# taz.de -- Hamas lässt weitere Geiseln frei: Übergabe diesmal ohne Chaos | |
> Im Zuge des Waffenruhe-Deals werden die nächsten drei aus Israel | |
> Entführten ans Rote Kreuz übergeben. Erstmals seit fast neun Monaten ist | |
> der Grenzübergang Rafah wieder geöffnet worden. | |
Bild: Jarden Bibas (m.) ist wieder zurück in Israel. Das Schicksal seiner Fami… | |
Gaza dpa | Die Hamas hat im Zuge einer [1][Waffenruhe-Vereinbarung] drei | |
weitere Geiseln an das Rote Kreuz im Gazastreifen übergeben. Ofer Kalderon | |
(54) und Jarden Bibas (35) kamen in Chan Junis im Süden des Gebiets frei | |
und sind bereits zurück in Israel. Keith Siegel (65) wurde am Hafen der | |
Stadt Gaza im Norden des Küstenstreifens an das Rote Kreuz übergeben, wie | |
auf live-Fernsehaufnahmen zu sehen war. | |
Die israelische Armee bestätigte die Übergabe unter Berufung auf das | |
Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Die drei Männer waren vor 484 Tagen | |
während des Terrorangriffs der Hamas in Israel in den Gazastreifen | |
verschleppt worden. | |
Sie kommen im Rahmen einer Waffenruhe-Vereinbarung zwischen Israel und der | |
islamistischen Hamas frei. Im Gegenzug sollen 183 Palästinenser freikommen | |
– 72 aus israelischen Gefängnissen und 111 nach dem 7. Oktober im | |
Gazastreifen festgenommene Personen. Berichten zufolge soll Israel bei den | |
111 Palästinensern festgestellt haben, dass sie nichts mit dem | |
Hamas-Terrorangriff zu tun haben. Unter den 72 Häftlingen sind | |
palästinensischen Angaben zufolge auch mehrere zu lebenslangen | |
Freiheitsstrafen verurteilte Gefangene. | |
## Keine großen Menschenmengen bei Freilassungen | |
Die beiden Übergaben verliefen im Vergleich zur vergangenen geordnet und | |
zügig. Keine große Menschenmenge hat sich dieses Mal vor Ort versammelt. | |
[2][Bewaffnete und vermummte Hamas-Kämpfer in Uniform säumten eine Straße], | |
durch die das Fahrzeug mit Keith Siegel fuhr. Fernsehaufnahmen zeigten eine | |
Frau, die Rosenblätter und glitzerndes Konfetti in Richtung der | |
Hamas-Kämpfer streut. | |
Vor jeder Übergabe unterschrieben Hamas und Vertreter des Roten Kreuz | |
„Freilassungsdokumente“. Auf weiteren Fernsehaufnahmen war zu sehen, wie | |
Ofer Kalderon und Jarden Bibas nacheinander auf eine Bühne traten und den | |
dort Anwesenden zuwinken mussten. Sie standen dabei vor Plakaten, auf dem | |
getötete Hamas-Führer abgebildet waren. | |
Hinter der Bühne, auf die Keith Siegel zwei Stunden danach am Hafen der | |
Stadt Gaza geführt wurde, war das Mittelmeer zu sehen. Auf einem an der | |
Bühne angebrachten Banner war in hebräischer Schrift zu lesen: „Der | |
Zionismus wird nicht siegen“. | |
Siegel sollte nach seiner Freilassung zunächst zu einem israelischen | |
Militärlager im Süden Israels gebracht werden. Die anderen Männer sind | |
israelischen Angaben bereits zurück in Israel. Alle drei sollten | |
anschließend in Krankenhäuser kommen. | |
In der Küstenmetropole Tel Aviv jubelten etliche Menschen, als sie die | |
Live-Aufnahmen der Übergabe der Geiseln an das Rote Kreuz im Gazastreifen | |
sahen. | |
## Israelische Armee hat Tod der Bibas-Familie bisher nicht bestätigt | |
Die Entführung der Familie Bibas mit ihren zwei kleinen Jungen, einer davon | |
ein Baby, hatte weltweit Entsetzen ausgelöst. Auch die Kinder sowie die | |
Mutter, die neben der israelischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft | |
besitzen, sind für die Freilassung in der ersten Phase der Vereinbarung | |
vorgesehen. Nun kommt der Vater vor ihnen frei – obwohl Frauen und Kinder | |
Vorrang bei der Freilassung haben sollen. | |
Die Hamas hatte vor langer Zeit mitgeteilt, dass die Frau und ihre beiden | |
Söhne bei israelischen Bombardements getötet worden sein sollen. Israel | |
bestätigte ihren Tod – anders als in anderen Fällen – nicht. Es gebe aber | |
große Sorge um das Schicksal der drei, hieß es von offizieller Seite. | |
Die Familie des 54-jährigen Ofer Kalderon teilte in einer Erklärung mit, | |
sie sei „überwältigt vor Freude, Erleichterung und Emotionen nach 484 | |
langen und schwierigen Tagen unerträglichen Wartens“. Die Familie wolle | |
alles Notwendige tun werden, um ihm zu helfen, sich wieder zu erholen. Der | |
Mann, der auch französischer Staatsbürger ist, wurde zusammen mit seinen | |
damals elf und 16 Jahre alten Kindern verschleppt. Sohn und Tochter kamen | |
im Zuge des ersten Gaza-Abkommens fast zwei Monate später wieder frei. | |
## Noch 79 Geiseln im Gazastreifen | |
Bei der letzten Geiselfreilassung am Donnerstag hatten sich chaotische | |
Szenen abgespielt. Aufnahmen zeigten, wie etwa eine Deutsch-Israelin von | |
vermummten und bewaffneten Islamisten durch eine drängelnde und schreiende | |
Menschenmenge geführt wurden. Viele Palästinenser versuchten dabei auch, | |
die verängstigt aussehende Frau mit ihren Handys zu fotografieren. Israel | |
drängte nach diesen bedrohlichen Szenen darauf, dass die Staaten, die das | |
Waffenruhe-Abkommen zwischen Israel und der Hamas vermittelt haben, dafür | |
sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt. Die Vermittlerstaaten gaben | |
israelischen Angaben zufolge ihre Zusage für künftig sichere Übergaben der | |
Geiseln. | |
Nach der Freilassung aller drei Verschleppten werden noch 79 Geiseln im | |
Gazastreifen festgehalten, 35 von ihnen sind israelischen Angaben zufolge | |
tot. Die nächsten Geiseln sollen am kommenden Wochenende freikommen. | |
Das Abkommen über eine Waffenruhe trat am 19. Januar in Kraft. Es sieht | |
vor, dass in einer ersten Phase innerhalb von sechs Wochen 33 Geiseln im | |
Austausch für 1.904 palästinensische Häftlinge freigelassen werden – 15 | |
Geiseln kamen bereits an den vergangenen beiden Wochenenden sowie am | |
Donnerstag frei. Die Hamas teilte zuletzt mit, [3][dass acht der 33 Geiseln | |
tot seien]. Um wen genau es sich dabei handelt, ist unklar. | |
Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen hatten bei ihrem | |
Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 rund 1.200 Menschen getötet und mehr | |
als 250 Israelis als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Der Überfall | |
war der Auslöser des Krieges in dem abgeriegelten Küstengebiet, wo seither | |
laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 47.400 | |
Menschen getötet wurden. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten | |
und Kämpfern. | |
## Grenzübergang Rafah offen: Patienten verlassen Gazastreifen | |
Erstmals seit fast neun Monaten ist der Grenzübergang Rafah zwischen | |
Ägypten und dem Gazastreifen wieder geöffnet worden. Mehrere Patienten | |
wurden aus Gaza über Rafah zur ärztlichen Behandlung nach Ägypten gebracht, | |
wie Sicherheitskreise und der Ägyptische Rote Halbmond bestätigten. Der | |
staatsnahe TV-Sender Al-Kahira News zeigte Bilder der ausreisenden | |
Patienten. Zunächst sollten rund 50 von ihnen Gaza verlassen. | |
Der einzige Grenzübergang, der nicht über israelisches Gebiet führt, wurde | |
geschlossen, nachdem Israels Armee dort im vergangenen Mai auf | |
palästinensischer Seite die Kontrolle übernommen hatte. | |
Al-Kahira News zufolge wurden zunächst ein Junge mit einer Immunkrankheit | |
in Begleitung seiner Mutter sowie ein Mädchen, dem ein Bein amputiert | |
werden sollte, nach Ägypten gebracht. Sie fuhren in Krankenwagen auf der | |
palästinensischen Seite in den Transitbereich des Übergangs ein, wo | |
ägyptische Krankenwagen auf sie warteten. Mit solchen Transfers hatten | |
Kranke und Verletzte das Gebiet auch vor der Schließung Rafahs verlassen. | |
Der Grenzübergang ist für die Ausreise verletzter und kranker Menschen zur | |
Behandlung in Ägypten und anderen Ländern ebenso wichtig wie für die | |
Einfuhr von Hilfsgütern nach Gaza. Dort leiden nach UN-Angaben rund zwei | |
Millionen Menschen an Hunger. | |
Es gab zunächst aber keine Hinweise darauf, dass auch die Hilfslieferungen | |
nach Gaza über Rafah wieder starten würden. Diese kommen seit Monaten nur | |
über von Israel kontrollierte Übergange nach Gaza. | |
## 2.500 Kinder brauchen dringend medizinische Hilfe | |
Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde in Gaza veröffentlichte | |
Bilder, wie eine Gruppe von Kranken und Verletzten nach Rafah gefahren | |
werden. Dem TV-Sender Al Jazeera zufolge sollten rund 50 Patienten mit | |
Krebs- und Herzerkrankungen ausreisen können. Diese Zahl bestätigte auch | |
die Weltgesundheitsorganisation WHO, die die Ausreisenden mit einem Team | |
vor Ort unterstützte. Al-Kahira News berichtete, dass rund 100 Menschen | |
ausreisen würden, darunter Kranke, Verletzte und deren Begleitpersonen. | |
Insgesamt benötigen nach WHO-Angaben 12.000 bis 14.000 Personen dringend | |
medizinische Hilfe, die im Gazastreifen nicht geleistet werden kann. | |
Darunter seien mindestens 2.500 Kinder. Es geht um Menschen mit | |
lebensbedrohlichen Krankheiten oder Kriegsverletzungen. | |
## 3.000 Lastwagen stehen bereit | |
Die Wiedereröffnung des Grenzübergangs Rafah gehört zu einer | |
Drei-Phasen-Vereinbarung zwischen der Hamas und Israel zur Beendigung des | |
Gaza-Kriegs. Dem Ägyptischen Roten Kreuz zufolge wurden auch 3.000 | |
Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern im Sinai für die Einreise nach Gaza | |
über den Rafah-Übergang vorbereitet. | |
Bisher fahren die Lkw von Rafah unter anderem zum Übergang Kerem Schalom, | |
der über israelisches Gebiet führt. Dort werden sie untersucht und die | |
Güter für die Verteilung in Gaza freigegeben. | |
Ein Sprecher des US-Außenministeriums hatte gesagt, Washington hoffe auf | |
die Einfuhr von mehr als 500 Lastwagen täglich nach Gaza. Dies werde aber | |
nicht „über Nacht“ passieren. Erschwert würden die Lieferungen wegen der | |
Sicherheitslage in dem Küstengebiet. Die Verteilung scheiterte zuvor unter | |
anderem wegen fehlender Lkw und Fahrer, zudem kam es in Gaza zu | |
Plünderungen. | |
## Lebensmittelrationen für eine Million Menschen | |
Die Vereinten Nationen und Hilfsorganisationen drängen seit Monaten auf | |
eine Wiederöffnung Rafahs, um Hunderttausende Menschen in Gaza humanitär | |
besser zu versorgen. Wegen der Schließung des Übergangs kamen Hilfsgüter | |
wie Lebensmittel, Wasser und Arzneimittel in vergangenen Monaten nur durch | |
von Israel kontrollierte Übergänge wie Kerem Schalom, Erez und Kissufim. | |
Das Welternährungsprogramm (WFP) teilte mit, es könne Lebensmittelrationen | |
für mehr als eine Million Menschen in Gaza zur Verfügung stellen und die | |
Wirtschaft und örtliche Lebensmittel-Produktion unterstützen. | |
1 Feb 2025 | |
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