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# taz.de -- CDU-Vorstandsklausur in Hamburg: Nicht die Seele verkaufen
> Bei der Klausurtagung der CDU-Spitze sollte es um Wirtschaft und
> Sicherheit gehen. Doch an Söder, Koalitionsdebatten und der AfD kam man
> nicht vorbei.
Bild: Merz während einer Pressekonferenz auf der Winterklausur der CDU in Hamb…
Hamburg taz | Als der CDU-Bundesvorstand am Freitagnachmittag in
Hamburg-Hammerbrook zu seiner zweitägigen Klausur zusammenkommt, steht für
jedes Mitglied ein türkisfarbenes Paket auf dem Tisch, ein „Endspurt-Kit“.
Darin: allerhand CDU-Merchandise, ein Gutschein für ein „Team Merz
2025“-Sweatshirt, ein Kaffeebecher mit der Aufschrift „Stark. Schwarz.
Gut.“ und ein Energydrink.
Nun meinen manche, insbesondere in der Schwesterpartei CSU, dass die CDU
und ihr gemeinsamer Kanzlerkandidat Friedrich Merz deutlich stärker in den
Wahlkampfmodus kommen müssten, wobei vielleicht auch Koffein helfen könnte.
Aber die aufputschende Substanz kann bekanntlich auch nervös machen – eine
leichte Nervosität allerdings ist an diesem Wochenende bei der CDU auch
ganz ohne Energydrinks zu spüren.
Zwar liegt die Union in den Umfragen weiter unangefochten auf Platz eins.
Doch der Trend geht nicht – wie gewünscht – endlich weiter nach oben. Die
Union ist in den letzten Umfragen abgesackt. Die AfD dagegen hat zugelegt.
Und der von CDU und CSU so viel gescholtene grüne Kanzlerkandidat Robert
Habeck hat in den Beliebtheitswerten mit Merz gleichgezogen. Hinzu kommt
das stete Gepiesacke aus Bayern.
Kaum ein Tag vergeht, in dem CSU-Chef Markus Söder nicht bekräftigt, dass
eine Koalition mit den Grünen wirklich vollständig ausgeschlossen sei. Die
CDU dagegen will nicht über mögliche Bündnisse sprechen, sondern ihre
eigenen Themen nach vorne schieben. Und da wäre zuallererst: die
wirtschaftliche Lage im Land. Migration, so ist zu hören, müsse zwar
bedient werden, einen dezidierten Migrationswahlkampf aber will die CDU
nach eigenem Bekunden nicht führen. „Der absolute Fokus ist die
Wirtschaftspolitik“, so sagt es Merz. Söder allerdings nennt das Thema
Migration auffällig häufig an erster Stelle.
## Merz schließt Zusammenarbeit mit AfD aus
Nach außen wird die CDU-Spitze nicht müde zu betonen, wie geschlossen CDU
und CSU dastünden, ohnehin ist an diesem Wochenende offen kein kritisches
Wort gegen das eigene Lager zu vernehmen. Doch bei so manchem
Christdemokraten werden Erinnerungen an den Wahlkampf 2021 wach, in dem
Söder mit ständigen Querschüssen den damaligen Kanzlerkandidaten Armin
Laschet demontierte. Der Unmut darüber sei bei der allgemeinen Aussprache
im CDU-Bundesvorstand auch Thema gewesen, war am Rande der Klausur zu
hören.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther hatte Söder zuvor
bereits in einer Talkshow scharf kritisiert. Es wäre besser, Söder würde
„den Mund halten“ und für eine starke Union kämpfen, sagte Günther bei
Lanz. Sorge bereiten vielen in der CDU-Spitze auch die Nachrichten aus
Österreich, wo die dortige konservative Partei, die ÖVP, sich anschickt,
den rechtsradikalen FPÖ-Chef Herbert Kickl ins Bundeskanzleramt zu
verhelfen. [1][Merz habe sich während der Aussprache noch einmal klipp und
klar von der AfD abgegrenzt], war von Teilnehmern zu vernehmen.
„Ich wiederhole es hier zum Mitschreiben. Eine Zusammenarbeit unter meiner
Führung wird es mit der CDU in Deutschland nicht geben“, sagte Merz auch in
einem Interview mit den Tagesthemen am Freitagabend. Dazu müsse die CDU
ihre Seele verkaufen und das werde er nicht tun. Und auf Nachfrage fügte
Merz hinzu: „Ich knüpfe mein Schicksal als Parteivorsitzender der CDU an
diese Antwort.“
## „Agenda 2030“ soll Wirtschaft ankurbeln
Am Rande der Klausur war zudem die Aussage häufiger zu vernehmen, die
demokratische Mitte habe jetzt „noch einen Schuss“: Wenn die neue
Bundesregierung die Probleme im Land nicht löse, werde die AfD bei der
Bundestagswahl 2029 möglicherweise stärkste Kraft. Merz betonte auf der
Pressekonferenz zum Abschluss der Klausur denn auch, notwendig sei ein sehr
grundsätzlicher Politikwechsel und er werde für eine Regierung sorgen, die
aufhöre zu streiten und verlässliche Rahmenbedingungen für Unternehmen und
Bevölkerung setze.
Auf der Pressekonferenz war auch zu spüren, wie wenig Merz und auch seinem
Generalsekretär Carsten Linnemann, der für den Wahlkampf zuständig ist,
Fragen nach AfD, Koalitionsmöglichkeiten und der Schwesterpartei gefallen.
„Wir konzentrieren uns auf unsere Botschaften“, sagte Merz etwa auf die
Frage, was Söder da treibe. Den Namen des CSU-Chefs nannte er nicht. Ziel
der Klausur war es doch, für die heiße Wahlkampfphase die politischen
Inhalte nach vorne zu schieben.
[2][So beschloss die CDU-Spitze eine „Agenda 2030“], mit der sie die
Wirtschaft ankurbeln will. Das Mittel dazu: Steuersenkungen und
Einsparungen beim Bürgergeld und der Migration. So will die CDU eine
schrittweise Senkung der Steuerlast von Unternehmen von heute rund 30 auf
25 Prozent. Zudem soll im Rahmen einer „großen Steuerreform“ bis 2029 der
Tarif bei der Einkommensteuer abgeflacht werden, der Spitzensteuersatz erst
ab 80.000 Euro greifen. Der Solidaritätszuschlag, der inzwischen nur bei
höheren Einkommen anfällt, soll ganz gestrichen werden.
Gleichzeitig sollen Überstundenzuschläge steuerfrei gestellt werden und
Rentner*innen, die weiter arbeiten, bis 2.000 Euro monatlich keine Steuern
zahlen. Wie das alles finanziert werden soll, bleibt weiter offen. Auch
will die CDU das Bürgergeld durch eine „neue Grundsicherung“ mit schärfer…
Sanktionen ersetzen und den Vermittlungsvorrang wieder einführen. „Wir
brauchen einen wirklich fundamentalen Wechsel in der Wirtschafts- und
Arbeitsmarktpolitik“, sagte Merz.
## Täter ohne deutschen Pass sollen Aufenthaltsrecht verlieren
Schaffen will die CDU auch ein eigenes Digitalministerium, das Merz mit
einem „Profi“ aus der Wirtschaft besetzen will. Die Zahl der Ministerien
insgesamt soll aber gleich bleiben. Zudem soll die Ministerialverwaltung
„mit zehn Prozent weniger Personal auskommen“. IG-Metall-Chefin Christiane
Benner und Industriepräsident Peter Leibinger waren zur Diskussion um die
Wirtschaftslage eingeladen.
Zudem verabschiedete die CDU ein Papier unter dem Titel „Für einen
Politikwechsel bei der Inneren Sicherheit“, in dem es auch um Asyl geht.
„Das Sicherheitsgefühl der Menschen ist erschüttert“, sagte Generalsekret…
Linnemann, das müsse sich ändern. Die CDU will den Informationsaustausch
zwischen Bund und Ländern und die Ausstattung der Sicherheitsbehörden
verbessern, auch sollen diese mehr Befugnisse etwa zur elektronischen
Gesichtserkennung bekommen. Mit Blick auf psychisch kranke Gewalttäter soll
eine neue Gefährderkategorie eingeführt werden. Bei schweren Taten wie
Kindesmissbrauch sollen Internetanbieter zur Speicherung von IP-Adressen
für mindestens drei Monate verpflichtet werden.
[3][Täter ohne deutschen Pass sollen ihr Aufenthaltsrecht verlieren], wenn
sie zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sind, und sei es auch nur
auf Bewährung. Auch der Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft bei
schweren Straftaten, insbesondere bei „antisemitischen und terroristischen
Taten“, steht in dem Papier. Mit dieser Forderung hatte Merz bereits im
Vorfeld für breite Kritik gesorgt.
## Söder grenzt sich erneut gegen die Grünen ab
Auch eine unbefristete Abschiebehaft will die CDU unter bestimmten
Bedingungen einführen, Geflüchtete an der deutschen Grenze zurückweisen,
mehr Staaten als „sichere Herkunftsländer“ einstufen und Asylverfahren in
Drittstaaten außerhalb der EU durchführen. Zudem soll „regelmäßig“ nach
Afghanistan und Syrien abgeschoben werden. Zur Sicherheitsdiskussion kam
als Gast der Chef der Bundespolizei, Dieter Romann, der als Hardliner
bekannt ist. „Wir müssen den Magneten Deutschland abschalten“, habe Romann
bei seinem Vortrag gesagt, zitierte Merz und betonte, dass er der Aussage
zustimme.
Besonders aufmunternd für die CDU scheint der letzte Gesprächsslot am
Samstagmittag mit Renate Köcher, der Chefin des Meinungsforschungsinstituts
Allensbach gewesen zu sein. Dort liege die Union in den Umfragen beständig
bei 35-37 Prozent, „bestätigt in dieser Woche“, sagte Merz. Was ihn hoffen
lasse, ein Ergebnis „in der zweiten Hälfte der 30er“ erreichen zu können.
Zu hören war auch, dass Merz laut Allensbach von Wählerinnen und Wählern
mit 50 Prozent deutlich mehr Wirtschaftskompetenz zugetraut werde als Olaf
Scholz und Habeck.
Erfreuliches Ende der Klausur für den CDU-Bundesvorstand also? Nicht ganz.
Ein Blick auf Söders X-Profil könnte die gute Stimmung der
Vorstandsmitglieder jedenfalls gleich wieder zunichtemachen. Passend zum
Ende der Klausur bekundete dort der CSU-Chef: „Robert Habeck hat als
Wirtschaftsminister versagt.“ Und weiter: „Für uns sind die Grünen nicht
kompatibel. Ihr Platz ist in der Opposition.“
11 Jan 2025
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## AUTOREN
Sabine am Orde
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