# taz.de -- Historiker über neue Rom-Begeisterung: „Der Bezug aufs Imperium … | |
> Ludwig van Beethovens Antikenverehrung lebt: als Verherrlichung römischer | |
> Kaiser. Warum, erklärt ein Vortrag zum „Eroica“-Konzert in Hamburg. | |
Bild: Meister der Propaganda: Kaiser Augustus, hier eine Büste einer Ausstellu… | |
taz: Herr Brockkötter, was hat das alte Rom mit Beethovens „Eroica“ | |
-Sinfonie zu tun? | |
Philipp Brockkötter: Beethoven selbst hat Napoleon, dem er die | |
„Eroica“-Symphonie, also die „Heroische“, zunächst widmete, mit römis… | |
Konsuln verglichen, von denen er wohl eine romantisch-demokratische | |
Vorstellung hatte. Als sich [1][Napoleon] 1804 zum Kaiser krönte, widerrief | |
Beethoven die Widmung. Mein ins Konzert eingestreuter Slam-Beitrag greift | |
diesen Bezug zu großen Persönlichkeiten der Antike in Person des Augustus | |
auf – genauer: warum er von seinen Nachfolgern nachgeahmt wurde. Im Übrigen | |
ist die Bezugnahme auf das antike Rom heute wieder aktuell. | |
taz: Inwiefern? | |
Brockkötter: Facebook-Gründer [2][Mark Zuckerberg] ist ein Bewunderer des | |
Augustus, der nach Weltfrieden gestrebt habe, dafür aber „einiges tun | |
musste“. Dieser Satz ist an Ironie kaum zu überbieten. Denn mit „einiges | |
tun“ sind die römischen Bürgerkriege gemeint, die Hunderttausende oder gar | |
Millionen Menschen das Leben kosteten. Und auch das Geschäftsgebaren von | |
Facebook wird ja mitunter als imperialistisch bezeichnet. | |
taz: Und Elon Musk irritierte bei Trumps Inaugurationsfeier mit dem | |
„römischen Gruß“. | |
Brockkötter: Ja, und er sah vielleicht nicht zufällig aus wie ein | |
Hitlergruß. Ein enger Vertrauter [3][Musks] in Italien soll dazu in einem | |
später gelöschten Post auf der Social Media-Plattform X geschrieben haben: | |
„Das Römische Reich ist zurück, angefangen mit dem römische Gruß“. Musk | |
selbst soll in einer Diskussion um Einflussnahmen anderer Staaten auf die | |
amerikanische Politik gesagt haben, man brauche vielleicht wieder jemanden | |
wie den römischen Diktator Sulla. Beide Beispiele zeigen, wie groß die | |
Rezeption der Antike und deren argumentativer Einsatz immer noch ist, wobei | |
die tatsächlichen Hintergründe kaum eine Rolle spielen: So ist der | |
„römische Gruß“ durch die Faschisten bekannt, und Sulla war ein brutaler | |
Herrscher und Erfinder der Proskription – dem öffentlichen Aushängen der | |
Namen politischer Gegner, die dann jeder töten durfte. Der Bezug auf das | |
römische Imperium lässt sich in der gesamten Geschichte verorten – von Karl | |
dem Großen über [4][Mussolini,] der sein ganzes Leben mit Augustus | |
parallelisiert hat, bis in die heutige Zeit. | |
taz: Ein Beispiel? | |
Brockkötter: Da wäre zum Beispiel ein TikTok-Trend von 2023. Da fragten | |
Frauen ihre Männer: „Wie oft denkst du an das römische Reich?“ Die Antwort | |
war dann „dreimal täglich“ oder „fünfmal täglich“ oder ähnlich. Imm… | |
wieder aufgegriffen wird auch die Imitatio Augusti, die Nachahmung des | |
Augustus. | |
taz: Das heißt? | |
Brockkötter: Die Römer waren ein konservatives Volk nach dem Motto „früher | |
war alles besser“. Alles, was die Vorfahren getan hatten, war demnach, | |
überspitzt ausgedrückt, per se richtig. Augustus und seine Nachfolger | |
ersetzten das durch „Alles, was Augustus gemacht hat, ist richtig“, und | |
damit gewann man gewissermaßen jeden Diskurs. Dabei kam es gar nicht auf | |
Augustus’ wirkliche Taten an, es ging nicht um historische Akkuratesse, | |
sondern um das, was die meisten dafür hielten. | |
taz: Markiert Augustus’ Herrschaft eine Zeitenwende? | |
Brockkötter: Ja, und so hat er sich auch selbst gesehen. Er sprach gern vom | |
Goldenen Zeitalter, das er ausgerufen habe. In der Tat endet mit Augustus | |
die Republik, und die Kaiserherrschaft als politisches System beginnt. Sein | |
Narrativ war, er habe die Römer aus den [5][Bürgerkriegen] gerettet, in | |
ruhiges Fahrwasser geführt, die Republik wieder hergestellt. Dabei hatte er | |
die Bürgerkriege sehr brutal beendet, und seine „Ruhe“ war eine Grabesruhe: | |
Die großen Familien der Republik waren mehr oder weniger ausgerottet, und | |
es gab zunächst niemanden mehr, der ihm gefährlich werden konnte. | |
taz: Welche Rolle spielte Augustus’ Herrscherkult? | |
Brockkötter: Eine gravierende; er setzte [6][Propaganda] sehr effektiv ein. | |
Er war wohl der erste Römer, den jeder im Reich mal gesehen hatte – sei es | |
auf Münzen, als Büste oder als Statue im öffentlichen Raum. Hinzu kamen | |
Dichter, die große Epen zu seinem Ruhm verfassten. Vergils „Aeneis“, das | |
große Staatsepos von Rom, entstand zur Zeit Augustus’, und die Hauptfigur, | |
der Held Aeneas, ist auf Augustus zugeschnitten. | |
taz: Ist Augustus auch wegen solch effektiver Propaganda ein beliebtes | |
Vorbild? | |
Brockkötter: Das spielt sicherlich eine große, aber nicht die einzige | |
Rolle. Zudem ist Augustus nicht das einzige beliebte Vorbild aus dem | |
antiken Rom – man denke an Caesar, seinen Adoptivvater, der insbesondere | |
für sein militärisches Geschick bewundert wird. Augustus ist hingegen zwar | |
einer der größten Expansionisten der römischen Zeit, zugleich aber eher | |
Politiker. Seine Schlachten schlug sein Freund Agrippa. Wichtig ist daher | |
auch seine Rezeption als Schöpfer der Kaiserherrschaft, die als Synonym des | |
Imperiums gilt, das man gern mit der eigenen Situation analogisiert, zumal | |
viele Staaten noch eine imperialistische Grundhaltung besitzen – unter | |
Trump vermehrt auch wieder die USA. Deren politisches System nimmt von | |
Beginn an viele Anleihen in Rom: Der Name „Kapitol“ stammt aus Rom, seine | |
Kuppel ist an Bauten wie dem Pantheon orientiert, und alle Städte und | |
Staaten, die Senate haben oder Republik heißen, beziehen sich auf die | |
römische Res Publica. | |
taz: Hat die Begeisterung für das alte Rom auch mit aktuellen rechten | |
Tendenzen zu tun? | |
Brockkötter: Ich glaube, dass sich in einer Krisenstimmung, die wir gerade | |
haben, schnell die Suche nach der guten alten Zeit oder einem Symbol der | |
Stärke und Ordnung aufdrängt, die zugleich so weit zurückliegt, dass man | |
sie gefahrlos bewundern kann. Wir brauchen irgendetwas aus der | |
Vergangenheit, das wir als positiv empfinden und über die Gegenwart stülpen | |
können. Und am Beginn der römischen Kaiserzeit wurde etwas groß im Sinne | |
von „wir werden auch wieder groß“. Dabei geht es auch um bis heute wirkende | |
Sehgewohnheiten: Trump wurde kürzlich auf dem „Spiegel“-Titel mit | |
Lorbeerkranz als Imperator dargestellt – auch das ist eine Anspielung auf | |
das antike Rom, die ihm, wenngleich kritisch gemeint, sicherlich nicht | |
missfallen würde. Der Imperator gilt als der starke Mann. Da spielte und | |
spielt vermutlich auch [7][toxische Männlichkeit] eine Rolle. | |
16 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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