# taz.de -- Wahlkampf vor Bohrplattform: Grüne nehmen Kurs auf Gasausstieg | |
> Umweltministerin Lemke und Grünen-Parteichef Banaszak warnen auf Borkum | |
> vor den Folgen einer Gasförderung für Klima und Natur. Die fossilen Pläne | |
> dürften nicht Realität werden. | |
Bild: Steffi Lemke und Felix Banaszak teilen die Besorgnis der Borkumer bezügl… | |
Borkum taz | Die Nordsee wird rauer, als die Fähre nordwestlich der Insel | |
Borkum Kurs auf die Bohrinsel nimmt. „Jetzt weiß ich, was mit Wellengang | |
gemeint war“, sagt Felix Banaszak, Parteivorsitzender der Grünen, und | |
blickt auf das schäumende Meer. Umweltministerin Steffi Lemke schmunzelt: | |
„Lassen wir ihn in dem Glauben.“ Dann hebt sie das Fernglas. „Da kommt no… | |
was auf uns zu.“ | |
Noch zwei Wochen bis zur Wahl, und die Grünen sehen die Bewältigung der | |
ökologischen Krisen im Wahlkampf über Bord gegangen. Banaszak will das | |
ändern. Deshalb besuchen er und Lemke Borkum – und setzen mit einer | |
Bootsfahrt ein Zeichen gegen die [1][geplante Gasförderung vor der Küste]. | |
## Klimapolitisch falsches Signal | |
Der Ort ist bewusst gewählt: Das niederländische Unternehmen One-Dyas hat | |
die Genehmigung erhalten, hier ein Gasfeld zu erschließen. Nur das | |
Unterseekabel zur Stromversorgung der Plattform fehlt noch. Doch seit zwei | |
Jahren regt sich Widerstand: Umweltverbände, Klimaschützende und | |
Inselbewohner*innen protestieren gegen das Projekt vor der | |
ostfriesischen Insel. Wissenschaftler*innen und Energieexperten an | |
Bord der Ausfahrt zeigen sich besorgt. | |
„Neue Gasfelder in Deutschland sind weder notwendig noch sinnvoll“, | |
kritisiert Simon Müller, Berater für Klima- und Energiepolitik. | |
„Klimapolitisch senden sie ein völlig falsches Signal.“ Die geplante | |
Fördermenge von 5 bis 13 Milliarden Kubikmetern klinge viel, doch allein im | |
vergangenen Jahr wurden Windkraftanlagen genehmigt, die das 15- bis | |
45-fache an Wärme liefern könnten. Zudem sinke die Gasnachfrage in | |
Deutschland, während sich auf internationalen Märkten eine Überversorgung | |
abzeichne. „Dieses Projekt wird schlicht nicht gebraucht.“ | |
Der Meeresbiologe Lars Gutow vom Alfred-Wegener-Institut warnt vor den | |
ökologischen Risiken: Der Eingriff in die sensible Natur sei zu groß, | |
seltene Riffe und die Artenvielfalt unter Wasser würden gefährdet. Es | |
bestehe die Gefahr von Hohlräumen und Erdbeben. Peter Lechner, Besitzer | |
eines denkmalgeschützten Hauses auf Borkum, sorgt sich um den Tourismus: | |
„Jeder Borkumer arbeitet direkt oder indirekt in der Branche. Wird hier | |
eingegriffen, sind Existenzen in Gefahr.“ | |
Mara Kleine von Fridays for Future und Mitglied im Bundesvorstand der | |
Grünen Jugend formuliert es noch schärfer: „Es ist offensichtlich absurd, | |
mitten im Nationalpark Wattenmeer ein Gasfeld zu errichten. Wir brauchen | |
und wollen es nicht. Distanzieren wir uns und verhindern es“, fordert sie | |
die Grünen-Spitze auf. | |
Als die Gasplattform in Sicht kommt, wollen Banaszak und Lemke dem | |
nachkommen. Doch dreieinhalb Meter hohe Wellen schaukeln die Fähre hin und | |
her. Gischt peitscht über das Deck, Banaszak und Lemke klammern sich an die | |
Reling. | |
## Gasförderung bis 2035 beenden | |
Beim Landgang auf Borkum verkünden die beiden dann, dass sich die Grünen | |
für einen Ausstieg aus der heimischen Förderung von Öl und Gas bis 2035 | |
einsetzen wollen. Im Bundestagswahlprogramm fehlt diese Passage bislang, | |
dort ist nur die Rede davon, die Nutzung von fossilem Gas „schrittweise“ zu | |
reduzieren und „so schnell wie möglich, spätestens bis 2045“ auszusteigen, | |
um die Klimaziele zu erreichen. | |
Lemke verweist auf Fortschritte beim Meeresschutz in dieser | |
Legislaturperiode: ein Aktionsprogramm zur Renaturierung, die erste | |
Nullnutzungszone auf See. „Aber es kommt darauf an, dass wir diese Schritte | |
nicht wieder rückgängig machen, sondern ausbauen“, sagt sie. „Es geht vor | |
Borkum nicht nur um Natur- und Klimaschutz – sondern auch um den Schutz | |
unserer Heimat.“ | |
Geht es nach den Grünen, dürfte die Plattform nicht in Betrieb gehen. Die | |
Gasförderung sei ein „Symbol für verfehlte Energiepolitik“, sagt Parteich… | |
Banaszak, die Alternative – der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren – | |
längst vorhanden. | |
Jakob Blasel, Co-Vorsitzender der Grünen Parteijugend, wertet das als | |
Erfolg der Klimabewegung Fridays for Future und seiner Organisation, die | |
seit Monaten in der Frage Druck auf die Partei gemacht haben. Allerdings | |
hatte der grüne Vizekanzler Robert Habeck in der Ampelkoalition selbst für | |
den Ausbau der Gasinfrastruktur gesorgt. | |
## Genehmigung für Unterseekabel fehlt | |
Doch der wahre Gegner sitzt nicht mit an Bord. Die Gaslobby, Union und FDP | |
sehen in der heimischen Gasförderung eine notwendige „Brückentechnologie“. | |
Auch Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil, der eine rot-grüne | |
Landesregierung anführt, zeigt sich offen für das Projekt. | |
Laut One-Dyas fehlt nur noch die Genehmigung für das Seekabel zum | |
nahegelegenen Windpark, um die Bohrinsel mit Strom zu versorgen. Dagegen | |
hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) geklagt, da die Leitung den | |
Meeresboden und geschützte Steinriffe zerschneidet. Alle anderen | |
Installationsarbeiten seien abgeschlossen, die nötigen Genehmigungen von | |
Deutschland und den Niederlanden erteilt. Lediglich eine bilaterale | |
Vereinbarung zwischen beiden Ländern stünde noch aus. Wirtschaftsminister | |
Habeck will laut Medienberichten erst mögliche Gerichtsentscheidungen | |
abwarten, bevor er die Vereinbarung unterzeichnet. | |
Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Sascha | |
Müller-Kraenner, fordert Niedersachsens grünen Umweltminister Christian | |
Meyer auf, „klare Kante“ zu zeigen und die Verlegung des Seekabels nicht zu | |
genehmigen. Meyer solle seinen Ermessensspielraum nutzen, um den Start der | |
Gasförderung zu blockieren. | |
Lemke hält dagegen: „Das ist keine Entscheidung, die nur die Grünen oder | |
ein Umweltminister allein treffen. Solche Entscheidungen werden gemeinsam | |
in der Landesregierung getragen.“ Offenbar wartet der wahre Sturm an Land. | |
8 Feb 2025 | |
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[1] /Konflikt-um-Gasfeld-vor-Borkum/!6029131 | |
## AUTOREN | |
Maximilian Arnhold | |
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