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# taz.de -- Ösi-„Bild“ hat Geburtstag: Die Kampagne als Prinzip
> Die einflussreichste Zeitung Österreichs wird am Donnerstag 60 Jahre alt.
> Was macht die „Krone“ so erfolgreich? Und wo steht sie politisch?
Bild: Dahinter steckt meistens ein Österreicher: Kronenzeitung im Wahlkampf 20…
Wie übt man mit einer gedruckten Zeitung über Jahrzehnte hinweg politischen
Einfluss aus, ohne sich dabei einem politischen Lager eindeutig anzudienen?
Zum 60-jährigen Bestehen der Neuen Kronen Zeitung hat die österreichische
Rechercheplattform [1][dossier.at] ein 100-seitiges Heft über die
Geschichte des einflussreichen Boulevardblatts herausgebracht. Eine Arbeit
von 29 Journalist*innen und Gestalter*innen, geschöpft aus knapp 200
Interviews und Gesprächen, nach eigenen Angaben der Redaktion. Im Herbst
hatte dossier.at per Crowdfunding 60.000 Euro für das Projekt gesammelt.
Das Interesse an einer Recherche über die österreichische Boulevardzeitung
war offenbar groß, über 1.200 Menschen kauften das Heft unbesehen.
„Die Krone ist allein durch ihre Auflage und Reichweite eine
journalistische Macht im Land“, sagt Sahel Zarinfard, bei dossier.at
zuständig für Recherche und neue Darstellungsformen. Die 100 Seiten mit dem
Titel „Wer hat Angst vor der Kronen Zeitung?“ enthalten eine Rekonstruktion
der Entstehungsgeschichte der Krone und die Verwicklungen des Gründers Hans
Dichand in die österreichische Politik, begleitet von Illustrationen im
Stil einer Graphic Novel und aufgeschrieben als Agententhriller. Weiter
hinten folgen Analysen der Themenauswahl über die Jahre, der
wiederkehrenden ethischen Grenzüberschreitungen, sowie der staatlichen
Gelder, die in Form von Presseförderung und Anzeigen an die Krone fließen.
Die Krone erreicht geschätzt drei Millionen Leser*innen – mehr als jede*r
dritte Österreicher*in hält sie täglich in der Hand. Zum Vergleich: Die
Bild, auflagenstärkste Tageszeitung in Deutschland, erreichte 2018
geschätzt gut 9 Millionen Menschen, damit „nur“ rund jede neunte Person.
Diese Verhältniszahlen sind aussagekräftiger als die absoluten, wenn man
den politischen Einfluss der Krone verstehen will.
Gegründet hat das Blatt 1959 der Wiener Verleger Hans Dichand, der damals
die Titelrechte der älteren Kronen Zeitung kaufte und am 11. April die
erste Neue Kronen Zeitung herausbrachte. Heute gehört die Zeitung und das
angeschlossene Medienhaus Mediaprint anteilig [2][den Dichand-Nachkommen],
[3][dem Karstadt-Eigner René Benko] und [4][der deutschen
Funke-Mediengruppe]. Benko hat diese Woche seine Absicht verkündet, dem
gebeutelten Funke Verlag seine Anteile noch abzukaufen.
## Selbst wie eine Partei
Die Krone ist wie kaum ein anderer Titel ein Beispiel dafür, wie man mit
Zeitung Politik machen kann. Kampagnenjournalismus ist bei der Krone kein
Schimpfwort und kein Beiwerk, sondern Prinzip.
Leicht entsteht der Eindruck, die Krone stehe per se weit rechts. Immerhin
förderte sie in den 90er-Jahren den rechten Politiker Jörg Haider. Aber so
einfach sei die ideologische Einordnung nicht, sagt Sahel Zarinfard. „Die
Kronen Zeitung lässt sich keiner Partei zuordnen, sie ist nicht
sozialdemokratisch, rechtspopulistisch oder konservativ, sie agiert oft
selbst wie eine Partei.“
Die Kampagnen aus 60 Jahren Krone zeigten keine klare politische Richtung,
es gebe immer Gegenbeispiele. In den 70er- und 80er- Jahren stützt die
Krone die aufkommende Umweltbewegung, ohne jedoch dabei grün oder links zu
werden. Auch Sozialpolitik liegt dem Blatt nahe, was sie aber nicht
sozialdemokratisch macht. Patriotismus gehört zum Grundton, ohne dass die
Krone klar den Konservativen oder Rechtspopulisten nahestünde.
Das hinge mit einer Mischung aus politischem und unternehmerischem Kalkül
zusammen, glaubt Zarinfard. „Die Mehrheitsmeinung ist das, was die Krone
antreibt – oder zumindest das, was sie glaubt mehrheitsfähig zu sein.“
Denn zwar unterstützte die Krone einst Haider, nicht aber seine Koalition
mit den Konservativen unter Bundeskanzler Schüssel ab 1999 – denn die
entsprach aus Sicht Dichands nicht dem Wählerwillen.
Aber wie errät man, was die Mehrheit will? Recherchen zum Innenleben der
Krone scheiterten an einer „Mauer des Schweigens“, die der Verlag aufbaue,
meint Zarinfard. Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus Gefühl, Poker und
Erfahrung. Und die Zeitung lag auch mal daneben. Anfang 2013 vertritt die
Krone offensiv die Forderung nach Abschaffung der Wehrpflicht. Bei der
folgenden Volksbefragung stimmten dann aber 60 Prozent für ihren Erhalt.
11 Apr 2019
## LINKS
[1] https://www.dossier.at/
[2] /Oesterreichs-groesste-Zeitung/!5140496
[3] /Investor-Benko-kauft-sich-in-Zeitungen-ein/!5547210
[4] /Kolumne-Flimmern-und-Rauschen/!5572762
## AUTOREN
Peter Weissenburger
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Österreich
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