# taz.de -- Insolvenz des Kunsthauses Göttingen: Take it easy, neues Haus | |
> Nach drei Jahren ist Schluss: Das „Kunsthaus Göttingen“ ist Geschichte. | |
> Im Kulturleben der Stadt klafft nun wieder die Lücke, die es schließen | |
> sollte. | |
Bild: Bild aus besseren Tagen: Verleger Gerhard Steidl, Kuratorin Ute Eskildsen… | |
GÖTTINGEN taz | Nun ist es also geschlossen, das Personal entlassen: Das | |
Kunsthaus Göttingen in der Düsteren Straße 7 ist abgewickelt. Der Grund: | |
Insolvenz. Zuletzt hat man noch die Website samt ihrem Archiv vom Netz | |
genommen. | |
Das dokumentiert die 15 Ausstellungen internationaler Künstler:innen, die | |
hier gezeigt wurden, seit die Institution im März 2021 ihre Tore eröffnet | |
hat, damals, als Alpha die vorherrschende Variante des Corona-Virus in | |
Deutschland gewesen war. | |
Das Kunsthaus für Arbeiten auf Papier, Fotografie und neue Medien – eine | |
Tochtergesellschaft der Stadt – war mit dem Auftrag an den Start gegangen, | |
als neuer überregionaler Kunstanker zu dienen – und als Ort für Austausch, | |
Vermittlung und Lernen. | |
Insgesamt 35.000 Besucher:innen, viele von auswärts angereist, sahen | |
seitdem Kunst von Roni Horn, William Kentridge oder einen eigenen Pavillon | |
des US-Amerikaners Jim Dine im Garten, konnten in fantastische | |
Videoinstallationen von Mona Kuhn oder [1][der jungen Litauerin Emilija | |
Škarnulytė eintauchen]. | |
## Stets freier Eintritt | |
Der Eintritt blieb dank Sponsoring stets frei. Das Team des Kunsthauses | |
veranstaltete zudem 2022 Parallelaktionen zur „documenta fifteen“ in | |
Kassel, ließ etwa in einem morbiden Fachwerkhaus, ein paar Schritte | |
entfernt, bunt florale Malerei von Jim Dine im Sommerwind flattern. | |
Die Kunstkritik lobte solch Wirken. Vor Ort hatte es aber auch Vorbehalte | |
gegeben. Zu elitär sei das Ganze, hieß es, zudem dominiert vom Göttinger | |
Verleger edler Kunst- und Fotografiebände, Gerhard Steidl. Ohne dessen | |
jahrzehntelanges Beharren wäre das Haus tatsächlich nie zustande gekommen. | |
Er wirkte, kraft seiner Kontakte in die große Kunstwelt, weiterhin als | |
Graue Eminenz. Ihm schwebte ein Kunstquartier – kurz KuQua – rund ums | |
Kunsthaus und sein Verlagsimperium vor: eine Belebung der Göttinger | |
Innenstadt, notwendig aufgrund der durch die Corona-Jahre verschärften | |
Strukturveränderungen. | |
2024 geriet das Kunsthaus in finanzielle Schieflage. Eigentlich springt die | |
Stadt dann ihren Tochterunternehmen bei. Auch hier war eine Unterstützung | |
beabsichtigt: 200.000 Euro einmalig in die Kapitalrücklage sowie eine | |
dauerhafte Erhöhung des jährlichen Zuschusses ab 2025 um 60.000 Euro hatte | |
Oberbürgermeisterin Petra Broistedt (SPD) in Aussicht gestellt. | |
Der Geschäftsführung hätte so Zeit verschafft werden sollen, zusätzliche | |
Einnahmen aus Spenden, Sponsoring und Fördermitteln zu akquirieren. Eine | |
sehr breite Mehrheit – CDU, Linke, Grüne und FDP – schmetterte im November | |
den [2][Antrag im Finanzausschuss] und anschließend im Rat der Stadt aber | |
ab, obwohl Christdemokraten und Liberale in Göttingen mit der SPD | |
koalieren. | |
Die hatte die Eröffnung der Institution [3][als ihren Erfolg verbucht]– und | |
dabei gerne daran erinnert, dass die Göttinger CDU „den höchsten | |
Widerstand“ geleistet habe. Am Ende wird es ihr dann selbst wieder | |
eingefallen sein: Auch ein Aufruf der Belegschaft des Hauses und eine | |
Online-Petition vermochten nicht, das Aus noch abzuwenden. | |
Das Kunsthaus hatte eine große Lücke im Göttinger Kulturbetrieb | |
geschlossen. Die Stadt ist mit Angeboten zeitgenössischer Kunst nicht | |
besonders gut versorgt: An der Georg August Uni ist es möglich | |
Kunstgeschichte studieren. Ein Schwerpunkt ist laut Curriculum die | |
berufspraktische Ausbildung durch Erarbeiten von Ausstellungen aus den | |
eigenen Sammlungsbeständen. | |
## 4,5 zweckgebundene Millionen vom Bund | |
Um nicht bloße Trockenübung zu bleiben, ist die kontinuierliche | |
Urteilsbildung an guten Ausstellungen unumgänglich – für die man nun im | |
Zweifel wieder nach Kassel, Hannover, Braunschweig oder Goslar reisen muss. | |
Umso wichtiger wäre nun also, dass die Stadt wenigstens [4][die Basisarbeit | |
des 1968 gegründeten Kunstvereins Göttingen absichert]. | |
Wesentliche Kosten des Kunsthaus-Neubaus waren zweckgebunden mit 4,5 | |
Millionen Euro aus dem Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ | |
gefördert worden. Müssen die nun zurück gezahlt werden? | |
„Das Kunsthaus Göttingen soll auch zukünftig ein besonderer Leuchtturm für | |
Kunst und Kultur mit internationaler Strahlkraft sein“, heißt es dazu von | |
der Verwaltung. Man arbeite an diesem Ziel und sehe deshalb „keine Probleme | |
mit dem Fördermittelgeber“. | |
26 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://tuttle.taz.de/!5991338&s=Kunsthaus+G%C3%B6ttingen&SuchRahme… | |
[2] /Plan-zur-Haushaltssicherung/!6051098 | |
[3] https://spd-goettingen.de/2021/06/04/das-kunsthaus-ist-eroeffnet-auch-ein-e… | |
[4] https://tuttle.taz.de/!5774162&s=Kunstverein+G%C3%B6ttingen&SuchRah… | |
## AUTOREN | |
Bettina Maria Brosowsky | |
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