| # taz.de -- Zefanias M. über Rassismus und Polizei: „Wir haben ein gesellsch… | |
| > Der Mitgründer der Kampagne „Polizei im Nacken – Kniefixierung | |
| > verbieten!“, fordert Schmerzensgeld vom Land Berlin. Warum, erklärt | |
| > Zefanias M. hier. | |
| Bild: Zefanias M. steht hier vor einem Plakat, dass die Antirassismus-Koryphäe… | |
| taz: Was fordert die Kampagne „Polizei im Nacken – Kniefixierung | |
| verbieten!“? | |
| Zefanias M.: Die Kampagne ist ein Bündnis mit dem Ziel, die tödliche Praxis | |
| der Kniefixierung zu verbieten. Die Polizei hat das Gewaltmonopol, aber | |
| eine Praxis, bei der Menschen umkommen können, sollte nicht Teil des | |
| staatlichen Gewaltmonopols sein, sondern es sollte immer das möglichst | |
| geringste Mittel genommen werden. Die Kniefixierung ist eher eine Tortur | |
| als eine wirklich polizeilich notwendige Maßnahme. Wir haben nicht nur in | |
| dem Fall von George Floyd gesehen, dass dort immer wieder Menschen sterben, | |
| auch in Deutschland. Und mir selbst ist es auch passiert, ungerechterweise, | |
| als ich zu Unrecht verdächtigt wurde, Leute angegriffen zu haben, obwohl | |
| ich nur Zivilcourage für einen Wohnungslosen gezeigt habe. | |
| Was ist dann passiert? | |
| ZM: Ich wurde auf den Boden geworfen, dann wurde mir das Knie in den Nacken | |
| gedrückt und nach drei Sekunden war ich gefesselt. Dann lag ich neun | |
| Minuten lang mit dem Knie im Nacken, auf der empfindlichsten Stelle der | |
| Wirbelsäule und gefesselten Händen auf dem Boden, während ein Schäferhund | |
| vor mir gebellt hat. An unseren Halswirbeln laufen alle Nerven lang, die | |
| hoch zum Hirn gehen. Ich leide immer noch unter Tinnitus, ich habe ein | |
| Taubheitsgefühl im Finger. Und die Polizisten haben keine Strafe dafür zu | |
| erwarten. Solche Verletzungen werden meist nicht bei den ersten ärztlichen | |
| Untersuchungen festgestellt, haben aber Langzeitfolgen für die Betroffenen. | |
| Sie fordern nun vom Land Berlin Schmerzensgeld. Wie ist der Stand in dem | |
| Prozess? | |
| ZM: Die Beweisaufnahme ist fast abgeschlossen. Auf dem Überwachungsvideo | |
| haben wir klar sehen können, dass die Polizisten gelogen haben. Am 27. 3. | |
| ist mein nächster Termin, wo man über die Beweise diskutiert. Das wird | |
| spannend. | |
| Sie sind damals zu Biplab Basu gegangen. Basu war antirassistischer | |
| Aktivist und Mitbegründer von [1][ReachOut] sowie zahlreicher weiterer | |
| Kampagnen. Vor genau einem Jahr starb er im Alter von 72 Jahren. | |
| ZM: Biplab war der erste Mensch, der mir in meinem Fall geholfen und | |
| Hoffnung gegeben hat. Als ich damals bei ihm reinkam, war ich völlig am | |
| Boden zerstört und verängstigt. Er hat mich mit seiner Ruhe beruhigt. Er | |
| hat mir zugehört und mir geglaubt, dass ich unschuldig bin. Die meisten | |
| glauben, dass die Polizei nur für Gerechtigkeit sorgt und dass die ja | |
| nichts Ungerechtes machen würden. Biplab hat dafür gesorgt, dass Leute | |
| solidarisch bei meinen Prozessen dabei waren, er war selber an jedem | |
| Verhandlungstag dabei, sie haben meine Gerichtskosten bezahlt, sonst hätte | |
| ich mich gar nicht verteidigen können. Im Endeffekt ist er der Grund, warum | |
| ich hier sitze, weil ich ansonsten wahrscheinlich unrechtmäßig hinter | |
| Gittern wäre. | |
| Frau Tavangar, Sie arbeiten bei ReachOut, einer Beratungsstelle für Opfer | |
| rechter und rassistischer Gewalt sowie rassistischer Polizeigewalt. Wer ist | |
| von dieser Kniefixierung eigentlich besonders betroffen? | |
| Parto Tavangar: Die Polizei wendet die Kniefixierung vermehrt gegen | |
| Menschen an, von denen sie behauptet, dass sie besonders gefährlich wären. | |
| Und das sind häufig von Rassismus betroffene Menschen, prekarisierte oder | |
| wohnungslose Menschen, Menschen, die in psychischen Krisen sind. Aber auch | |
| gegen Demonstrierende, wie auf propalästinensischen Demonstrationen. Und | |
| genau gegen diese Gruppen wendet die Polizei diese Fixierung oder diese | |
| lebensbedrohlichen Schmerzgriffe sehr schnell an – und teilweise auch viel | |
| zu lange. | |
| Wie wollen Sie ein Verbot von Kniefixierungen erreichen? | |
| PT: Das Wichtige ist, überhaupt sichtbar zu machen, dass diese | |
| Kniefixierung angewendet wird und dass wir es als lebensbedrohlichen | |
| Schmerzgriff betrachten. Wir sind im Bündnis zusammen mit [2][Amnesty | |
| Berlin] und haben auf einer Veranstaltung mit Klimaaktivist*innen, aber | |
| auch mit einem Demonstrierenden auf einer propalästinensischen | |
| Demonstration und Zefanias deutlich gemacht, wie gefährlich diese | |
| Schmerzgriffe sind. Es kann uns alle betreffen und wir müssen diese Formen | |
| als Verbrechen benennen und alle gemeinsam dagegen ankämpfen. Egal, ob wir | |
| auf der Straße sind und Zivilcourage zeigen, ob wir auf eine Demonstration | |
| gehen oder uns für Klimaaktivismus entscheiden, kann es uns am Ende des | |
| Tages alle treffen. Wir versuchen auf verschiedenen Ebenen, die breite | |
| Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren, sowie politischen Druck | |
| auszuüben, Petitionen zu starten, offene Briefe usw. Das wird ein Marathon | |
| sein und nichts, was wir jetzt sofort erreichen werden. | |
| Wie hat Basus Aktivismus die Kampagne „Polizei im Nacken“ inspiriert? | |
| PT: Biplab Basu – der leider letztes Jahr am 14. März verstorben ist –, hat | |
| den Betroffenen zugehört, er hat sie massiv gestärkt in ihrem Kampf gegen | |
| institutionellen Rassismus, gegen rassistische Strukturen und hat ihnen | |
| geglaubt. Und obwohl er so viele Prozesse begleitet hat, wo wir nicht die | |
| Form der Gerechtigkeit erhalten haben, die man sich wünschen würde, hat er | |
| nie die Hoffnung verloren. Er hat diese Hoffnung auch immer den | |
| Ratsuchenden weitergegeben, dass sie weiter kämpfen sollen und dass wir | |
| hinter ihnen stehen. Obwohl Politik, Gesellschaft, Gerichte, | |
| Staatsanwaltschaften gegen uns arbeiten, hat er gezeigt, dass wir durch die | |
| Solidarität und die Bündnisse miteinander auch eine Kraft aufbauen können. | |
| Was war das Besondere an seinem Aktivismus? | |
| PT: Er war einer der Ersten, der überhaupt für Deutschland rassistische | |
| Polizeigewalt und Racial Profiling so benannt hat, dass es ein Verbrechen | |
| ist, was die Polizei tut. Ich glaube, diese Form des Empowerments gibt es | |
| gerade bei rassistischer Polizeigewalt leider selten bis gar nicht. Biplab | |
| hat den Betroffenen deutlich gemacht, das ist nicht dein individuelles | |
| Problem, sondern wir haben ein gesellschaftliches Problem. Und wir müssen | |
| gesellschaftlich für eine Lösung kämpfen, du musst nicht alleine dagegen | |
| ankämpfen. | |
| „Das geht alle an“ – was bedeutet das? | |
| ZM: Das Knie im Nacken benutzt die Polizei vermehrt bei migrantischen | |
| Leuten, aber es kann jeden treffen. So eine Praxis kann nur verändert | |
| werden, wenn Deutschland versteht, dass es jeden was angeht und nicht nur | |
| Migranten und Ausländer darunter leiden. Auch die Klimabewegung kriegt das | |
| Knie in den Nacken. Mir ist wichtig, dass auch die Leute, die sich als | |
| komplett deutsch fühlen, mit weißer Haut, wissen, dass es auch sie | |
| betreffen kann und dass das eine Bedrohung ist, die wir alle zusammen | |
| beseitigen sollten. | |
| 14 Mar 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.reachoutberlin.de/de/Unsere%20Arbeit/Beratung/ | |
| [2] https://www.amnesty.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Darius Ossami | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
| Racial Profiling | |
| Gewaltopfer | |
| taz Plan | |
| Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
| Polizeigewalt | |
| Wochenkommentar | |
| George Floyd | |
| Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
| Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Bewegungstermine in Berlin: Antifaschismus muss! | |
| In Friedrichshain konnte erneut ein Neonazi-Aufmarsch verhindert werden. | |
| Und schon geht es weiter mit Soli-Aktionen gegen rechte Hetze und | |
| Rassismus. | |
| Tödliche Schüsse der Polizei: Musste Najib Boubaker sterben? | |
| In Dortmund hat die Polizei einen 70-jährigen Epileptiker erschossen, der | |
| mit einem Küchenmesser bewaffnet war. Hätte die Situation eskalieren | |
| müssen? | |
| Berliner Gericht zu Schmerzgriffen: Schmerzhaft für die Polizei | |
| Das Berliner Verwaltungsgericht hat es der Polizei nun erstmals | |
| bescheinigt: Schmerzgriffe gegen einen Aktivisten der Letzten Generation | |
| waren rechtswidrig. | |
| Polizeigewalt am 8. März: Erwartbare Gewalt, erwartbares Schweigen | |
| Die Polizeigewalt bei der Palästina-solidarischen Demo am 8. März kommt | |
| wenig überraschend. Wie so häufig, hält sich die breite Empörung in | |
| Grenzen. | |
| Washington zerstört Schriftband: Black Lives stören White House | |
| Der 200 Meter lange Schriftzug „Black Lives Matter“ in Washington wird | |
| entfernt. Die Bürgermeisterin spricht von Druck aus dem Weißen Haus. | |
| Polizeigewalt bei Demos am 8. März: Auch für die Polizei offenbar ein Kampftag | |
| Im Netz kursieren Videos von Polizeigewalt beim feministischen Kampftag. | |
| Die Organisator:innen sprechen von Vorfällen sexualisierter Gewalt. | |
| Polizeigewalt in Berlin: Polizist wegen Ohrfeigen verurteilt | |
| Das Amtsgericht Tiergarten hat einen Berliner Polizisten zu einer | |
| Bewährungsstrafe verurteilt. Er hatte gefesselten Menschen ins Gesicht | |
| geschlagen. |