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# taz.de -- Arbeitspflicht für Bürgergeldempfänger: „Debatte, die an niede…
> Schwerin will als erste Stadt eine Arbeitspflicht für Asylbewerber und
> Bürgergeldempfänger einführen – gegen den Willen des
> SPD-Oberbürgermeisters.
Bild: Zumindest hier sorgt die Maßnahme sicher für mehr Arbeit: das Jobcenter…
Schwerin taz | Die CDU benutzt einen Vorstoß aus Schwerin und macht damit
Wahlkampf: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann will Bürgergeldempfängern,
die nicht arbeiten wollen, die Grundsicherung komplett streichen. „Jeder,
der in Deutschland Bürgergeld bezieht und arbeiten kann, muss arbeiten
gehen“, sagte er der Bild. Ansonsten dürfe es keine Sozialleistungen mehr
geben. Linnemann kritisiert, dass die [1][Bürgergeldreform] das Prinzip
des Förderns und Forderns untergrabe. Grüne und Sozialverbände werfen
Linnemann unter anderem Populismus und Hetze vor.
Er bezieht sich in seiner Forderung auf einen Beschluss der Schweriner
Stadtvertretung von Mitte Dezember 2024. Als erste Stadt will Schwerin eine
Arbeitspflicht für Asylbewerber und Bürgergeldempfänger einführen. Dafür
soll das Instrument der sogenannten Arbeitsgelegenheiten genutzt werden,
mit dem eigentlich mit öffentlichem Geld Tätigkeiten finanziert werden, die
eine Eingliederung in das Arbeitsleben erleichtern sollen.
Diese Arbeitsgelegenheiten sind bereits im Asylbewerberleistungsgesetz und
auch im Sozialgesetzbuch vorgesehen. Neu ist die Pflicht zur Arbeit und
Sanktionen bei Verweigerung.
Schwerins CDU erweiterte den ursprünglichen Antrag der AfD, der nur
Asylbewerber betraf, um auch Bürgergeldempfänger einzuschließen. Diesen
Ersetzungsantrag stellte Jan Reißig (CDU) während der Stadtvertretersitzung
vor, wo er von einer Mehrheit angenommen wurde. Reißig erklärte dort, dass
die Bürgergeldreform es schwieriger mache, der Menschen „habhaft“ zu
werden.
## Arbeit lohnt sich
Die CDU kritisiert immer wieder, dass das Bürgergeld falsche Anreize setze
und Arbeit sich nicht mehr lohne. Das Ifo-Institut hatte allerdings Anfang
2024 eine [2][Studie zu dieser Frage veröffentlicht]. Darin heißt es, dass
„trotz der deutlichen Anhebung der Regelsätze im Bürgergeld weiterhin ein
spürbarer Lohnabstand besteht“. Soll heißen: Arbeit lohnt sich.
Während der letzten Stadtvertretersitzung in Schwerin argumentierte Jan
Reißig, dass Arbeit die Integration verbessern könne und Menschen das
Gefühl geben solle, gebraucht zu werden. Arbeitsmarktforscher widersprechen
dieser Einschätzung jedoch und warnen, dass solche Arbeitsgelegenheiten
„[3][entweder nichts nützen oder eher schaden]“.
Reißig verwies auf Greiz und den Saale-Orla-Kreis in Thüringen als
Vorbilder für Schwerin. Seit 2024 müssen dort arbeitsfähige Flüchtlinge
gegen eine [4][Aufwandsentschädigung von 80 Cent pro Stunde arbeiten],
sonst drohen ihnen Leistungskürzungen. Der dortige Landrat Christian
Herrgott (CDU) lobt die Arbeitspflicht als Erfolgsmodell. Die Praxis stößt
jedoch auch auf Kritik.
[5][Helena Steinhaus von der Organisation Sanktionsfrei] sagt über Greiz
und den Saale-Orla-Kreis: „Flüchtlingen ist Erwerbsarbeit während des
Asylverfahrens meistens verboten. Deswegen kann man mit jeder Maßnahme
mehr Menschen in Arbeit bringen als vorher. Das ist doch eine
Bullshit-Rechnung.“
Schwerins Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD), der gegen den Antrag
stimmte, bezeichnete die Maßnahme gegenüber dem NDR als „eine Debatte, die
an niedere Instinkte appelliert“. Durch unterschiedliche Gesetze würden
Flüchtlinge eine Entschädigung von 80 Cent pro Stunde erhalten, während die
Mehraufwandsentschädigung für Bürgergeldempfänger im Rahmen von 1 bis 2
Euro pro Stunde liegt.
Das Problem sei auch ein wirtschaftliches: Es entstehen weitere Kosten wie
Versicherung, Arbeitskleidung, Betreuung und Dokumentation, die über die
Mehraufwandsentschädigung hinausgehen. Daher wäre nur ein Teil der Kosten
gedeckt, der Rest müsst refinanziert werden. Insgesamt stünde „wenig Output
einem hohen Verwaltungs- und Betreuungsaufwand gegenüber“.
Eine Pressesprecherin der Stadt fügte hinzu, dass das Jobcenter bereits
bessere Maßnahmen zur langfristigen Qualifizierung wie Weiterbildung oder
Berufsabschluss anbiete. Sie bemängelte, dass bei dem Stadtratsbeschluss
der Jobcenterbeirat mit Bürgergeldexperten nicht einbezogen wurde. Den
Beschluss nannte sie Populismus, weil er nur wenige hundert Menschen
betreffe und ungeeignet sei, der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken.
Der Oberbürgermeister soll jetzt in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter und
sozialen Trägern ein Konzept erarbeiten. Die Umsetzung steht noch nicht
fest. Zu prüfen ist, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Menschen zur
Arbeit verpflichtet werden sollen, ob weitere Stellen dafür geschaffen
werden müssen und wie das finanziert werden soll.
Ein erster Zwischenstand der Prüfung soll spätestens im Februar vorliegen.
Der Beschluss in Schwerin ist bundesweit beispiellos. Steinhaus vom Verein
Sanktionsfrei sagt dazu: „Wir haben keine hohe Erwerbslosenquote. Das ist
Symbolpolitik, die Vorurteile schürt“.
7 Jan 2025
## LINKS
[1] /Buergergeld-Empfaengerinnen-erzaehlen/!6045669
[2] https://www.ifo.de/publikationen/2024/aufsatz-zeitschrift/lohnt-sich-arbeit…
[3] https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Schwerin-will-Asylbew…
[4] /80-Cent-Jobs-fuer-Gefluechtete/!5995370
[5] https://sanktionsfrei.de/
## AUTOREN
Sean-Elias Ansa
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Bürgergeld
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