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# taz.de -- Tödliche Schüsse der Polizei: Musste Najib Boubaker sterben?
> In Dortmund hat die Polizei einen 70-jährigen Epileptiker erschossen, der
> mit einem Küchenmesser bewaffnet war. Hätte die Situation eskalieren
> müssen?
Bild: Der 70-jährige Dortmunder Najib Boubaker wurde nicht gerettet, sondern v…
Dortmund taz | Am Freitag vor einer Woche starb der 70-jährige Dortmunder
Najib Boubaker nach einem Polizeieinsatz. Der Mann soll sich mit einem
Messer auf Polizist*innen zubewegt haben, ein 24-jähriger Polizist gab
daraufhin einen tödlichen Schuss ab. Erste Pressemitteilungen der Polizei
und Medienberichte sprachen von einem Einsatz aufgrund eines
„Randalierers“. Doch diese Darstellung wirft viele Fragen auf.
Die Nachbarschaft des Erschossenen ist geschockt und widerspricht. In
Scharnhorst, einem Stadtteil im Nordosten Dortmunds, legen Nachbar*innen
in den Tagen danach Blumen, Kerzen und ein Foto des Getöteten im Vorgarten
des Einfamilienhauses ab. Hier fiel der tödliche Schuss.
Die Mitbewohnerin Boubakers, so erzählen es Anwohnende übereinstimmend der
taz, habe an jenem Freitagmittag den Notruf gewählt. Zuvor soll Boubaker,
der seit knapp dreißig Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt,
mehrere epileptische Anfälle erlitten haben.
Die Besatzung eines Rettungswagens behandelte ihn zunächst in seiner
Wohnung, wollte ihn mit ins Krankenhaus nehmen. Boubaker wollte dies
anscheinend nicht, soll sich „ablehnend und zunehmend wehrig“ gegenüber den
Rettungskräften verhalten haben. So beschreibt der ermittelnde Staatsanwalt
Felix Giesenregen die Situation gegenüber der taz. Noch in der Wohnung habe
Boubaker erstmals zu einem Messer gegriffen, der Rettungsdienst habe diese
verlassen und die Polizei gerufen.“
## Wie schnell ist „schnellen Schrittes“?
Mit Eintreffen der Polizei verlagerte sich die Situation in den Vorgarten.
Boubaker soll dort nach Aussage des Staatsanwaltes ein Küchenmesser mit
sich geführt haben, damit dann auf die Beamt*innen zugegangen sein. Nach
Androhung des Schusswaffengebrauchs habe er sich zunächst umgedreht, sei
wieder in Richtung Haustür gegangen. „Schnellen Schrittes“, so Giesenregen,
habe er dann erneut kehrtgemacht, sei auf die Einsatzkräfte zugelaufen.
Dann fiel der Schuss. Boubaker verstarb vor Ort, in jenem Rettungswagen,
der gerufen wurde, um ihm zu helfen. Eine entscheidende Frage wird wohl
sein, wie schnell sich Boubaker auf die Polizist*innen zubewegen
konnte: Nach Aussage aller sieben Nachbar*innen, mit denen die taz sprach,
hinkte er stark. Erschüttert sind sie alle: „Nicht ein Polizist hat mal
versucht, vernünftig mit Najib zu reden. Die haben einfach alle nur
geschrien.“
Staatsanwalt Giesenregen kann Aussagen von Augenzeug*innen gegenüber
der taz bestätigen: Eine Androhung oder Einsatz milderer Einsatzmittel wie
etwa Pfefferspray oder des mittlerweile NRW-weit eingeführten
Elektro-Tasers habe es nach seinem Kenntnisstand nicht gegeben. Eine im
Einsatz mitgeführte Bodycam sei hingegen definitiv nicht eingeschaltet
gewesen. Dass der 70-Jährige nach Schussabgabe mit Handschellen gefesselt
in den Rettungswagen getragen worden sein soll, wollte Giesenregen nicht
kommentieren.
## Mehr Menschen von Polizei erschossen
Aus Neutralitätsgründen ermittelt nun die Polizei Recklinghausen, zum
wiederholten Mal. [1][Im August 2022 war der senegalesische Geflüchtete
Mouhamed Lamine Dramé] erschossen worden. Der Fall kam vor Gericht, die
beteiligten Polizist*innen wurden im Dezember freigesprochen. Auch hier
waren Bodycams ausgeschaltet. Staatsanwaltschaft und Nebenklage haben
Revision eingelegt.
Bundesweit stieg zuletzt die Zahl der Opfer durch Polizeischüsse: Laut der
Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP wurden im vergangenen Jahr 22
Menschen von der Polizei erschossen – doppelt so viele wie im Vorjahr. Für
die ersten Monate des Jahres 2025 sind bereits sieben Todesfälle gelistet.
21 Mar 2025
## LINKS
[1] /Mutmassliche-Polizeigewalt-in-Dortmund/!5990644
## AUTOREN
Friedrich Kraft
## TAGS
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Dortmund
Justiz
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Riesa
Schwerpunkt Rassismus
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