| # taz.de -- UNRWA in Jerusalem: Sie machen weiter, so lange es geht | |
| > Das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA darf seit Donnerstag eigentlich nicht | |
| > mehr in Israel agieren. Doch im Gesundheitszentrum in Jerusalems | |
| > besetzter Altstadt bleiben die Türen geöffnet. | |
| Bild: Eine Sicherheitsmaßnahme sei der Abtransport der Autos aus dem UNRWA-Hau… | |
| Jerusalem/Chan Junis taz | Faiza Ahmad Hassan will die vielleicht letzte | |
| Möglichkeit nutzen. Die betagte Frau steht im Gesundheitszentrum des | |
| UN-Palästinahilfswerks UNRWA in der Jerusalemer Altstadt und verstaut | |
| Medikamente in ihren Taschen. „Insulin, Kanülen, all das reicht mir etwa | |
| einen Monat“, sagt die Palästinenserin. Am Donnerstag sind [1][zwei | |
| israelische Gesetze in Kraft getreten], die die Arbeit von UNRWA auf | |
| israelischem Gebiet und israelischen Behörden den Kontakt zum Hilfswerk | |
| verbieten. Was das für dessen Arbeit bedeutet, ist unklar. „Wir waren froh, | |
| dass heute morgen nicht die Polizei vor der Tür stand“, sagt eine | |
| Laborantin, die seit 28 Jahren bei UNRWA in der Altstadt arbeitet und ihren | |
| Namen für sich behalten möchte. | |
| Zwei Tage zuvor im Hauptquartier von UNRWA in Ostjerusalem: Arbeiter laden | |
| weiße Pkw mit dem hellblauen UN-Logo auf einen Transporter. „Noch nie in | |
| unserer Geschichte waren wir in so einer unklaren Situation“, sagt Juliette | |
| Touma, die Kommunikationsdirektorin des Hilfswerks. Die israelischen | |
| Behörden hätten im Vorfeld keinerlei Informationen zur Umsetzung | |
| ausgegeben. | |
| UNRWA habe ein klares Mandat zur Unterstützung palästinensischer | |
| Flüchtlinge in den von Israel besetzten Gebieten. Israel betrachtet die | |
| gesamte Stadt seit ihrer völkerrechtswidrigen Annexion 1980 als | |
| israelisches Staatsgebiet. Das Hauptquartier war in den vergangenen Monaten | |
| mehrfach zum Ziel rechtsextremer Proteste geworden. Die Verlegung der | |
| Ausrüstung sei eine Vorsichtsmaßnahme, sagt Touma. | |
| Israel beschuldigt UNRWA, dass sich rund 30 Mitarbeiter am Überfall der | |
| Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel beteiligt hätten. Die UN entließ | |
| mehrere Beschuldigte umgehend. Zudem sollen Details über rund 100 | |
| Mitarbeiter an die UN übermittelt worden sein, die Mitglieder der Hamas | |
| seien. [2][Der Vorwurf, die 13.000 Beschäftigten im Gazastreifen seien von | |
| der Hamas unterwandert, ist bisher nicht belegt.] | |
| ## Die Stadt Jerusalem könnte UNRWA-Dienste übernehmen | |
| Vielen Israelis ist das Palästinenserhilfswerk ohnehin verhasst. 92 der 120 | |
| Parlamentsabgeordneten hatten die Gesetze Ende Oktober mitgetragen. Eine | |
| weitverbreitete Kritik: UNRWA gebe den Flüchtlingsstatus über Generationen | |
| – und auch über den Erhalt einer neuen Staatsbürgerschaft hinweg – weiter. | |
| Das Hilfswerk widerspricht: UNRWA bestehe auch 75 Jahre nach seiner | |
| Gründung noch, weil eine politische Lösung des israelisch-palästinensischen | |
| Konflikts fehle. | |
| In den vergangenen Monaten hatten israelische Politiker zu verstehen | |
| gegeben, dass sie Israel nicht in der Verantwortung sehen, Aufgaben von | |
| UNRWA zu übernehmen. Völkerrechtlich ist Israel als Besatzungsmacht für die | |
| Versorgung der palästinensischen Bevölkerung verantwortlich. Kurz vor | |
| Inkrafttreten der Gesetze hat die Jerusalemer Stadtverwaltung mitgeteilt, | |
| Alternativen für die UNRWA-Dienstleistungen in Jerusalem anbieten zu | |
| wollen. | |
| Wenige Kilometer von der Jerusalemer Altstadt entfernt liegt [3][das | |
| Flüchtlingslager Schuafat], eingeschlossen von zwei israelischen Siedlungen | |
| und über die Jahrzehnte zu einem Dschungel aus Hochhäusern angewachsen. | |
| UNRWA betreibt hier Schulen, ein Gesundheitszentrum und die Müllabfuhr. | |
| Der junge Arzt Ahmed Issa kommt auch an diesem Donnerstag aus dem | |
| benachbarten Ramallah im Westjordanland zur Arbeit in das | |
| Gesundheitszentrum Schuafat. „Wir haben hier rund 2.500 Patienten jeden | |
| Monat“, sagt der 32-Jährige, der seit 2018 hier arbeitet. Viele von ihnen | |
| würden seit Jahren vom selben Arzt betreut. „Das lässt sich nicht einfach | |
| ersetzen.“ Er werde weiter zur Arbeit kommen, „solange ich durch die | |
| israelischen Checkpoints gelassen werde.“ | |
| ## In Gaza verteilt UNRWA Hilfsgüter, beherbergt Geflohene | |
| Noch härter treffen könnten die israelischen Gesetze den Gazastreifen, wo | |
| nach dem Krieg fast die gesamte Bevölkerung auf Hilfe angewiesen ist. | |
| Sowohl die UNRWA-Leitung als auch viele in Gaza tätige Hilfsorganisationen | |
| sehen das Hilfswerk mit seinen 13.000 Beschäftigten als unverzichtbar an. | |
| Unter den Bewohnern einer zur Notunterkunft umfunktionierten UNRWA-Schule | |
| in Chan Junis sorgen die israelischen Pläne für Angst. „Es wäre eine | |
| Katastrophe“, sagt die 29-jährige Riham al Shami. [4][„Seit wir vor einem | |
| Jahr aus Gaza-Stadt vertrieben wurden], haben wir von keiner anderen | |
| Organisation Unterstützung bekommen.“ Die 45-jährige Zinat al Eshtal stimmt | |
| ihr zu: „UNRWA garantiert eine gerechte Verteilung der Hilfen, im Gegensatz | |
| zu lokalen Familien, die manchmal diese Rolle übernommen haben.“ | |
| „Uns bleibt nur, von Tag zu Tag zu planen“, sagt Touma. Wie sollen künftig | |
| Hilfslieferungen vom israelischen Hafen Aschdod nach Gaza gelangen? Wie | |
| humanitäre Missionen mit der Armee koordiniert? Die UNRWA-Sprecherin | |
| kommentiert trocken: „Trotz solcher Absprachen sind in diesem Krieg mehr | |
| als 260 Mitarbeiter getötet worden. Unsere Teams in Gaza werden | |
| weitermachen.“ | |
| Mitarbeit: Malak Tantesh | |
| 30 Jan 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Israel-gegen-UN-Palaestinenserhilfswerk/!6042743 | |
| [2] /Bericht-zur-Neutralitaet-der-UNRWA/!6006483 | |
| [3] /Wahl-in-Ostjerusalem/!5545662 | |
| [4] /Waffenstillstand-im-Gazakrieg/!6064437 | |
| ## AUTOREN | |
| Felix Wellisch | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Gaza | |
| Ost-Jerusalem | |
| Vereinte Nationen | |
| Social-Auswahl | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Israel | |
| Gaza | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Schwerpunkt Syrien | |
| Gaza | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| +++ Nachrichten im Nahost-Konflikt +++: Laut Hamas Gespräche mit Vermittlern i… | |
| Seit zwei Tagen greift Israel wieder massiv Ziele im Gazastreifen an. Bei | |
| den Angriffen gibt es zahlreiche Tote, darunter UNRWA-Mitarbeiter. | |
| Massaker vom 7. Oktober: Fragwürdige Erinnerungskultur | |
| Das Grauen vom 7. Oktober soll in Israel künftig Schmini-Azeret-Massaker | |
| genannt werden. Das findet die Bevölkerung allerdings nicht gut. | |
| Hamas lässt weitere Geiseln frei: Übergabe diesmal ohne Chaos | |
| Im Zuge des Waffenruhe-Deals werden die nächsten drei aus Israel Entführten | |
| ans Rote Kreuz übergeben. Erstmals seit fast neun Monaten ist der | |
| Grenzübergang Rafah wieder geöffnet worden. | |
| +++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Israel greift Hisbollah im Libanon an | |
| Hamas bestätigt Tötung ihres Militärchefs. Palästinensische Gefangene mit | |
| Verzögerung frei. US-Gesandter hält den Gaza-Streifen für „unbewohnbar“. | |
| Das syrische Palästinenserlager Jarmuk: Zwischen Zerstörung, Versöhnung und … | |
| Das palästinensische Flüchtlingslager Jarmuk im syrischen Damaskus liegt in | |
| Trümmern. Dennoch kehren Bewohner zurück. Viele hoffen auf Versöhnung. | |
| Israels Verbot von UNRWA: In Wagenburgstimmung | |
| Israel verbietet das UN-Hilfswerk UNRWA. Das wird das immense Leid der | |
| palästinensischen Bevölkerung noch weiter vergrößern. | |
| Israel gegen UN-Palästinenserhilfswerk: Nach dem Ende der UNRWA | |
| Das UN-Palästinenserhilfswerk darf nicht mehr in Israel operieren, auch in | |
| Gaza und dem Westjordanland steht sie vor Hürden. Wie geht es nun weiter? |