# taz.de -- Medien-CEO sorgt für Empörungswelle: Fragwürdiges Selbstverstän… | |
> Kurz vor der Abstimmung über Mediensubventionen sorgt ein Video von | |
> Ringier-Chef Marc Walder für Wirbel. Er selbst will es nicht so gemeint | |
> haben. | |
Bild: „Missverständlich formuliert“: Ringier-CEO Marc Walder entschuldigt … | |
ZÜRICH taz | Ein geleaktes Video von Ringier-Chef Marc Walder sorgt in der | |
Schweiz für Wirbel: „Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind – und | |
da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt –, auf meine Initiative | |
hin gesagt: ‚Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale | |
Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen‘“, sagt Walder | |
in dem Video mit Bezug auf die Coronapandemie. Dann weist er auf deutsche | |
Medien hin, die „unglaublich hart“ die eigene Regierung kritisiert hätten, | |
weil diese nicht genügend Impfdosen bestellt habe. „Die sind so hart mit | |
der Regierung, insbesondere mit dem Gesundheitsminister Spahn und Merkel, | |
wie ich sonst von der Bild-Zeitung nicht einmal im Fußballgeschäft kenne“, | |
so Walder. | |
Die deutschen Medien macht er auch für [1][die gewalttätigen | |
Ausschreitungen auf Demonstrationen] mitverantwortlich. Das Video wurde im | |
Februar 2021 auf einer Onlinetagung der Schweizerischen | |
Management-Gesellschaft aufgenommen. Veröffentlicht wurde der Ausschnitt | |
Silvester auf der Website des rechtsbürgerlichen Satiremagazins | |
Nebelspalter. | |
Walder selbst nannte in Interviews seine Aussage „missverständlich | |
formuliert“. Seine zahlreichen Entschuldigungen und emsigen Erklärungen | |
über das Zustandekommen der Äußerungen hinterlassen dennoch einen bitteren | |
Beigeschmack über das journalistische Selbstverständnis eines der | |
einflussreichsten Medienmanager des Landes. Ringier zählt zu den größten | |
Medienhäusern, zu denen auch der Blick gehört, das auflagenstärkste | |
Boulevardblatt in der deutschsprachigen Schweiz. Nun ist von Bestätigung | |
für die „Verschwörungstheoretiker und ‚Lügenpresse!‘-Rufer“ | |
(Tages-Anzeiger) und dem Blick als einer Außenstelle des Bundesamts für | |
Gesundheit (NZZ) die Rede. | |
Die Empörungswelle seit dem Leak ist so enorm, dass weitere Ringier-Größen | |
sich zu Wort meldeten. [2][In einer Stellungnahme der Blick-Chefredaktion] | |
wird kritisiert: „Die Äußerungen unseres Chefs rücken uns in ein falsches | |
Licht“, es habe nie einen Befehl gegeben. Sogar der sonst zurückhaltende | |
Verleger Michael Ringier äußerte sich: Die Unterstellung, dass bei Ringier | |
Journalismus nach Weisung betrieben werde, sei eine absolut böswillige | |
Diffamierung, schreibt er und bemerkt: dass „die journalistischen | |
Heckenschützen zum Teil handfeste politische Absichten haben, gehört zum | |
Alltag in unserem Geschäft“. | |
## Debatte um Mediensubventionierung | |
Tatsächlich sind Zeitpunkt und Plattform für den Leak kein Zufall, denn die | |
Schweiz befindet sich im Abstimmungskampf. Am 13. Februar wird in einer | |
Volksabstimmung über das „Maßnahmenpaket zugunsten der Medien“ entschiede… | |
Mit dem Paket würden Schweizer Medien mit bis zu 150 Millionen Franken pro | |
Jahr subventioniert, Onlinemedien sollen mit bis zu 30 Millionen Franken | |
jährlich unterstützt werden. | |
Autor des auf Nebelspalter veröffentlichten Stücks ist Philipp Gut, einst | |
Vizechefredakteur der rechten Weltwoche, er wurde schon wegen übler | |
Nachrede verurteilt. Heute arbeitet er als PR-Berater, laut NZZ ist er | |
Ghostwriter für die rechtspopulistische SVP – vor allem aber ist Gut | |
Geschäftsführer der Kampagne gegen das neue Mediengesetz. Das Komitee | |
„Staatsmedien Nein“ hat ein Referendum gegen die Vorlage eingereicht und | |
will mit dem Slogan „Keine Steuermilliarden für Medienmillionäre“ die | |
Abstimmung gewinnen. Es gibt Bedenken, dass Medien dann nicht mehr | |
unabhängig seien. „Der Anreiz, staatsunabhängigen und kritischen | |
Journalismus zu machen, dürfte damit gegen Null tendieren“, schreibt Gut | |
auf nebelspalter.ch. Walder weist in der NZZ solche Kritik zurück: „Wir | |
würden zwischen fünf und acht Millionen Franken erhalten“, was für Ringier | |
keine Bereicherung sei. | |
Im Parlament gehen die Meinungen weit auseinander. Während die Linke wie | |
die SP und die Grünen sich für die Medienförderung aussprechen, ist die | |
Mitte untereinander gespalten, die SVP und die bürgerliche FDP lehnen diese | |
ab. Auch die Medienhäuser sind uneins: Die Weltwoche, der Nebelspalter und | |
die Redaktion der NZZ lehnen das Medienpaket ab. „Wer von der öffentlichen | |
Hand lebt, kann nicht als unabhängig gelten“, argumentiert die NZZ. | |
Hingegen unterstützt das Unternehmen NZZ die Förderung, weil damit die | |
Medienvielfalt gestärkt werde. Das Onlinemagazin Republik hat bisher keine | |
geschlossene Haltung. Die Wochenzeitung WOZ und das Onlinemedium Watson | |
hingegen begrüßen die Initiative. | |
Hinweis: Die Autorin ist Redakteurin bei der WOZ. | |
11 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Proteste-gegen-Coronamassnahmen/!5823440 | |
[2] https://www.blick.ch/news/die-chefredaktion-in-eigener-sache-so-arbeitet-bl… | |
## AUTOREN | |
Cigdem Akyol | |
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