# taz.de -- Politikwissenschaftler über Hamburg-Wahl: „Es lebt sich relativ … | |
> Die AfD holte bei der Bürgerschaftswahl 7 Prozent. Warum so wenige | |
> Hamburger:innen rechts wählen, erklärt Politikwissenschaftler | |
> Christian Martin. | |
Bild: In Hamburg laufen die Dinge relativ gut: Zehntausende demonstrierten im F… | |
taz: Herr Martin, bei der Bundestagswahl holte die AfD in Hamburg 11 | |
Prozent. Bei der Bürgerschaftswahl eine Woche später nur 7 Prozent. Hat Sie | |
das überrascht? | |
Christian Martin: Ja. Die Umfragen im Vorfeld hatten die AfD in Hamburg bei | |
10 Prozent gesehen. Das wäre zwar deutlich weniger gewesen als in | |
Flächenländern, aber ein klarer Zugewinn im Vergleich zu den 5,3 Prozent | |
der letzten Bürgerschaftswahl. Insofern hat mich das überrascht. Ich bin | |
natürlich nicht traurig darüber, das ist kein Geheimnis. | |
taz: Woran liegt es, dass die AfD in Hamburg so schwach ist? | |
Martin: Es gibt hier eine Reihe von Faktoren, die mit einem geringeren | |
Zuspruch zur AfD zusammenhängen: Hamburg hat ein hohes | |
Durchschnittseinkommen, eine geringe Arbeitslosigkeit, ein hohes | |
Bildungsniveau und ist eine urbane Großstadt. | |
taz: Laut Glücksatlas der Uni Freiburg sind die Menschen in Hamburg die | |
glücklichsten in Deutschland. Geht es den Hamburger:innen zu gut, um | |
AfD zu wählen? | |
Martin: Ich bin bei diesen Glücksatlanten ein bisschen vorsichtig, weil ich | |
mich frage, ob man Glück überhaupt messen kann. Aber nehmen wir das mal so | |
an. Dann würde ich sagen: Ich glaube, dass die Menschen in Hamburg weniger | |
den populistischen Versprechen anheimfallen, weil sie sehen, dass | |
vernünftige Politik Erfolg haben kann. Wenn sich das in Glück übersetzt, | |
umso besser. | |
taz: Was meinen Sie mit vernünftiger Politik? | |
Martin: Politik, die Ergebnisse liefert. Es lebt sich ja nicht schlecht in | |
Hamburg. Es lebt sich zwar nicht überall gleich gut für alle – zum Beispiel | |
gibt es enorme Unterschiede zwischen den Stadtteilen, zwischen Billstedt | |
und Nienstedten ist es sehr weit. Trotzdem gibt es für viele Menschen die | |
Möglichkeit, ein gelungenes Leben zu führen. Hamburg ist relativ sicher, | |
die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Lebensqualität im Sinne des | |
öffentlichen Raums, der zur Verfügung steht, ist hoch. Die Dinge laufen | |
relativ gut in Hamburg. | |
taz: Das deckt sich auch mit Studien, die zeigen: [1][Je besser die | |
öffentliche Verwaltung funktioniert, desto schwerer haben es rechtsextreme | |
Parteien]. Wer sind die Hamburger:innen, die trotzdem AfD gewählt haben? | |
Martin: Es gibt zum [2][Ergebnis der Bürgerschaftswahl] bisher nur erste | |
Zahlen, keine tiefer gehende Auswertung. Aber es fällt auf, dass die AfD | |
dort besonders schwach ist, wo das linksalternative Bildungsbürgertum | |
wohnt, wie in Ottensen. Demgegenüber ist die AfD in ärmeren und weniger | |
dicht besiedelten Gebieten stärker, wie zum Beispiel in Neuallermöhe. | |
taz: Dort ist die AfD bei der Bundestagswahl stärkste Kraft geworden. Bei | |
der Bürgerschaftswahl kam sie aber nur auf Platz zwei hinter der SPD. Auch | |
sonst ist die AfD in keinem Hamburger Stadtteil stärkste Kraft geworden. | |
Wie kommt es, dass die AfD bei der Bürgerschaftswahl viel weniger Stimmen | |
geholt hat als bei der Bundestagswahl? | |
Martin: Im Bundestagswahlkampf konnte die AfD viele Nichtwähler:innen | |
mobilisieren. Es kamen 1,8 Millionen Stimmen aus dieser Gruppe. Außerdem | |
wanderten 1,1 Millionen von der CDU zur AfD. Dieser Mobilisierungserfolg | |
der AfD war bei der Hamburg-Wahl deutlich weniger stark. | |
taz: Aber die Wahlbeteiligung war bei dieser Hamburg-Wahl mit 68 Prozent | |
höher als bei der letzten Wahl 2020. | |
Martin: Das stimmt, trotzdem ist davon auszugehen, dass die AfD deutlich | |
weniger Nichtwähler:innen mobilisieren konnte als bei der | |
Bundestagswahl. | |
taz: Anders als im Bund sind in Hamburg kaum Wähler:innen von der CDU | |
zur AfD gewandert. Hat die Hamburger CDU etwas richtig gemacht? | |
Martin: Im Bund ist die CDU mit [3][Friedrich Merz beim Thema Migration] | |
„all in“ gegangen. Im Hamburger Wahlkampf hat das Thema dagegen kaum eine | |
Rolle gespielt. Die CDU hat zwar was von „innerer Sicherheit“ erzählt, aber | |
das Thema Migration weit weniger angesprochen als im Bundestagswahlkampf. | |
In meinen Augen ist das der entscheidende Unterschied und neben den | |
strukturellen Faktoren ein Grund, warum die AfD in Hamburg weniger | |
erfolgreich war. | |
taz: Lassen sich aus dem Hamburger Wahlkampf Lehren für den Umgang mit der | |
AfD auf Bundesebene ziehen? | |
Martin: Ich denke ja. Meine Empfehlung an die anderen Parteien wäre, | |
rationaler über Migration zu sprechen. Sie sollten sich nicht nur von | |
Ereignissen treiben lassen, Migration auch als Chance diskutieren und | |
andere Themen nicht vernachlässigen. | |
taz: Ging das denn nach den Anschlägen in [4][Magdeburg] und [5][München] | |
und dem [6][Amoklauf in Aschaffenburg]? | |
Martin: Natürlich muss man auf Mordanschläge wie in Magdeburg und | |
Aschaffenburg reagieren. Aber es ist doch auch richtig, dass es absolute | |
Sicherheit nicht geben kann, dass es Messerangriffe auch geben kann von | |
Leuten ohne Migrationshintergrund und dass es nicht nur den einen Weg gibt, | |
als Politik auf solche Ereignisse zu reagieren. Mit der Konzentration auf | |
das Thema Migration im Wahlkampf wurde den extremen Rechten ihr Leib- und | |
Magenthema auf dem Silbertablett serviert. Die Politikwissenschaft erklärt | |
seit Jahrzehnten: Wenn das Kernthema einer extrem rechten Partei stark | |
gemacht wird, dann stärkt das die Partei und nicht die Partei, die es | |
aufgreift. | |
4 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://politischeoekonomie.com/macht-sparen-rechts-und-warum/ | |
[2] /Buergerschaftswahl-Hamburg-in-Zahlen/!6064137 | |
[3] /Migrationsplan-mit-AfD-Stimmen/!6066347 | |
[4] /Anschlag-in-Magdeburg/!6059951 | |
[5] /Anschlag-in-Muenchen/!6066735 | |
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## AUTOREN | |
Amira Klute | |
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