# taz.de -- Tarifverhandlungen bei CFM: Die verlorene Tochter | |
> Die Beschäftigten des Charité-Tochterunternehmens verdienen deutlich | |
> weniger als beim Mutterkonzern. Verdi will eine Angleichung erstreiken. | |
Bild: Haben keine Lust mehr, auf Versprechungen zu warten: CFM-Mitarbeitende be… | |
Berlin taz | „Natürlich habe ich keinen Bock, ein Krankenhaus zu | |
bestreiken“, sagt Marcel. Der Dreißigjährige möchte seinen vollen Namen | |
nicht in der Zeitung lesen, arbeitet seit zwei Jahren als Kältetechniker an | |
der Charité, sorgt dafür, dass Klimaanlagen für die Intensivstationen und | |
Kühlsysteme für empfindliche Medikamente unterbrechungslos funktionieren. | |
„Aber es gibt Kolleginnen, die sich die Miete nicht mehr leisten können.“ | |
Marcels täglicher Arbeitsort ist die Charité, beschäftigt ist der | |
Kältetechniker aber bei einem Tochterunternehmen des landeseigenen | |
Krankenhauskonzerns, der [1][Charité Facility Management (CFM)]. Die | |
Beschäftigten der CFM werden deutlich schlechter bezahlt als ihre | |
Kolleg:innen beim Mutterkonzern. Deswegen fordert die | |
Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in den aktuell laufenden | |
Tarifverhandlungen eine Angleichung. | |
Auch die letzte Verhandlungsrunde am Montag brachte keinerlei Fortschritte. | |
Obwohl es schon der dritte Termin war, habe die Arbeitgeberseite kein | |
konkretes Angebot vorgelegt, berichtet Gewerkschaftssekretärin Gisela | |
Neunhöffer: „Es gibt eine absolute Verweigerungshaltung der Chefetage.“ | |
Verdi fordert eine volle Eingliederung der CFM-Beschäftigten [2][in den | |
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TvÖD)], der auch für die | |
Pfleger:innen der Charité gilt. Doch die Unterschiede sind teilweise | |
beträchtlich. Verdi selbst beziffert den Gehaltsunterschied zum TvÖD auf | |
durchschnittlich 20 Prozent. Die Unternehmensleitung spricht sogar von | |
Lohnkostensteigerungen von mehr als 40 Prozent, sollte sich Verdi mit der | |
Forderung durchsetzen. | |
## Verhandlungen festgefahren | |
Gehaltserhöhungen in der Höhe würden zu einer „Existenzgefährdung der CFM… | |
führen, sagt Geschäftsführerin Juliane Kaufmann bei einem Pressegespräch am | |
Donnerstag. | |
Die rund 3.500 CFM-Beschäftigten erledigen in der Charité alle Aufgaben, | |
die nicht Teil der direkten Krankenversorgung sind: Reinigung, Sicherheit, | |
Krankentransport, Sanitär- und Hausmeisterdienstleistungen, Sterilisierung | |
von medizinischem Gerät und noch vieles mehr. „Das sind Kolleginnen und | |
Kollegen des Krankenhauses, keine externen Dienstleister“, sagt Neunhöffer. | |
Sie als schlechter qualifizierte Mitarbeiter zweiter Klasse darzustellen, | |
wie es die ungleiche Bezahlung nahelegt, sei ein „Schlag ins Gesicht für | |
die Kolleginnen“. | |
Das Unternehmen argumentiert, es würde vergleichsweise gute Löhne zahlen: | |
„Derzeit liegt der Entgelttarifvertrag der CFM im Vergleich, beispielsweise | |
in der Reinigung, Sicherheit und Catering über dem Branchentarif“, sagt | |
Geschäftsführerin Kaufmann. | |
Doch für Gewerkschaftssekretärin Neunhöffer hinkt der Vergleich: | |
„Krankenhausreinigung ist nicht nur Besenschwingen im Büro, das ist | |
Desinfektion, Blut, Schweiß, Kot und Erbrochenes.“ | |
## Überbleibsel aus Sparjahren | |
Kältetechniker Marcel berichtet, dass es aufgrund der im Unternehmen | |
weitverbreiteten Teilzeit es sogar Kolleg:innen gäbe, die am Ende des | |
Monats kaum noch genug Geld zum Essen hätten. „Wenn du 1.600 Euro bekommst | |
und 1.000 Euro für Miete draufgeht, bleibt da nicht mehr viel.“ | |
Das Tochterunternehmen ist ein Überbleibsel aus den Sparjahren der 2000er | |
Jahre. Damals sollte der Betrieb der landeseigenen Krankenhäuser | |
kosteneffizienter gestaltet werden. Eine Maßnahme war, die Aufgaben der | |
CFM, die zuvor von rund 200 externen Kleinfirmen erbracht worden sind, in | |
einem Unternehmen zu bündeln. | |
2006 gründete der Senat zusammen mit einem Konsortium privater Großkonzerne | |
die CFM. [3][Das Lohnniveau orientierte sich schon damals am untersten Ende | |
der Lohnskala], die Arbeitsbedingungen standen oft in der Kritik. | |
Rund 1.000 Mitarbeitende wurden damals aus der Charité ausgelagert und | |
erstritten erfolgreich weiterhin nach TvÖD bezahlt zu werden. Die Regelung | |
galt allerdings nicht für Nachbesetzungen, wodurch von diesen 1.000 | |
TvÖD-Beschäftigten nur noch 250 in der CFM arbeiten. So ist es weiterhin | |
der Fall, das Kolleg:innen für die gleiche Arbeit im gleichen | |
Unternehmen sehr unterschiedliche Gehälter bekommen. „Teilweise bekommt | |
jemand 700 Euro mehr für die gleiche Tätigkeit“, erzählt Marco. | |
Schon 2016 versprach der damals Rot-grün-rote-Senat die Wiedereingliederung | |
des Tochterunternehmens in die Charité. 2019 übernahm Berlin zumindest die | |
Anteile des privaten Konsortiums, eine Angleichung der Löhne erfolgte | |
jedoch nicht. | |
## Gebrochene Versprechen | |
Die versprach allerdings Kai Wegner, die CFM solle „schnellstmöglich“ Teil | |
der Charité werden, heißt es im Koalitionsvertrag. Doch passiert ist | |
seitdem wenig. Die Senatsverwaltungen gründete eine | |
verwaltungsübergreifende Arbeitsgruppe, die Wege zur Wiedereingliederung | |
diskutieren sollte. Deren Abschlussbericht stellte die Kommission vor | |
wenigen Wochen fertig, nur veröffentlicht wurde er nicht. Auf eine Anfrage | |
der taz reagierte die Senatsverwaltung nicht. | |
Schmerzhaft deutlich wurde der Wortbruch, als den Charité- und | |
Vivantesbeschäftigten 2023 ein Inflationsausgleich von 3.000 Euro | |
ausgezahlt wurde – die CFM-Mitarbeiter:innen aber mit 115 Euro abgespeist | |
wurden. „Das alles führt dazu, dass wir uns mittlerweile nur noch verarscht | |
vorkommen“, sagt Marcel. | |
„Der Senat duckt sich weg“, kritisiert Gewerkschaftssekretärin Neunhöffer. | |
Aber die Beschäftigten seien nicht bereit, länger auf die Versprechungen zu | |
warten. Verdi kündigte den laufenden Tarifvertrag zum Jahresanfang und will | |
die Lohnangleichung durch Arbeitskampf erstreiten. | |
In der vergangenen Woche gab es bereits einen Warnstreik. Auch einen | |
unbefristeten Streik schließt Verdi nicht aus, sollte sich in der nächsten | |
Verhandlungsrunde am 25. März wieder nichts bewegen. | |
Unterstützung dafür kommt aus der Zivilgesellschaft. Die Bündnisse „Berlin | |
steht zusammen“ und „Gesundheit statt Profite“ [4][sammeln gerade mit ein… | |
Spendenkampagne Geld], um die Streikenden zu unterstützen. Denn die | |
Bezahlung sei derzeit so niedrig, dass viele Kolleg:innen mit dem | |
Streikgeld nicht lange zurechtkämen, sagt CFM-Mitarbeiter Marcel. | |
14 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://cfm-charite.de/ | |
[2] /Tarifkonflikt-im-oeffentlichen-Dienst/!6074197 | |
[3] /Interview-mit-CFM-Streikposten/!5107477 | |
[4] https://www.gofundme.com/f/streikunterstutzung-fur-die-beschaftigten-der-cfm | |
## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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