im Netz kursieren Videos von Polizeigewalt beim feministischen Kampftag.
Die Organisator:innen sprechen von Vorfällen sexualisierter Gewalt.
Demonstrationen am Frauentag: Kämpfen und feiern sind eins
Tausende gehen in Berlin am Internationalen Frauentag für Frauenrechte und
Chancengleichheit auf die Straße. Eine Demo wird aufgelöst.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.