# taz.de -- 5. Jahrestag des Anschlags: „Die Stadt Hanau ist schuldig“ | |
> Am fünften Jahrestag des rassistischen Anschlags gedenken die Angehörige | |
> der Opfer. Sie üben scharfe Kritik an den ebenfalls anwesenden | |
> Politikern. | |
Bild: Angehörige trauern auf dem Friedhof in Hanau am 19.02.2025 | |
Hanau taz | Am fünften Jahrestag des rassistischen Anschlags fand am | |
Mittwoch in Hanau eine offizielle Gedenkstunde statt. Neben den Angehörigen | |
nahmen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Hessens Ministerpräsident | |
Boris Rhein (CDU) und [1][Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD)] | |
teil. | |
Auf der Veranstaltung kritisierten die Angehörigen unter anderem die Stadt | |
Hanau und die Politik scharf. „Sie können nicht wissen, wie ich in den | |
letzten fünf Jahren gelebt habe. Seit fünf Jahren bleibt mir jedes Essen im | |
Hals stecken. Sedat kann nichts mehr essen“, so Emis Gürbüz, die bei dem | |
Anschlag ihren Sohn Sedat Gürbüz verlor. Sie forderte, die Verantwortlichen | |
zur Rechenschaft zu ziehen, und betonte: „Die Stadt Hanau trägt die | |
Verantwortung für den 19. Februar 2020 und sie ist schuldig.“ | |
Zuvor habe der Täter Briefe geschrieben, die die Stadt ignorierte. Auch | |
gegen die verschlossene Notausgangstür sei nichts unternommen worden. „Die | |
Fehler, Versäumnisse und Fahrlässigkeiten der Stadt Hanau haben neun jungen | |
Menschen das Leben gekostet“, sagte Gürbüz und verlangte, dass die Stadt | |
ihre Verantwortung anerkennt, denn: „Hätte die Stadt ihre Aufgaben | |
ordnungsgemäß erfüllt, wären diese Kinder heute am Leben.“ Sie kritisiert… | |
dass die Stadt den Mord an ihrem Kind nutze, um mit Projekten Millionen zu | |
kassieren. Sie und andere Familien lehnten das geplante Mahnmal ab, da es | |
nicht ihren Wünschen entspreche und am falschen Ort liege. | |
Said Etris Hashemi, der seinen Bruder verlor und selbst verletzt wurde, | |
mahnte die Politik: „Mitten im Wahlkampf wird die Frage der Migration nicht | |
als Frage der Menschlichkeit betrachtet, sondern als eine Art Wettbewerb, | |
wer am schnellsten und am meisten abschieben kann.“ Fünf Jahre nach Hanau | |
spreche kaum jemand über die Menschen, die in Angst leben müssen. | |
## Steinmeier bedauert | |
Auch [2][Çetin Gültekin], dessen Bruder ebenfalls Opfer des Anschlags | |
wurde, kritisierte den anhaltenden Rechtsruck: „Vor fünf Jahren wurde Hanau | |
als Zäsur bezeichnet. Jetzt tobt ein rassistischer Wahlkampf. Er wird von | |
der AfD angetrieben, und andere Parteien machen mit.“ Er erinnerte | |
[3][Bundespräsident Steinmeier an sein Versprechen am ersten Jahrestag]: | |
„Ich frage Sie, wo war und wo ist die Bringschuld geblieben?“ | |
Bundespräsident Steinmeier rief zum Engagement gegen Menschenfeindlichkeit | |
auf: „Es ist an uns, Menschenfeindlichkeit, Hass und Gewalt entschlossen | |
entgegenzutreten.“ Die Morde seien nicht aus dem Nichts geschehen. | |
Ressentiments gegen Muslime, Juden, Sinti und Roma sowie Hass im Internet | |
vergifteten das gesellschaftliche Klima. Steinmeier bedauerte, dass einige | |
Angehörige den Eindruck gehabt hätten, den Staat zur Aufklärung drängen zu | |
müssen. | |
Der Untersuchungsausschuss im Hessischen Landtag habe Versäumnisse und | |
Fehler von Behörden und Polizei gezeigt. Es schmerze ihn, dass sich die | |
Angehörigen respektlos behandelt fühlten. „Im Namen der Bundesrepublik sage | |
ich heute: Wir tragen Verantwortung, dass die Opfer einer solchen Gewalttat | |
die Anteilnahme erhalten, die sie brauchen.“ | |
Am 19. Februar 2020 tötete Tobias R. in Hanau neun Menschen, seine Mutter | |
und sich selbst. Am vergangenen Samstag demonstrierten in der hessischen | |
Stadt etwa 1.000 Menschen unter dem Motto „Erinnern heißt verändern“. Die | |
Initiative 19. Februar organisierte eine eigene Gedenkveranstaltung mit | |
rund 400 Teilnehmern, darunter Angehörige anderer rechtsterroristischer | |
Anschläge, wie Semiya Şimşek, deren Vater vom NSU ermordet wurde. (mit afp) | |
19 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Yağmur Ekim Çay | |
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