Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- „Heute“ in Österreich: Zeitung beleidigt wegen Beleidigung
> Wenig Kritik verträgt die österreichische Gratiszeitung „Heute“. Sie
> klagt gleich dreimal, weil ein Rentner sich über ihre Berichterstattung
> ärgerte.
Bild: Sonst nicht zimperlich: die österreichische Boulevardzeitung HEUTE
Wien taz | Man sagt den Wienern ja eine gewisse Derbheit im Umgang nach.
Kaum irgendwo wird beherzter, liebevoller – und nur selten wirklich bös
gemeint – geflucht und geschimpft. „Geh scheißen, du Oaschloch“, zählt …
lokaltypischen Umgangston. Man ist also manches gewohnt.
Durchaus allergisch reagierte allerdings die kostenlose Boulevardzeitung
Heute auf die, nun ja, derbe Kritik eines Wiener Pensionisten. Sie will den
Mann zivilrechtlich und strafrechtlich klagen. Der Grund: Günther R. hatte
die Zeitung als „Scheißblatt“ bezeichnet. Herausgeberin Eva Dichand nannte
er „Rachehex“, den Chefredakteur Clemens Oistric wiederum „Rattler, welch…
Frau Dichand brav apportiert“. „Rattler“ bezeichnet kleinere Hunde, die
früher zur Jagd von Ratten benutzt wurden.
Grund für die von Günther R. auf X (Twitter) artikulierte Kritik ist die
von Heute losgetretene Artikelserie gegen die Sozialhilfe in Österreich.
Seit Monaten schreibt das Blatt von „Arbeitslosen, die doppelt kassieren“,
titelt mit „6.000 Euro! Sozialhilfe für zehnköpfige Familie regt auf“.
Dass es sich dabei meist um überschießende Zuspitzungen oder absolute
Ausnahmefälle handelt, unterschlagen die reißerischen Schlagzeilen. Dass
parallel dazu die politischen Pläne für Kürzungen der Sozialhilfen breit
berichtet werden, erweckt den Anschein einer Kampagne.
## Verantwortliche klagen
Aus gesundheitlichen Gründen sei der Sohn von Günther R. selbst auf
entsprechende Leistungen angewiesen gewesen, wie das Wiener Satiremedium
Tagespresse berichtet. Als Heute Anfang August mit dem Zitat eines
FPÖ-Politikers titelte, dass die Sozialhilfe eine Art „Schutzgeld“ sei,
„damit Asylanten nicht die Stadt zerlegen“, wurde es Günther R. zu viel und
er machte sich Luft mit seinen Postings.
Heute sowie die betroffenen Verantwortlichen Dichand und Oistric brachten
nun drei Klagen gegen die genannten Tweets ein. Zwei davon zivilrechtlich –
bereits per Versäumnisurteil entschieden, Günther R. muss widerrufen und
5.000 Euro Gerichtskosten zahlen –, eine strafrechtlich. Eine Verurteilung
im Fall der letzten würde eine Vorstrafe bedeuten. Die Verhandlung findet
diesen Donnerstag statt.
Doch das berühmt-berüchtigte „goldene“ Wienerherz ist tatsächlich manchm…
edel. Ein spontan von der Tagespresse ausgerufenes Crowdfunding zur
Unterstützung des Pensionierten brachte binnen weniger Stunden das
Spendenziel von 20.000 Euro ein. Im Fall eines Freispruchs soll das Geld an
die Organisation SOS Mitmensch gespendet werden.
Heute, die drittgrößte Zeitung Österreichs, wird übrigens von der
öffentlichen Hand gefördert – und zwar via intransparenter Vergabe von
Inseraten öffentlicher Stellen. Allein im Jahr 2023 erhielt Heute 1,6
Millionen Euro von der Bundesregierung und mehr als 3,1 Millionen Euro von
der Stadt Wien.
## Tiervergleiche bei Heute
Der Anwalt der Heute, Michael Rami, reagiert auf taz-Anfrage nicht. Auf X
hatte Rami mit Bezug auf den Begriff „Rattler“ geschrieben, dass mit
„derartigen Tiervergleichen die Sprache der Nationalsozialisten verwendet“
werde.
Woraufhin die Tagespresse Screenshots von Heute-Online-Artikeln mit
Überschriften mit Tiervergleichen gepostet hat: „Putzfrau als diebische
Elster“ oder „Rabenmutter des Jahres“ überschrieb das Blatt etwa ihre
Beiträge. Wenn es ums Messen mit zweierlei Maß geht, ist auf Österreichs
Boulevard Verlass. Florian Bayer
4 Nov 2024
## AUTOREN
Florian Bayer
## TAGS
Österreich
Schwerpunkt Pressefreiheit
Boulevardpresse
Boulevard
Social-Auswahl
Kolumne Flimmern und Rauschen
Österreich
Sebastian Kurz
Österreich
Österreich
## ARTIKEL ZUM THEMA
Urteil gegen Zeitung in Schweiz: Wer hat’s erfunden?
In der Schweiz muss ein Boulevardblatt voraussichtlich ca. 330.000 Euro
zahlen, weil es gegen Persönlichkeitsrechte verstoßen hat. Ein Schritt in
die richtige Richtung.
Landtagswahlen in Österreich: Aufwind für Österreichs Rechtsradikale
Bei der anstehenden Landtagswahl in der Steiermark deuten Prognosen auf
einen Erfolg der FPÖ hin. Dies wäre ein weiterer Meilenstein in deren
Erfolgslauf.
Hausdurchsuchung bei Wiener Gratisblatt: Für Kurz wird's knapp
Die Büroräume der Boulevardzeitung „Heute“ waren am Donnerstag Ziel einer
Razzia. Der Vorwurf: Korruption. Im Zentrum: Sebastian Kurz.
Medienexpertin zu Österreichs Presse: „Es sind strukturelle Probleme“
Die eine Hand wäscht die andere, kritisiert Daniela Kraus die Medienkultur
in Österreich. Über mächtigen Boulevard und intransparente Anzeigenvergabe.
Ösi-„Bild“ hat Geburtstag: Die Kampagne als Prinzip
Die einflussreichste Zeitung Österreichs wird am Donnerstag 60 Jahre alt.
Was macht die „Krone“ so erfolgreich? Und wo steht sie politisch?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.