# taz.de -- Urteil gegen Zeitung in Schweiz: Wer hat’s erfunden? | |
> In der Schweiz muss ein Boulevardblatt voraussichtlich ca. 330.000 Euro | |
> zahlen, weil es gegen Persönlichkeitsrechte verstoßen hat. Ein Schritt in | |
> die richtige Richtung. | |
Bild: Hat vor dem Kantonsgericht Zug Schadensersatz bekommen: Schweizer Ex-Grü… | |
Boulevardjournalismus funktioniert meistens nach einem perfiden, leider | |
aber erfolgreichen Geschäftsmodell. Da werden Persönlichkeitsrechte mit | |
Füßen getreten, angeblich im Interesse der ach so sehr an schmutzigen | |
Geschichten interessierten Öffentlichkeit. | |
In Wahrheit geht es um Auflage (früher), Reichweite (heute) und damit um | |
Geld. Wenn es schiefgeht und sich Betroffene juristisch wehren, muss hier | |
und da ein bisschen gezahlt werden. Aber auch das ist eingepreist. Und die | |
Rechnung geht eigentlich immer zugunsten des [1][Boulevards] auf. | |
Dass dies auch anders geht, zeigt die Schweiz. Hier gab es diese Woche ein | |
bemerkenswertes Urteil. Die Boulevardzeitung Blick ist so etwas wie die | |
Schweizer Bild. Sie muss nach einer Entscheidung des Kantonsgerichts Zug | |
einer ehemaligen Politikerin der Schweizer Grünen wegen Verletzung ihrer | |
Persönlichkeitsrechte exakt 309.531 Franken Schadenersatz zahlen, plus fünf | |
Prozent Zinsen. Es ging um spekulative, nicht belegte Sex-Geschichten. | |
Aber weder das noch die umgerechnet rund 330.000 Euro sind das Besondere an | |
dem Fall. Sondern wie das Gericht gerechnet hat. Die Summe ergibt sich | |
nämlich aus dem Gewinn, den die Zeitung und der dahinterstehende | |
[2][Medienkonzern Ringier] laut Gericht mit der Story gemacht haben. Das | |
Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ringier will in Berufung gehen und | |
nennt es einen „fatalen Schlag für den freien Journalismus“. | |
## Mit Hass und Hetze Umsatz machen | |
Das ist natürlich Quatsch. Das Urteil ist vielmehr sehr zielführend, weil | |
es am dahinterstehenden Geschäftsmodell ansetzt. Es gehört ausgeweitet, | |
nicht nur auf den klassischen Boulevardjournalismus. Sondern auch auf die | |
sozialen Medien, wo die Techkonzerne ebenfalls mit Persönlichkeitsrecht | |
verletzendem Schrott, Hass und Hetze satten Umsatz und Gewinn machen. | |
Leider wird auch das nicht das Grundproblem lösen, dass sich die Konzerne | |
am Ende diese Summen leisten können. Was sich letzte Woche bei Rupert | |
Murdoch und [3][Prinz Harry] zeigte. Da ging es um den Jahre | |
zurückliegenden Überwachungsskandal, bei dem Murdochs britische | |
Boulevardblätter die Handys von Promis, Royals und Verbrechensopfern | |
gehackt hatten. | |
Harry kann jetzt nach britischen Medienberichten über 10 Millionen Pfund | |
erwarten. Murdoch hat sich mit dieser Summe freigekauft, weil er so um | |
einen Prozess herumkommt. Das ist ärgerlich, weil in einem solchen | |
Verfahren vielleicht endlich mal die Verantwortlichen benannt und zur | |
Rechenschaft gezogen worden wären. | |
Auch in solchen Fällen sollte aber auf jeden Fall künftig die „Schweizer | |
Formel“ angewendet werden. Denn der Gewinn, den Murdochs Titel mit ihren | |
illegalen Machenschaften erzielt haben, lag garantiert deutlich höher. | |
„Doch leider löst auch die neue Formel nicht, dass Journalismus und soziale | |
Medien auch nach einem perfiden Gesellschaftsmodell funktionieren“, sagt | |
die Mitbewohnerin. | |
29 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Umgang-mit-sexueller-Gewalt-in-Serbien/!5886561 | |
[2] /Medien-CEO-sorgt-fuer-Empoerungswelle/!5824989 | |
[3] /Abhoerskandal-in-Grossbritannien/!6064334 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
## TAGS | |
Kolumne Flimmern und Rauschen | |
Boulevard | |
Schweiz | |
Rupert Murdoch | |
Social Media | |
Kolumne Flimmern und Rauschen | |
öffentlich-rechtliches Fernsehen | |
Frauenfeindlichkeit | |
Österreich | |
England | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neues soziales Medium: Make Social Media Telefon again! | |
Safe Social will soziale Netzwerke wieder als demokratische Kraft | |
etablieren. Unser Kolumnist findet: Da hilft nur das Telefon. | |
Florian Hager im Hoodie: Make ARD Cool Again! | |
Die ARD erfindet sich neu. Diesmal mit ihrem Dresscode. Selbst den | |
Vorsitzenden kann man im hippen ARD-Hoodie sichten. | |
Massiver Stellenabbau: RBB will 250 Stellen streichen | |
22 Millionen Euro will der Sender bei den Personalkosten sparen. Auch | |
betriebsbedingte Kündigungen sich nicht ausgeschlossen. | |
Gewalt gegen Frauen in den Medien: Nicht viel gelernt | |
Eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung untersucht Artikel über | |
geschlechtsspezifische Gewalt. Das Ergebnis: Es geht immer noch zu oft um | |
Einzelfälle. | |
„Heute“ in Österreich: Zeitung beleidigt wegen Beleidigung | |
Wenig Kritik verträgt die österreichische Gratiszeitung „Heute“. Sie klagt | |
gleich dreimal, weil ein Rentner sich über ihre Berichterstattung ärgerte. | |
Illegale Praktiken des Boulevard: In die Paranoia getrieben | |
Die britische Doku „Tabloids on Trial“ berichtet über rechtswidrige | |
Bespitzelung durch den Boulevard. Viele Opfer kommen zu Wort. |