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# taz.de -- Ausstellung „A Feminine Thought“: Frau als Tisch
> B. Ingrid Olson ironisiert im Braunschweiger Kunstverein den männlichen
> Künstlerblick auf Frauenkörper als bloße Unterlage.
Bild: Einige Tischplatten werden tatsächlich zu Tischen, wenn etwas darauf lie…
Die Frau und die Kunst: Das ist, gelinde gesagt, eine problematische
Beziehung. Die [1][Guerilla Girls], eine Gruppe feministischer
Kunstaktivistinnen aus den USA, fragten ja vor vielen Jahren einmal, ob
Frauen nackt sein müssen, um ins Museum zu kommen. Sie meinten damit den
Missstand, dass Frauen als weibliche Akte seit Urzeiten und in Unmengen in
großen Kunstmuseen hängen, als tätige, anerkannte Künstlerinnen aber stark
unterrepräsentiert sind.
In all diesen Aktdarstellungen – Allegorien auf Gottheiten, religiöse
Motive oder heroisch-historische Themen wie die Französische Revolution,
angeführt von einer halb entblößten Marianne – geht es also nicht um die
Individualität einer Frau, einer bemerkenswerten Persönlichkeit, sondern um
die Verdinglichung des weiblichen Körpers.
Dieser „trägt“ förmlich die Bildidee: ein Umstand, den männliche Künstl…
der Gegenwart zuspitzten – emanzipativ provokant, oder doch nur sexistisch
machohaft? Wie etwa die [2][Pop-Art-Objekte des Briten Allen Jones,
Jahrgang 1937]: eine gläserne Tischplatte, ruhend auf der naturalistischen
Nachbildung einer auf ihren Knien gebückten Frau in SM-inspiriertem Outfit,
natürlich mit nackten Brüsten. Zu diesem „Table“ anno 1969 gesellte sich
unter anderem noch ein „Seat“ in Gestalt einer bondageartig
zusammengeschnürten Frau in schwarz-lederner Minimalbekleidung als Unterbau
eines schwarz-ledernen Sitzpolsters.
Die Frau als Tisch: so bildhaft, so misogyn. Auch ein eigentlich
bodenständiger Künstler wie Dieter Roth (1930–1998) versuchte sich einmal
daran. Roth, bekannt für seine Objekte aus Lebensmitteln wie Wurstscheiben
oder Schokolade, die er durch Schimmelbildung oder Insektenfraß der
Metamorphose überließ, schuf 1971, vielleicht als Reaktion auf Allen Jones,
einen Doppelpack Kaltnadelradierungen „Ein weiblicher Gedanke I & II“. Auf
einem Blatt wird eine Frau Schritt für Schritt in einen Tisch verwandelt,
auf dem anderen findet die Verwandlung in umgekehrter Abfolge statt. Das
imaginierte Objektwerk türmt sich auf, in der Größe gestaffelt, wie die
Bremer Stadtmusikanten – ein künstlerisch eher flaues Werk.
## 500 Tischplatten
Gleichwohl inspirierte der ins Englische übersetzte Titel „A Feminine
Thought“ die US-amerikanische Künstlerin B. Ingrid Olson, 1987 in Denver
geboren und in Chicago arbeitend, zu ihrer ersten institutionellen
Einzelausstellung in Deutschland, [3][die derzeit im Kunstverein
Braunschweig zu sehen ist]. Aber Olson zeigt keine Reprisen irgendwelcher
Frauennachbildungen in Form von Tischen, sondern einfach nur: Tischplatten.
500 sind es, schwarz beschichtet, in unterschiedlicher, bis auf wenige
Zentimeter reduzierter Größe, der Index für sämtliche Werke, die die
Künstlerin bislang schuf. Die Tischplatten liegen in Stapeln am Boden oder
zu Füßen einer Skulptur der Pallas Athene und zeichnen als minimalistische
Spur das Kontinuum verbundener Gemächer nach, die sich wie eine Schale um
die Eingangsrotunde der Kunstvereinsvilla legen.
Wer will, mag auch in solch großbürgerlich repräsentativer Raumdisposition
implizite Unterdrückungsmechanismen weiblicher Selbstentfaltung
eingeschrieben sehen. Kunst von B. Ingrid Olson gibt es aber auch noch,
kleine keramische Objekte, Zeichnungen, Collagen und Assemblagen aus
Metall, Textil, Leder, Spiegel oder Verpackungsmaterial. Denn Tische dienen
eigentlich ja dazu, etwas abzustellen, darzubieten – zu tragen. Das wird
bei aller feministischen Exegese dann doch nicht außer Acht gelassen.
12 Jul 2025
## LINKS
[1] /Feministische-Ausstellung-in-Hannover/!5487035
[2] https://en.wikipedia.org/wiki/Hatstand,_Table_and_Chair
[3] https://kunstvereinbraunschweig.de/exhibitions/b-ingrid-olson/
## AUTOREN
Bettina Maria Brosowsky
## TAGS
Feministische Kunst
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Göttingen
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