| # taz.de -- Tarifkonflikt bei der Charité: Vorwärts – aber langsam | |
| > Beim Arbeitskampf bei CFM zeichnet sich eine Lösung ab. Kann Verdi sich | |
| > durchsetzen, könnte die Gewerkschaftsbewegung einen wichtigen Sieg | |
| > einfahren. | |
| Bild: Gemeinsam gegen Unterbezahlung: CFM-Beschäftigte auf einer Streikdemo | |
| Berlin taz | Blut, Urin, Erbrochenes, gebrauchte Spritzen und Kot – die | |
| Reinigung eines Krankenhauses ist keine leichte Aufgabe, berichtet Dobrila, | |
| Reinigungskraft bei der Charité Facility Management (CFM) [1][auf einer | |
| Streikdemonstration]. Ohne sie laufe das Krankenhaus nicht, trotzdem sei | |
| das Gehalt mager. „Was glauben Sie, wie ich von 1.500 Euro überleben | |
| kann?“, fragt sie rhetorisch die nicht anwesenden Politiker:innen. Mehr als | |
| Urlaub am See mit der Familie sei nicht drin, Brot zum Mittag keine | |
| Seltenheit. „Bis wir nicht die versprochenen 100 Prozent TvÖD erhalten, | |
| werden wir unseren Streik nicht beenden“, verspricht Dobrila. | |
| Seit zwei Monaten sind die rund 3.200 Beschäftigten der Charité-Tochter im | |
| unbefristeten Ausstand. Seit Dienstagmorgen verhandelt die Geschäftsführung | |
| wieder mit Verdi. Und nach den eher durchwachsenen Tarifabschlüssen bei der | |
| BVG und im öffentlichen Dienst stehen die Chancen gut, dass die | |
| Gewerkschaftsbewegung bei der CFM als eindeutiger Sieger hervorgeht. | |
| Das Ziel der Beschäftigten, [2][der Zweiklassengesellschaft an der | |
| landeseigenen Universitätsklinik ein Ende zu bereiten], ist bereits ein | |
| gutes Stück näher gerückt (siehe Kasten). Nach wochenlanger Blockadehaltung | |
| stimmte die Unternehmensleitung am 23. Mai einer vollständigen Angleichung | |
| der CFM-Gehälter an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TvÖD) zu. | |
| „Das ist ein Durchbruch“, sagt Verdi-Gewerkschaftssekretär Tim Graumann der | |
| taz. Anstatt unterschiedlich bezahlt zu werden, könnten so die | |
| unterschiedlichen Beschäftigtengruppen im Haus zu einem Tarifvertrag | |
| zusammengeführt werden. | |
| ## Kompromissvorschlag steht | |
| Konkret stimmte die CFM der von Verdi vorgeschlagenen schrittweisen | |
| Angleichung an den TvÖD zu. Auch soll der neue Tarifvertrag dynamisch an | |
| den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes gekoppelt werden, damit sich die | |
| Lücke nicht wieder in der nächsten Tarifrunde vergrößert. | |
| Allerdings bleiben viele Fragen offen. So kritisiert Verdi die | |
| vorgeschlagene Laufzeit von sechs Jahren. „Das ist nicht akzeptabel für die | |
| Beschäftigten“, sagt Graumann. Der größte Streitpunkt bei den laufenden | |
| Verhandlungen ist, in welche Gehaltsstufen die einzelnen Berufsgruppen | |
| eingruppiert werden. So versuche die Charité häufig in niedrigere | |
| Gehaltsstufen einzugruppieren als beispielsweise beim ebenfalls | |
| landeseigenen Vivantes-Krankenhauskonzern. | |
| Am Sonntag kündigte das Unternehmen [3][die mit Verdi vereinbarte | |
| Notdienstvereinbarung auf.] Das Unternehmen begründet den Schritt damit, | |
| dass wichtige Arbeiten nach mittlerweile 48 Streiktagen nicht weiter | |
| aufgeschoben werden könnten. „Daher waren wir gezwungen, von unserem | |
| Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen, um mit Verdi Nachverhandlungen | |
| führen zu können“, sagt eine CFM-Sprecherin. | |
| Die Übereinkunft legt fest, wie viele Arbeitskräfte die einzelnen Stationen | |
| benötigen, um die grundlegende Patientenversorgung aufrechtzuerhalten. Laut | |
| den Beschäftigten ist sie so großzügig ausgelegt, dass sich die | |
| Notversorgung vom Normalbetrieb kaum unterscheide. Dass die CFM diese nun | |
| kündige, sei ein „Weg, um den Kolleg:innen das Streikrecht zu nehmen“, | |
| kritisiert Graumann. | |
| ## Langer Atem zahlt sich aus | |
| Dennoch, dass es mit den Verhandlungen überhaupt vorangeht, ist ein Erfolg. | |
| „Vor einem Monat war das noch undenkbar“, sagt Marcel, der als | |
| Kältetechniker an der Charité arbeitet und Mitglied der Tarifkommission | |
| ist. Die Unternehmungsleitung legte in den ersten Runden nicht einmal ein | |
| Angebot vor, 100 Prozent TvÖD sei unmöglich, so die Geschäftsführung zu | |
| Beginn des Streiks. | |
| Der Sinneswandel hat vor allem mit politischem Druck zu tun. Neben dem | |
| unbefristeten Streik flankieren Aktivist:innen den Tarifkonflikt mit | |
| einer Plakat- und Spendenkampagne. Regelmäßig suchen Beschäftigte | |
| öffentliche Auftritte von Kai Wegner (CDU) auf, um den Regierenden | |
| Bürgermeister an das Versprechen der Wiedereingliederung zu erinnern. | |
| Der Stufenplan ist das Ergebnis einer informellen Einigung des Senats, | |
| dessen Mitglieder auch den Aufsichtsrat des landeseigenen Unternehmens | |
| bilden. Für die Umsetzung sagte der Senat der Charité zusätzliche Mittel | |
| zu. Bis Redaktionsschluss konnte die Senatskanzlei die Summe nicht | |
| bestätigen. | |
| „Es gibt einen Auftrag an die Charité, zu einem Abschluss zu kommen“, sagt | |
| der SPD-Abgeordnete Sven Meyer. Dass die Charité sich ziert, den vom Senat | |
| vorgeschlagenen Kompromiss einer stufenweisen Angleichung umzusetzen, hält | |
| der arbeitspolitische Sprecher der SPD für skandalös. „Wenn man den | |
| Vorschlag noch weiter runterdrücken will, zeigt man, dass man die | |
| Verhandlungen eigentlich nur noch crashen will“, befürchtet Meyer. | |
| Dennoch, es sei [4][der erste Erzwingungsstreik im Sparhaushalt], und | |
| dieser könne auch noch zum Erfolg werden, sagt Kältetechniker Marcel. | |
| „Darauf sind wir ein bisschen stolz.“ | |
| 3 Jun 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://youtu.be/4_W5ZJkyBUg?feature=shared&t=1573 | |
| [2] /Tarifverhandlungen-bei-CFM/!6071914 | |
| [3] /Tarifkonflikt-bei-Charite-Tochter/!6077590 | |
| [4] /Arbeitskampf-bei-der-CFM/!6080502 | |
| ## AUTOREN | |
| Jonas Wahmkow | |
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