# taz.de -- Die Wahrheit: Ducker unter derbem Druck | |
> Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (Folge 212): Die | |
> eleganten Antilopen waren im südlichen Afrika früher allgegenwärtig. | |
Bild: Scheu und ein Lieblingstier der Autorin Doris Lessing: die Duckerantilope | |
Die Ducker sind im südlichen Afrika beheimatete Antilopen, unseren Rehen | |
ähnlich. Ihr Name ist holländisch und heißt übersetzt Taucher. Wikipedia | |
schreibt: „Obwohl die Ducker weitgehend unbekannt sind, handelt es sich bei | |
ihnen um ein sehr artenreiches Taxon.“ | |
Für die ab 1925 im damaligen Südrhodesien auf einer Farm groß gewordene | |
Schriftstellerin Doris Lessing waren sie alles andere als unbekannt. Sie | |
arbeitete dort auch als Sekretärin eines parlamentarischen Ausschusses und | |
tippte Berichte über die Ausrottung der Tsetsefliege und das Vorgehen der | |
Jäger, die Hunderttausende Stück Wild abschossen – vornehmlich für die | |
Versorgung englischer Kolonialsoldaten mit Fleisch und dann auch für deren | |
Kriegsgefangene. | |
Anfang der sechziger Jahre zog Doris Lessing nach London. Als Kommunistin | |
hatte sie dann bis 1982 Einreiseverbot in Südafrika und Südrhodesien. Bis | |
1992 besuchte Lessung viermal ihre alte Heimat. In ihrem Buch darüber, | |
„Rückkehr nach Afrika“ (1994), schreibt sie, dass die Jäger alle möglich… | |
Antilopen abschossen, aber „besonders Duckerantilopen, diese leichtfüßigen, | |
eleganten Geschöpfe mit den feuchten dunklen Augen, die einst so zahlreich | |
waren, dass man keinen Meter gehen konnte, ohne auf eine zu stoßen“. | |
Wikipedias Bemerkung, dass die Ducker „waldbewohnende Antilopen“ sind, | |
stimmt nicht: Erst die massive Jagd trieb sie wie auch die europäischen | |
Rehe in die Wälder, die wie die Wälder hier immer weniger wurden. Im | |
Jagdjahr 2022/23 wurden in Deutschland 1.305.828 Rehe geschossen. In | |
Afrika hatten Hungernde laut cifor.org die Ducker als „Bushmeat“ bis Mitte | |
der neunziger Jahre fast ausgerottet. | |
## Schlecht erforschte Spezies | |
Diese Antilopen „versorgen traditionell unzählige afrikanische | |
Dorfmahlzeiten mit Proteinen. Sie sind des ungeachtet ein relativ schlecht | |
erforschtes Taxon“, heißt es in einer Zusammenfassung des Buches „Duikers | |
of Africa“ (2005) von Vivian J. Wilson. Sie ist dem gnusletter (5/2013) | |
zufolge „one of Africa’s great self-taught field zoologists“ und verbrac… | |
über ein Jahrzehnt damit, in mehr als 20 Ländern in Afrika südlich der | |
Sahara Ducker zu beobachten und ihre Ökologie sowie ihre Bedeutung für die | |
ländliche Bevölkerung zu erforschen. „Viele Informationen über Ducker | |
sammelte sie auf Buschfleischmärkten, wo die Tiere zum Verkauf angeboten | |
wurden, und indem sie lokale Jäger begleitete.“ | |
Bei Doris Lessings erstem Besuch in der Heimat war Simbabwe, das einstige | |
Südrhodesien, bereits unabhängig. Sie traf unter anderem ihren Bruder auf | |
dessen Farm. Er klagte, die Farmer in der Nachbarschaft hätten den Busch | |
gerodet und Obstbäume gepflanzt. Der Busch sei nur noch etwas, was das Land | |
zwischen zwei Farmhäusern füllt: ein „Vorortbusch“. Außerdem gebe es zu | |
viele Hunde, die zum Beispiel „den Pythonschlangen das Leben schwer machen. | |
Aber meine Python gibt es noch. Und auch ein Paar Duckerantilopen“, | |
erzählte er. | |
Als es dunkel wurde, ging Lessing in des Bruders Garten und hoffte, eine | |
Duckerantilope zu sehen. „Aber es waren keine in der Nähe.“ Ihr Bruder | |
konnte sich an vieles aus der Kindheit nicht mehr erinnern, etwa dass die | |
beiden zwischen Felsen liegend den Wildschweinen zugesehen und bei | |
Sonnenuntergang im hohen Gras versteckt auf die Ducker gewartet hatten. | |
Dass diese wie die hiesigen Rehe zu Nachttieren geworden waren, lässt sich | |
ebenfalls auf den Verfolgungsdruck durch Jäger zurückführen. | |
Die Farmen der Weißen im einstigen Südrhodesien waren riesig, nur wenige | |
wurden nach der Unabhängigkeit von Simbabwes erstem Präsidenten Mugabe | |
enteignet. Lessing besuchte bei ihrer zweiten Reise eine Farm, auf der auch | |
Tabak angebaut wurde. Der Besitzer zeigte ihr sein Anwesen: „Mitten auf | |
einem Feld“ sah sie, „ein paar Ducker grasen. Normalerweise verstecken sie | |
sich tagsüber an schattigen Plätzen und grasen nur nachts. Sie hier in der | |
Mittagshitze zu sehen bringt meine Vorstellung von der Ordnung der Dinge | |
durcheinander.“ | |
Viele Farmer haben „Gun-boys“, die jede Nacht Wildschweine und Paviane | |
jagen, die ihre Felder plündern. Ein Kaffeefarmer hat keinen: „Das ist | |
nicht mehr nötig“, erklärt er ihr 1988. „Gott sei Dank gibt es heute wied… | |
Leoparden in den Bergen, und die nehmen uns die Arbeit ab.“ Lessing | |
erfährt, „dass nach der Unabhängigkeit Dorfbewohner in den Busch gingen und | |
alle Tiere abschlachteten, die ihnen über den Weg liefen: Sorge um Tiere | |
wurde mit weißen Werten assoziiert. Sorge um Tiere, Gleichgültigkeit | |
gegenüber den Schwarzen.“ | |
## Schutz für Trophäenjäger | |
Richteten die Weißen Schutzgebiete für Wildtiere ein, die späteren | |
Nationalparks, dann geschah das für Trophäenjäger, und das waren fast alle | |
Weißen in den Kolonien. Die Einheimischen wurden, lagen ihre Dörfer in | |
Schutzgebieten, umgesiedelt. 2023 zeigte das Humboldt Forum den Film einer | |
weißen Südafrikanerin über eine Gruppe von schwarzen Schülerinnen aus einem | |
Dorf direkt an einem Wildtierreservat, deren Großeltern man daraus | |
vertrieben hatte. | |
Die Mädchen hatten bis zu den Dreharbeiten das Reservat nie betreten, auch | |
wussten sie nichts über die darin lebenden Tiere. Doris Lessing erzählte | |
1989 einem jungen Lehrer, der nicht wusste, wie das Land aussah, als sie | |
jung war, der Busch sei noch voller Tiere gewesen, „vor allem | |
Duckerantilopen“. | |
Als man 1951 in Tansania mit Bernhard Grzimeks finanzieller Hilfe den | |
Serengeti-Nationalpark gründete, wurden einige Tausend Massai und ihre | |
Rinder daraus vertrieben. 2022 wollte man auch noch etliche Massai aus dem | |
Ngorongoro-Schutzgebiet vertreiben, sie wehrten sich jedoch, ein Mann wurde | |
dabei von der Polizei erschossen. Die Elefantenforscherin Cynthia Moss kann | |
für die Armutswilderei oder das Speeren der Elefanten durch junge Massai, | |
zu deren Mannbarkeitsritual dies gehört, zur Not noch Verständnis | |
aufbringen, nicht jedoch für den Elefantenmord der reichen Sportjäger. | |
In Simbabwe werden jährlich circa 240 Elefanten getötet sowie rund 300 | |
Leoparden – und unzählige Ducker. Doris Lessing erfuhr damals, dass vor dem | |
Ersten Weltkrieg die Züge nach Norden einfach anhielten, wenn Wild | |
auftauchte. „Man konnte dann rausspringen und zum Beispiel eine | |
Duckerantilope schießen. Das Fleisch wurde unter den Fahrgästen verteilt.“ | |
1988, im Zug in die simbabwische Hauptstadt Harare sitzend, sieht sie zwei | |
Mädchen am Fenster stehen, die den „vorbeiziehenden Busch betrachten. | |
Zwischen Eukalyptusbäumen grasen ein paar Duckerantilopen.“ Es gab sie also | |
damals noch. Die schnell wachsenden Eukalyptusbäume hat man jedoch anstelle | |
der gefällten einheimischen Bäume gepflanzt. | |
24 Feb 2025 | |
## AUTOREN | |
Helmut Höge | |
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