| # taz.de -- Umweltverschmutzung in Mexiko: Toxische Beziehungen | |
| > Industrieabfälle verseuchen den Atoyac-Fluss in Mexiko. Unter den | |
| > Verschmutzern sind auch deutsche Firmen, die von laxen Vorschriften | |
| > profitieren. | |
| Bild: Chemie aus Deutschland, Gift für Mexiko? | |
| Jetzt stinkt es, aber manchmal hält man es dort gar nicht aus“, sagt | |
| Maribel Rojas am Ufer des Flusses Atoyac. Seit sechs Jahren ist sie | |
| Pastorin hier in der Region des Alto Atoyac. In dieser Zeit hat sie | |
| gesehen, wie sich das Wasser des Flusses blau, rot, violett oder schwarz | |
| färbt. Wird es ganz schwarz, kommen die Tiere der Umgebung nicht einmal in | |
| die Nähe. | |
| Die 32-Jährige beobachtet den heute violett gefärbten Fluss mit | |
| Resignation. „Früher konnte man hier baden und Wasser trinken. Es war | |
| kristallklar.“ Neben ihr laufen sechs verkümmerte Kühe, ein kleines Pony | |
| und ihre Hunde ruhelos am Ufer auf und ab. „Es sind die Unternehmen, die | |
| ihre Chemikalien freisetzen. Und als Bürger können wir nichts tun“, sagt | |
| sie. | |
| Das Alto-Atoyac-Becken in Mexiko erstreckt sich über 4.000 Quadratkilometer | |
| in den Bundesstaaten Tlaxcala und Puebla, Heimat von über drei Millionen | |
| Menschen. Die mexikanische Regierung hat das Gebiet zur sozioökologische | |
| Notstandszone erklärt. [1][2023 wies ein Bericht] des Nationalen | |
| Wissenschafts- und Technologierates erschütternde gesundheitliche Folgen im | |
| Zusammenhang mit industrieller Verschmutzung nach. Es ist die erste Analyse | |
| des Alto-Atoyac-Beckens, die solide wissenschaftliche Daten dafür liefert. | |
| Die Sterberaten durch chronische Nierenerkrankungen bei Menschen im Alter | |
| von 15 bis 49 Jahren sind hier bis zu fünfmal höher als im nationalen | |
| Durchschnitt. Im Süden von Puebla und Tlaxcala hängen die erhöhten Arsen- | |
| und Metallwerte des Flusses mit akuter Leukämie bei Kindern zusammen. 58 | |
| Prozent dieser Fälle verlaufen tödlich. „Das Auftreten von chronischen | |
| Nierenerkrankungen und Leukämien bei Kindern ist fast immer mit der | |
| Belastung durch Giftstoffe verbunden“, so der Bericht. | |
| ## Giftige Spuren deutscher Firmen | |
| Verursacher dieser Giftstoffe: Industrien und ihre Abwässer. Die | |
| Hauptquellen sind oft schwer zu lokalisieren und stammen vor allem aus der | |
| Automobil-, Chemie-, Elektro- und Textilindustrie. Sie leiten | |
| Schwermetalle, Halbmetalle, organisch-synthetische Verbindungen und | |
| Pestizide in den Atoyac-Fluss. | |
| Am Ufer liegt das Viertel Nueva Alemania (Neues Deutschland). Hier, mit | |
| Blick auf die Vulkane Popocatépetl und Iztaccíhuatl, stehen Werke von | |
| Volkswagen und BASF in Straßen mit Namen wie Frankfurt, Hamburg und Berlin. | |
| María Ocotlán betreibt einen Imbiss in der Münchner Straße. „Der Fluss hat | |
| sich in den letzten zwanzig Jahren verschlechtert“, sagt sie. „Früher haben | |
| die Leute in seinem kristallklaren Wasser ihre Kleidung gewaschen und | |
| gebadet. Jetzt kann man sich nicht einmal mehr die Hände waschen.“ | |
| Seit 2021 prangert eine Koalition von NGOs [2][die Umweltzerstörung] an, | |
| die von multinationalen Konzernen wie Volkswagen, Bayer, BASF und | |
| Thyssenkrupp verursacht werde. Sie wirft ihnen vor, „ihre Spuren auf dem | |
| Territorium und den Körpern der Menschen zu hinterlassen“. | |
| Alejandra Méndez, Direktorin der mexikanischen Menschenrechtsorganisation | |
| Fray Julián Garcés Center, betont den Mangel an Transparenz in den | |
| Industriebetrieben. „Unternehmen wie Volkswagen tragen Verantwortung für | |
| seine Zulieferer in der gesamten Lieferkette“, erklärt sie. VW produziert | |
| keine Autos vor Ort, sondern stellt Einzelteile her. Dabei verlässt es sich | |
| auf eine Lieferkette von Textil- und Chemieunternehmen, die in der Region | |
| ansässig sind. | |
| ## Nierenschäden durch Arsengehalt | |
| Bei einem Treffen mit der Menschenrechtsabteilung von Volkswagen forderte | |
| Méndez von dem Unternehmen Informationen über die in ihren | |
| Fertigungsprozessen verwendeten Stoffe. „Sie lehnten das natürlich ab“, | |
| sagt sie. Solange die Regierungen diese Informationen nicht einfordern, | |
| wird sich nichts ändern. Denn das erschwert, ihnen die Umweltverschmutzung | |
| nachzuweisen. | |
| Dabei ist die Verschmutzung evident: Das Sekretariat für Umwelt und | |
| natürliche Ressourcen berichtete gemeinsam mit der Nationalen | |
| Wasserkommission, dass von achtzehn überwachten Standorten entlang des | |
| Atoyac-Flusses in Puebla und Tlaxcala nur einer als nicht kontaminiert | |
| gilt. | |
| Seit 2011 haben staatliche Messungen gezeigt, dass der Arsengehalt im Fluss | |
| den WHO-Grenzwert weit überschreitet. Giftige Metalle wie Cadmium, Kupfer, | |
| Chrom, Nickel, Blei und Zink überschreiten ebenfalls die | |
| Sicherheitsgrenzwerte und verursachen Nierenschäden, Atemprobleme, | |
| neurologische Schäden und Magen-Darm-Probleme. | |
| Seit Jahrzehnten erleben die Bewohner des Alto-Atoyac-Beckens die Expansion | |
| des Industriekorridors. 1965 siedelte sich Volkswagen an, 1969 kam der | |
| Petrochemiekomplex Independencia, 2016 Audi. Viele leiten ihre Abfälle in | |
| den Fluss, zu den größten Verursachern gehören deutsche Unternehmen. | |
| ## Hoher Wasserverbrauch, giftiges Abwasser | |
| Im Jahr 2020 würdigte Johannes Hauser, Generaldirektor der | |
| Mexikanisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer, die engen | |
| [3][Handelsbeziehungen zwischen dem Bundesstaat Puebla und Deutschland] und | |
| hob die Präsenz von über 180 deutschen Unternehmen in Sektoren wie | |
| Automobil, Chemie, Logistik und Umwelttechnologie hervor. | |
| Zu dieser Zeit war Deutschland Pueblas drittgrößter Handelspartner, und | |
| Puebla galt als der wichtigste mexikanische Standort für deutsche | |
| Auslandsinvestitionen. Im Jahr 2023 exportierte Puebla Waren im Wert von | |
| 3,66 Milliarden Dollar nach Deutschland und erhielt 942 Millionen Dollar an | |
| deutschen Direktinvestitionen. | |
| Das [4][BASF-Werk in Puebla] gleicht einer Festung, umgeben von | |
| Überwachungstürmen und privaten Sicherheitskräften. Im Inneren erstrecken | |
| sich Industrielager auf 220.000 Quadratmetern, mit Rohren und | |
| Schornsteinen, aus denen dichter Rauch aufsteigt. Schilder verbieten die | |
| Verwendung von Mobiltelefonen oder Kameras und unterstreichen die | |
| Geheimhaltung des Standorts. BASF behauptet, Chemie für eine nachhaltige | |
| Zukunft zu machen und sich dabei an Bundesgesetze zu halten. Die Fabrik | |
| produziert hochleistungsfähige chemische Produkte für den Bergbau-, | |
| Luftfahrt- und Automobilsektor. | |
| Laut dem öffentlichen Register für Wasserrechte entnimmt BASF täglich 1.750 | |
| Kubikmeter Wasser – das entspricht dem jährlichen Wasserverbrauch eines | |
| Einwohners im nahe gelegenen Mexiko-Stadt. Außerdem leitet das Unternehmen | |
| jährlich fast 194.000 Kubikmeter Abwasser in den Fluss Atoyac ein, genug, | |
| um 57 olympische Schwimmbecken zu füllen. Eingeleitete Schadstoffe | |
| verschlechtern die Wasserqualität, schädigen Lebewesen und stören die | |
| landwirtschaftliche Nutzung des Flusses, was zu einer Kettenreaktion für | |
| Mensch und Umwelt führt. | |
| ## Unklare Verantwortlichkeit | |
| BASF gibt an, dass seine Kläranlagen rund um die Uhr in Betrieb sind, sie | |
| erscheinen jedoch nicht im staatlichen Verzeichnis der Kläranlagen. Das | |
| Unternehmen erklärt das per E-Mail mit einer speziellen bundesstaatlichen | |
| Genehmigung, das Wasser direkt in den Atoyac zu leiten. Und das Verzeichnis | |
| erfasst nur Anlagen, die Wasser recyceln. Dadurch entsteht eine | |
| Regulierungslücke, | |
| Doch BASF ist nur eines von vielen solcher Unternehmen: Im Jahr 2022 haben | |
| 219 Unternehmen täglich Tonnen von Abfällen in das Atoyac-Becken gekippt | |
| und so die Verschmutzung weiter verschlimmert. Auf der anderen Seite des | |
| Flusses liegt ein Volkswagenwerk, das seit den 1960er Jahren hier Autos | |
| zusammenbaut. Es ist nach eigenen Angaben das „größte Automobilwerk | |
| Mexikos“. | |
| Seit 1996 hat VW im Rahmen einer staatlichen Konzession jährlich 1,5 | |
| Millionen Kubikmeter Wasser entnommen, genug, um 11.000 Menschen ein Jahr | |
| lang zu versorgen. Seit 2004 hat das Unternehmen eine entsprechende | |
| Abwassermenge gemeldet – ausreichend, um 415 olympische Schwimmbecken zu | |
| füllen. Doch VW behauptet, die mexikanischen Vorschriften einzuhalten, und | |
| bestreitet, Beschwerden aus der Bevölkerung über seinen Wasserverbrauch | |
| oder sein Abwasser erhalten zu haben. | |
| Dass sich Unternehmen auf kommunale Abwassersysteme verlassen können und | |
| ihren eigenen Abfall nicht richtig entsorgen, führt die Menschenrechtlerin | |
| Alejandra Méndez auf die Lockerung der Umweltschutzbestimmungen während des | |
| neoliberalen Booms der 1990er Jahre zurück. Damals wurde es den Industrien | |
| ermöglichte, ihre Verantwortung legal zu umgehen. Das ist kein Zufall – die | |
| Lobbyarbeit der Unternehmen prägt seit Langem die Umweltpolitik, zulasten | |
| der öffentlichen Gesundheit. Doch Méndez fordert, die Firmen „müssen sich | |
| um ihren Abfall kümmern“. | |
| ## Viel Geld für Lobbyarbeit | |
| BASF ist ein wichtiger Akteur in der europäischen Chemielobby und gibt laut | |
| offiziellen Registern jährlich fast 5 Millionen Euro für EU-Lobbyarbeit und | |
| weitere 4 Millionen Euro in Deutschland aus. Ähnlich wie der deutsche | |
| Chemieriese Bayer versucht auch BASF Einfluss auf Industrieverbände zu | |
| nehmen. In Brüssel ermöglichen gesponserte Debatten und informelle Treffen | |
| den Unternehmen, Narrative zu kontrollieren und gleichzeitig als legitime | |
| Teilnehmer aufzutreten. | |
| Im Bundesstaat Tlaxcala produziert Bayer Pilzvernichtungsmittel, von denen | |
| über 80 Prozent in die USA und nach Europa exportiert werden. Auch Bayer | |
| behauptet, die offiziellen Abwasservorschriften einzuhalten, und | |
| versichert, dass das Abwasser, das durch die kommunale Kläranlage fließt, | |
| den erforderlichen Standards entspricht. „Wir haben Klarheit über unseren | |
| Wasserverbrauch und die Einhaltung der Umweltvorschriften“, sagt Laura | |
| Tamayo, Kommunikationsdirektorin von Bayer Mexiko, und verweist auf | |
| regelmäßige Inspektionen, unter anderem von der Nationalen Wasserbehörde im | |
| Jahr 2017. | |
| Im April 2024 wurde eine [5][EU-Richtlinie zur Sorgfaltspflicht in Bezug | |
| auf die Nachhaltigkeit] verabschiedet, die für Unternehmen ab 1.000 | |
| Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von über 450 Millionen Euro gilt. Die | |
| Richtlinie verpflichtet sie, Umwelt- und Menschenrechtsrisiken in ihren | |
| Lieferketten zu berücksichtigen, obwohl dies mit erheblichen Betriebskosten | |
| verbunden ist. | |
| Während die EU-Richtlinie erst 2027 oder nach neuesten Vorschlägen der | |
| EU-Kommission sogar erst 2028 in Kraft tritt, gilt das deutsche | |
| Lieferkettengesetz für Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeiterin | |
| bereits seit dem 1. Januar 2024. Demnach sind Unternehmen bereits jetzt | |
| dafür verantwortlich, Menschenrechte einzuhalten und die Umwelt zu | |
| schützen. | |
| ## Wirtschaft vor Gesundheit | |
| NGOs sehen darin ein Potenzial, aber bisher fehlt es ihnen an | |
| grenzüberschreitenden Mechanismen, ihre Klagen und Beschwerden wirklich | |
| durchzusetzen. Das hängt auch mit der nationalen Gesetzgebung zusammen: | |
| Obwohl in der Region über 22.000 Unternehmen tätig sind, sind nur 6.000 | |
| davon verpflichtet, ihre Emissionen an das entsprechende Register zu | |
| melden. Im Jahr 2021 kamen weniger als 225 Unternehmen dieser Verpflichtung | |
| nach. | |
| „In den letzten 60 Jahren wurde die wirtschaftliche Produktion zur | |
| Priorität, was die traditionellen Lebensweisen radikal veränderte und eine | |
| komplexe Realität für die im Becken lebenden Menschen schuf“, erklärt | |
| Rodrigo Gutiérrez, Menschenrechtsforscher an der Universidad Autónoma von | |
| Mexiko (Unam). | |
| Das für die Produktion unverzichtbare Wasser wird von der Nationalen | |
| Wasserkommission verwaltet, die Lizenzen direkt an Unternehmen vergeben | |
| kann. „Das Nationale Wassergesetz wurde 1992 geschaffen, um Unternehmen | |
| Rechtssicherheit zu bieten“, sagt Gutiérrez. Dieser Rechtsrahmen, fügt er | |
| hinzu, sei Teil eines ideologischen Projekts, das darauf abzielte, | |
| nationale Ressourcen mit internationalen Geschäftsinteressen in Einklang zu | |
| bringen. | |
| In der Girasoles-Straße südwestlich von Puebla stagniert der Atoyac-Fluss | |
| unter einer Kruste aus Schadstoffen und schimmert rosa – ein Cocktail aus | |
| chemischen Industrieabfällen. Trotz seines schlammigen Aussehens verwendet | |
| Felipe Pérez dieses Wasser immer noch zur Bewässerung seines ein Hektar | |
| großen Bohnen- und Luzernefelds. | |
| ## Komplexe Schadstoffgemische | |
| Felipe erinnert sich, wie er versuchte, auf dem Markt Zwiebeln zu | |
| verkaufen. Doch wegen ihres bitteren Geschmacks fand er keine Käufer – eine | |
| Folge des verunreinigten Wassers. Ein defektes hydraulisches Pumpsystem, | |
| das inzwischen verlassen und geplündert wurde, steht in der Nähe als Symbol | |
| gebrochener Versprechen. Die Pumpmaschine wurde laut Felipe vor vier Jahren | |
| in Betrieb genommen, funktionierte jedoch nicht und wurde sofort | |
| aufgegeben. „Wir leben einfach weiter“, sagt er. | |
| Weiter flussabwärts liegt der Valsequillo-Damm rissig und öde da. In den | |
| verbleibenden feuchten Stellen erstickt der erhöhte Nährstoffgehalt das | |
| Leben im Wasser, während gelegentlich noch Vögel über die Oberfläche | |
| gleiten. Der Fluss ist wie viele andere in Zentralmexiko voller Schadstoffe | |
| aus Industrie, Haushalt und Landwirtschaft. | |
| Rodolfo Omar Arellano Aguilar ist Doktor für Biowissenschaften und Forscher | |
| an der Unam. Er erklärt: „Wir haben es mit komplexen Schadstoffgemischen zu | |
| tun – organischen Krankheitserregern wie Salmonellen, Coli-, Hepatitis- und | |
| Herpesviren sowie anorganischen Giften wie Arsen, Cadmium, Chrom, Zink und | |
| Nickel.“ | |
| Auch Spuren von Organphosphaten und Organochlorverbindungen wie DDT seien | |
| zu finden, obwohl diese inzwischen verboten sind, denn sie beeinträchtigen | |
| nicht nur das Nervensystem von Insekten, sondern bergen auch Risiken für | |
| die Gesundheit von Menschen. Doch noch immer werden diese Chemikalien als | |
| Pestizide eingesetzt. „Wir haben sogar Glyphosat direkt im Wasser | |
| nachgewiesen, das verantwortungslos eingesetzt wird, um Lilien zu | |
| vernichten oder Moskitos zu töten“, sagt er. | |
| ## Absurd hohe Grenzwerte | |
| In seinem Büro blättert Arellano in einem Buch über die Fischarten im | |
| Atoyac. Heute sind fast all diese Arten verschwunden. „Ausgestorben, | |
| ausgestorben, vom Aussterben bedroht, ausgestorben, vom Aussterben bedroht | |
| …“, kommentiert er. | |
| Arellano erinnert sich an ein Experiment mit Zebrafischembryonen aus dem | |
| Jahr 2012, bei dem Wasserproben aus dem Atoyac so giftig waren, dass sie | |
| fünfzig mal verdünnt werden mussten, damit die Embryonen überlebten. Selbst | |
| dann wiesen sie noch schwere Missbildungen auf. Aber es gehe nicht nur um | |
| Fische und Insekten: „Der Zusammenhang zwischen der Gesundheit des Flusses | |
| und der der Menschen ist verheerend.“ | |
| Ein Problem sei auch, dass die Umweltschutzbestimmungen nicht den Fluss | |
| überwachen, sondern die Abwässer, erklärt er. „Die Industrie muss ihre | |
| Schadstoffe unter bestimmten Werten halten, aber diese Grenzwerte sind | |
| absurd hoch. Darüber hinaus werden die Abwässer in öffentliche Kanäle | |
| abgeführt, sodass es unmöglich ist, herauszufinden, wer dafür | |
| verantwortlich ist.“ | |
| In den 1990er Jahren wurden die Umweltschutzbestimmungen im Rahmen des | |
| [6][US-amerikanisch-kanadisch-mexikanischen Freihandelsabkommens Nafta] | |
| abgeschwächt und von fünfzig Bestimmungen auf nur drei reduziert. Laut | |
| Arellano ist die Textilindustrie mit ihren auffälligen chemischen | |
| Abwässern weiterhin ein Hauptverschmutzer. Vielen kleinen Fabriken fehlt | |
| die Infrastruktur zur Entsorgung ihrer Abfälle, was die Krise verschärft. | |
| ## Eine Strafe Gottes? | |
| Die sozioökologischen Auswirkungen gehen über die Gesundheit hinaus: Sie | |
| stören traditionelle Lebensweisen, zwingen Menschen zur Migration und | |
| drängen sie in prekäre Industriejobs. | |
| Die Umwelt- und Gesundheitsschäden im Alto-Atoyac-Becken die Aufmerksamkeit | |
| von Menschenrechtskommissionen, Ethikgerichten und dem Interamerikanischen | |
| Gerichtshof für Menschenrechte (IACHR) auf sich gezogen. | |
| In San Mateo Ayecac in Tlaxcala, erinnert sich die 51-jährige Alejandra | |
| Ramírez Varela an ihre Kindheit am Fluss. Daran, wie sie Blumen für die | |
| traditionellen Sägemehl-Teppiche sammelte – heute eine unmögliche | |
| Tradition, da das giftige Wasser Pflanzen tötet und Bäume vorzeitig | |
| vertrocknen. Mit der Zeit tauchten immer mehr große Rohre auf, die dicke | |
| schwarze Abwässer in den Fluss leiteten. | |
| Ramírez schloss sich der Nichtregierungsorganisation Atoyac with Life an, | |
| die Wasserproben sammelt. Diese zeigten alarmierende Toxizitätswerte an. | |
| „Viele glauben, Krankheiten seien eine Strafe Gottes, aber Studien | |
| bewiesen, dass sie von Chemikalien im Wasser herrühren“, erklärt sie. | |
| ## Schikane von betroffenen Gemeinden | |
| 2006 reichte die mexikanische Menschenrechtsorganisation Fray Julián Garcés | |
| Center eine Beschwerde beim Lateinamerikanischen Wassertribunal ein. Deren | |
| Direktorin Montero dokumentierte gentoxische Schäden, also Zellschäden, die | |
| mit einem erhöhten Risiko für Krebs und Missbildungen verbunden sind. | |
| Aber noch immer schikanieren die Behörden betroffene Gemeinden und | |
| verteidigen die Industrie. „Sie sagten uns, dass Kinder krank werden, weil | |
| ihre Eltern sich nicht um sie kümmern oder weil sie Cousins heiraten“, sagt | |
| Méndez empört. „Wir sind weder verantwortlich für das, was passiert, noch | |
| schuld daran. Es ist die Industrie. Und man muss es so benennen“, sagt sie. | |
| Die verheerenden Auswirkungen zeigen sich unverkennbar. In einem der | |
| Gewässer, die die Industriekorridore der Bundesstaaten Puebla und Tlaxcala | |
| verbinden, nur wenige Meter von den Schornsteinen der Textilfabriken | |
| entfernt, treibt ein Entenpaar über einen See aus Industrieabfällen. Ihre | |
| weißen Federn sind schwarz gefärbt und hinterlassen eine dunkle Spur im | |
| giftigen Wasser. | |
| Aus dem Englischen von Sabina Zollner | |
| Dieser Artikel wurde mithilfe des Journalismfund Europe finanziert. | |
| 9 Mar 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://secihti.mx/conahcyt-orienta-quehacer-cientifico-y-humanistico-a-la-… | |
| [2] https://www.mexiko-koordination.de/2020/11/05/umweltnotstand-in-mexiko/?l=de | |
| [3] https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/mexiko-node/bilateral-21… | |
| [4] https://www.basf.com/global/de/who-we-are/organization/locations/central-am… | |
| [5] /Von-der-Leyens-Plaene/!6069345 | |
| [6] https://library.fes.de/dignew/stabsabteilung/00503001.htm | |
| ## AUTOREN | |
| Alejandro Saldívar | |
| Marta Montojo | |
| Federica Bordaberry | |
| ## TAGS | |
| Mexiko | |
| Lieferketten | |
| Umweltverschmutzung | |
| Social-Auswahl | |
| Mexiko | |
| Vergiftung | |
| Longread | |
| Lieferketten | |
| Entwicklungszusammenarbeit | |
| Schwerpunkt Glyphosat | |
| Lieferketten | |
| Lieferketten | |
| Lieferketten | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Heftige Niederschläge: Über 60 Tote bei schwerem Unwetter in Mexiko | |
| Nach heftigen Niederschlägen sind viele Orte im Zentrum und Osten Mexikos | |
| von der Außenwelt abgeschnitten. Es wird mit weiteren Unwettern gerechnet. | |
| Studie über Blei im Blut von Kindern: Bergbau kontaminiert Harzer Kinder | |
| Bei über der Hälfte der Kinder im Vorschulalter im Kreis Goslar liegt die | |
| Bleikonzentration über dem Referenzwert. Schuld daran sei der Bergbau. | |
| Ökologisches Projekt in Mexiko: Schäden durch Umweltschutz?! | |
| Auf Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum ruhen große Hoffnungen, besonders | |
| beim Thema Umweltschutz. Ein Vorzeigeprojekt bewirkt auch das Gegenteil. | |
| Menschenrechte in Lieferketten: Friedrich Merz bekommt Gegenwind vom eigenen Vi… | |
| Dass der Bundeskanzler die EU-Lieferkettenrichtlinie abschaffen will, stößt | |
| dem Koalitionspartner auf. Und nicht nur dem: NGOs starten eine Petition. | |
| Deutsche Entwicklungszusammenarbeit: Es braucht ein neues Konzept | |
| Zunehmend richten Staaten ihre Auslandshilfen an nationalen Interessen aus. | |
| Deutschland sollte stattdessen auf eine stabile Weltwirtschaft setzen. | |
| Erfolg der Deutschen Umwelthilfe: Glyphosat-Pestizid vorläufig gestoppt | |
| Ein Pestizid von Monsanto wurde durch das Einschreiten der Deutschen | |
| Umwelthilfe vorläufig verboten. Ob es dabei bleibt, ist allerdings unklar. | |
| Aufweichung der EU-Lieferkettenrichlinie: Deutschlands Einsatz gegen Menschenre… | |
| Kaum verabschiedet, soll die Europäische Lieferkettenrichtlinie wieder | |
| abgeschwächt werden. Treibende Kraft dahinter ist Deutschland. | |
| Abschwächung des EU-Lieferkettengesetzes: Tchibo warnt vor selteneren Menschen… | |
| Auch der Verband der Fertigwarenimporteure kritisiert die Reformpläne. Die | |
| Wirtschaftsvertreter können dem Vorstoß aber auch Gutes abgewinnen. | |
| EU-Lieferkettengesetz aufgeweicht: Wirtschaft vor Menschenrechten | |
| Die EU hat entscheidende Punkte des Lieferkettengesetzes wieder gestrichen. | |
| Die Menschen des Globalen Südens rutschen auf ihrer Prioritätenliste ganz | |
| nach unten. |