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# taz.de -- Bodenschätze in der Ukraine: Sicherheit gegen Rohstoffe
> Lithium, Titan, Erdgas: Große Investitionen sind notwendig, um die
> ukrainischen Reichtümer auszubeuten. Trump und Putin wollen sich Teile
> dieses Schatzes sichern.
Bild: Blick auf einen Ilmenit-Tagebau in einer Schlucht in der ukrainischen Reg…
Berlin taz | Dass Donald Trumps gewollter Deal zur weitgehenden Übergabe
der ukrainischen Rohstoffe an die USA ein Multimilliarden-Geschäft werde,
sei eine „Phantastilliarde à la Donald Duck“, meint Harald Elsner. Der
Rohstoffexperte bei der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und
Rohstoffe in Hannover ist überzeugt: „Die Ukraine verfügt über einige
Vorkommen, davon sind auch noch einige in den russisch besetzten Gebieten.
Aber wir führen die Ukraine nicht als rohstoffreiches Land.“
Sein Urteil basiert vor allem darauf, dass es kaum Bergwerke gibt, die
Lagerstätten erkunden oder gar bereits wichtige Rohstoffe fördern. Wo die
Ukraine anerkanntermaßen zu den weltweit führenden Ländern gehört – bei d…
Gewinnung von Eisenerz und Kohle sowie der Stahlproduktion –, liegen die
Förderstätten zumeist in den von Russland eroberten Gebieten und wurden
gestoppt, sind abgesoffen oder zerstört.
Mit der völkerrechtswidrigen Einnahme der Schwarzmeer-Halbinsel Krim 2014
hat sich Russland den bisher vom prorussischen ukrainischen [1][Oligarchen
Dmytro Firtasch] gehaltenen Konzern „Krim-Titan“, einen bedeutenden
Produzenten des für Flugzeugbau und Medizinprodukte wichtigen Leichtmetalls
Titan, einverleibt.
Auch die größten konventionellen Erdölvorkommen sowie 72 Prozent der
erkundeten Gasvorkommen liegen im Osten und um die Krim – und sind von
Russland okkupiert. Die Stahlwerke in Mariupol sind riesige Schutthalden
nach monatelangen Stellungskämpfen mit der ukrainischen Brigade
„Azovstal“. Aus den Kohlegruben der Ostukraine wurde wegen Strommangels
kein Wasser mehr abgepumpt, so dass sie unwiederbringlich vollliefen.
## Bodenschätze im Wert von 11,5 Billionen Euro
Doch wer sich durch die Ausschreibungsunterlagen des Ministeriums für
Naturschutz und natürliche Ressourcen in Kyjiw gräbt oder mit den
Expertinnen des führenden geologischen Instituts in der ukrainischen
Hauptstadt spricht und deren Forschungen einsieht, könnte daraus Helmut
Kohls „blühende Landschaften“ ablesen. Diesmal für die Ukraine: Rohstoffe
im Wert von 11,5 Billionen Euro schlummern demnach unter der berühmten
Schwarzerde der Ukraine.
Allein bei Erdgas verfügt die Ukraine schon jetzt mit 1,1 Billionen
nachgewiesenen Kubikmetern und 5,4 Billionen wahrscheinlichen Kubikmetern
laut Berechnungen der kanadischen SecDev Group über gigantische Reserven –
Norwegen hat als der Staat mit Europas größten Vorkommen 1,53 Billionen
Kubikmeter.
Der britisch-niederländische Ölriese Shell zog sich nach der russischen
Invasion aus der Erkundung von Schiefergasvorkommen in der Ukraine zurück.
Und auch bei Lithium, das dringend für Autobatterien gebraucht wird,
verfügt der größte Flächenstaat Europas über „fünf bis zehn Prozent der
Vorkommen auf der Welt“, ist Olena Remesowa vom Geologischen Institut in
Kyjiw überzeugt.
Zwei Tage vor Wladimir Putins Großinvasion vor drei Jahren veröffentlichte
die Leiterin des Geologischen Instituts an der bedeutendsten Universität
des Landes mit ihren Kolleginnen Svitlana Wassylenko und Uliana Naumenko
den Forschungsbericht „Perspektiven der Lithium-Rohstoffbasis in der
Ukraine“.
Die Erkenntnis: Die Ukraine könne eine der bedeutendsten Lieferantinnen des
edlen Stoffs werden und verfüge über ein Drittel der europäischen Reserven.
Und das zudem noch in Magmagestein statt in Salzen eingelagert. Das
vermeide den gigantischen Wasserverbrauch und die Salzberge wie in
[2][Südamerika bei der Lithiumgewinnung].
## Putin schrieb Doktorarbeit zur strategische Bedeutung von Rohstoffen
Die Grünen-Politikerin Viola von Cramon ist sich sicher, dass Wladimir
Putin vor einem möglichen, von Trump vermittelten Waffenstillstandsabkommen
noch den sogenannten „Lithiumgürtel einnehmen will“. Dieses Gebiet liegt
zwischen Donezk und dem von Moskau bereits offiziell annektierten, aber
noch keineswegs eroberten Saporischschja.
Schon 2014 habe Putin so lange vor den [3][Minsker Abkommen] kämpfen
lassen, „bis Russland Gebiete mit bekannten Vorkommen von Schiefergas in
der Ostukraine erobert hatte“, sagt die bis 2024 als stellvertretende
Vorsitzende des Parlamentarischen Assoziierungsausschusses des
Europaparlaments mit der Ukraine amtierende Expertin. Putin selbst machte
an der Bergbau-Hochschule in seiner Heimatstadt St. Petersburg mit einer
Arbeit über die strategische Bedeutung von Rohstoffen seinen Doktor der
Wirtschaftswissenschaften.
Der Kampf um Rohstoffe sei für Putin „sicherlich mitentscheidend“, meint
von Cramon. Doch das gilt vielleicht auch auf der anderen Seite: Krieg für
Öl – das warfen Friedensaktivisten den USA als Motiv für ihre Irak-Invasion
gegen Diktator Saddam Hussein vor. Jetzt könnte es heißen:
[4][Sicherheitsgarantien für Rohstoffe].
Denn das vor dem [5][Eklat zwischen Trump], seinem Vize JD Vance und dem
ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am vorigen Freitag
[6][erwartete Rohstoffabkommen zwischen den USA und der Ukraine] sei ein
„negativer Präzedenzfall“, meint Mark Williams. Der Professor an der Boston
University’s Questrom School of Business meint: „Es ist so strukturiert,
dass die USA als opportunistischer Geschäftspartner auftreten und nicht als
Führungsmacht der Welt und Beschützer der Souveränitätsrechte.“
## USA: Gewaltige Vorkommen an Öl, Erdgas, Lithium, Titan
Trump will schon lange an die vermuteten überreichen Rohstoffe der Ukraine:
Bereits im März 2024 hätten Trump-Unterhändler in Gesprächen mit sehr
ranghohen Vertretern der EU-Kommission deutlich gemacht, dass sie auf ein
Rohstoff-Abkommen mit der Ukraine bestünden. „Das war keinesfalls eine Idee
oder ein Entgegenkommen Selenskyjs“, so ein Brüsseler Insider gegenüber der
taz.
Die USA jedenfalls vermuten wie die Ukraine gewaltige Vorkommen an Öl,
Erdgas, Lithium, Titan, dem für Batterien notwendigen Graphit, Uran, 12
Prozent der weltweiten Manganvorkommen, Kobalt, Germanium und seltenen
Erden in dem Land.
Die Vorsitzende des ukrainischen Geologenverbandes, Hanna Liwenzewa, hat
errechnet, dass die Ukraine zwar nur 0,4 Prozent der Erdoberfläche bedecke,
aber über rund 5 Prozent der weltweiten Mineralressourcen verfüge und bei
mehreren Rohstoffen unter den ersten zehn der Welt rangiere. Den Wert
taxiert der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags auf 11,5 Billionen
Dollar.
Auch deshalb hatten noch 2023 das australische Unternehmen European Lithium
und der chinesische Konkurrent Chengxin Lithium versucht, an die bisher
unberührten ukrainischen Vorkommen des wertvollen Rohstoffs zu kommen.
Gerade die Konkurrenz zu China und Pekings Dominanz bei seltenen Rohstoffen
machen die Ukraine zu einem Objekt der Begierde im Wettrennen der
Supermächte. „Es ist wichtig, sich diese Rohstoffe strategisch zu sichern,
damit kein anderer darankommt“, betont Nico Lange, Senior Fellow der
Münchener Sicherheitskonferenz, die westlichen Interessen.
## Zugang zu Rohstoffen ist schwer
Doch auch mangelndes Wissen über die genaue Lage und Menge der Vorkommen
machen den Zugang schwer: Russland wisse besser als die Ukraine, wo welche
Rohstoffe in der Ukraine lägen, sagt Geologin Remesowa. Die Erforschung sei
meist durch Sowjet-Institute in Moskau geleitet und die Ergebnisse seien
dort gelagert worden. Zwar wurden auch in Kyiw seit 20 Jahren Titan- und
Lithium-Lagerstätten erforscht, „aber wegen fehlender Mittel ging es nicht
voran und viele Experten sind ins Ausland gegangen“.
Die Ukraine verfügt über ein Bruttoinlandsprodukt von 189 Milliarden Dollar
und steht laut der Weltbank vor Wiederaufbaukosten von 524 Milliarden
Dollar. Mit einem Rohstoffreichtum von vielleicht über 11,5 Billionen
Dollar sitzt sie allerdings auf einer Schatzkiste, Inhalt unerforscht. Mit
Trump im Nacken und China als Konkurrent weiß sie zudem nicht, wie
daranzukommen ist.
Bisher produziert und exportiert die Ukraine Gallium, Graphit und Titan für
etwa 200 Millionen Dollar jährlich. Laut Analysten der in London ansässigen
Beratungsfirma Capital Economics gehöre zur Wahrheit, dass „die meisten
Rohstoffvorkommen dort vor allem kurzfristig nicht ökonomisch sinnvoll
erkundet werden können“. Das Land hatte im Jahr 2023 Lizenzeinnahmen für
den Rohstoffabbau in Höhe von 1,1 Milliarden Dollar, vor allem für die
Erdgasförderung, ein deutlicher Rückgang durch den Krieg.
## Es braucht ein Friedensabkommen
Das [7][Arcelor Mittal] Stahl- und Hüttenwerk in Selenskyjs Heimatstadt
Krywyj Rih konnte voriges Jahr, als größter auf dem von der ukrainischen
Regierung kontrollierten Gebiet verbliebener Bergbaukonzern, nur noch mit
Verlusten arbeiten. Als Gründe nannte Arcelor Mittal-CEO Mauro Longobardo
kürzlich Stromausfälle, daraus resultierende Brände in einem Hochofen und
wegen des Krieges deutlich verteuerte Logistik. Das Stahlwerk hat eine
Kapazität von mehr als 6 Millionen Tonnen Stahl, mehr als 5 Millionen
Tonnen Walzstahl und mehr als 5,5 Millionen Tonnen Roheisen jährlich.
Um die potenziell reichen Vorkommen an seltenen Erden und Rohstoffen
kommerziell sinnvoll erkunden und fördern zu können, braucht es
Investitionen in Höhe hunderter Millionen Euro, heißt es einhellig bei
Fachleuten. Damit Unternehmen solche Summen in die Hand nehmen im Schatten
russischer Besatzung, sind stabile Verhältnisse erforderlich.
Dafür braucht es ein verlässliches Friedensabkommen. Denn:
Projektentwicklung im Rohstoffsektor dauere durchschnittlich 18 Jahre „und
verschlingt viel Geld, von dem niemand weiß, ob es je zurückkommt“, sagt
ein seit vielen Jahren in der Ukraine engagierter Experte.
6 Mar 2025
## LINKS
[1] /Prozess-gegen-ukrainischen-Oligarchen/!5010065
[2] /Lithiumgewinnung-in-Argentinien/!6005333
[3] /Konflikt-um-Ostukraine/!5837024
[4] /Ukraine-Krieg-Trump-und-seltene-Erden/!6063657
[5] /Krach-zwischen-Selenskyj-und-Trump/!6072970
[6] /Krieg-in-der-Ukraine/!6068729
[7] /Umbau-auf-Wasserstofftechnologie-stockt/!6048316
## AUTOREN
Mathias Brüggmann
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