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# taz.de -- Menschenrechtsverletzungen in Libyen: Milizionäre jagen Migranten
> Libyen geht immer härter gegen Migranten aus Subsahara-Afrika vor. Dabei
> halten sie als billige Arbeitskräfte das Land am Laufen.
Bild: Soldaten stehen am 5. Januar 2025 in der libyschen Stadt Zawiya Wache
Sfax taz | Libyen verhaftet derzeit vermehrt Migranten aus West- und
Zentralafrika, mit dem Ziel, sie aus dem Land abzuschieben. Ein Video zeigt
etwa, wie wohl mehr als 1.200 Menschen von schwer bewaffneten Milizionären
auf das umzäunte Gelände des Flughafen Maitiga nahe der Hauptstadt Tripolis
geführt werden.
Die in dem Video Abgeführten hatten zuvor dort gearbeitet: auf Baustellen,
in Restaurants oder Tankstellen. Die gesamte Serviceindustrie in dem
ölreichsten Land des Kontinents lebt von der Arbeitskraft derjenigen, die
eigentlich nur wenige Monate im Land bleiben wollen, um sich als Tagelöhner
das Ticket für die Überfahrt nach Europa zu verdienen. Die libyschen
Behörden stellten seit dem Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi im Jahr
2011 keine Aufenthaltspapiere mehr aus, doch das hatte bisher niemanden
gestört. Und nachdem in den Nachbarstaaten Algerien und Tunesien seit
Jahresbeginn immer mehr Migranten festgenommen und abgeschoben wurden,
stieg die Zahl der Migranten im angrenzenden westlichen Libyen an.
An der Küste zwischen der Stadt Zuwara an der Grenze zu Tunesien und der
libyschen Hauptstadt ist die Chance, auf die italienische Insel Lampedusa
übersetzen zu können, derzeit am größten. Denn die EU [1][hat die
Küstenwache Tunesiens mit technischer und finanzieller Hilfe aufgerüstet],
von dort legen daher nur noch vereinzelt Boote ab. Allein bis Anfang März
wurden in Süditalien 8.000 aus Libyen angekommene Migranten registriert –
eine Steigerung von 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Offizielle Statistiken über die Zahl der in Libyen lebenden Migranten
gibt es nicht. Doch laut aus EU-Kreisen durchgesickerten Schätzungen leben
in dem 6-Millionen-Einwohner-Land Libyen mehr als 3,5 Millionen nicht
registrierte Menschen aus dem Sahel, Ägypten und Subsahara-Afrika.
Innenminister Imad al-Trabelsi will nun viele von ihnen abschieben und
erhält in sozialen Medien große Zustimmung.
## Wirtschaftskrise und eine schwer kontrollierbare Grenze
„Auf den Straßen von Ghut Shaal im Westen von Tripolis sind kaum noch
Libyer auf der Straße zu sehen“, sagt die Menschenrechtsaktivistin Amal
al-Haj, die in den letzten Jahren immer wieder das brutale Vorgehen der
Behörden gegen die auch in staatlichen Medien nur „Afrikaner“ genannten
Gastarbeiter kritisiert hatte. Die von Europa geforderte Blockade des
Mittelmeers, die kaum zu kontrollierende Grenze Libyens in der Sahara, die
Wirtschaftskrise im Maghreb und das Ringen verschiedener Länder um Einfluss
in Nordafrika sei ein gefährlicher Mix, sagt sie. „Libyer und Tunesier
wollen und können nicht länger Europas Wächter des Mittelmeers sein – wenn
selbst wir keine Jobs oder bezahlbare medizinische Versorgung haben.“
Auf sozialen Medien hatten zahlreiche Videos von Straftaten die Runde
gemacht, die angeblich von Migranten begangen worden waren: „Der Fall einer
Tagesmutter aus Guinea, die ein Kind schlägt, führte zu besonderer
Entrüstung“, sagt ein Journalist aus Tripolis, der wie viele seiner zum
Thema Migration arbeitenden Kollegen lieber anonym bleiben möchte. „Aber
das Video stammt nach meinen Recherchen nicht aus Libyen“, sagt er. „Die
Tagelöhner aus Westafrika waren in Libyen bisher als Arbeitskräfte
willkommen. Aber nun nutzen die Populisten – wie zuvor in Tunesien – das
Thema für sich aus.“
Der oberste Mufti Libyens, Sadik Ghariani, machte am vergangenen Freitag
den in Ost- und Südlibyen herrschenden [2][Warlord Khalifa Haftar] für die
offenen Grenzen verantwortlich. Haftar wolle mit den Migranten
[3][Westlibyen] destabilisieren. Zwischen dem mit dem russischen Kreml eng
verbundenen Haftar und der mit der Türkei alliierten Regierung in Tripolis
herrscht zwar ein Waffenstillstand, doch in Tripolis fürchtet man, zum
Spielball zwischen Moskau und dem Westen zu werden. Auch die Machtelite in
Tripolis nutze das Thema Migration für sich, sagt Aktivistin al-Haj, die
bei den Lokalwahlen in Tripolis im Frühjahr für das Amt der Bürgermeisterin
kandidiert.
Derweil leiden Migranten – und auch wer für sie gehalten wird: In Janzour,
einem Vorort von Tripolis, kam es am Wochenende zu regelrechten Jagdszenen:
Milizionäre durchsuchten Wohnviertel und Läden nach dunkelhäutigen
Menschen. Dadurch seien auch viele Libyer ins Visier geraten, sagt
Journalist Mohamed Lino aus dem Süden des Landes.
19 Mar 2025
## LINKS
[1] /Afrikanische-Fluechtlinge-in-Tunesien/!6059102
[2] /Chalifa-Haftar/!t5035027
[3] /Regierungskrise-in-Libyen/!5834041
## AUTOREN
Mirco Keilberth
## TAGS
Milizen in Libyen
Libyen
Migration
Libyen
Giorgia Meloni
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Frankreich
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