# taz.de -- Politische Krise in Südkorea: Südkoreas verbarrikadierter Präsid… | |
> Yoon Suk Yeol stürzte sein Land in eine Krise. Nun stellt sich der | |
> suspendierte Präsident über das Gesetz – und entgeht so bisher einer | |
> Verhaftung. | |
Bild: „Widersetzen Sie sich der Amtsenthebung“ – Anhänger des angeklagte… | |
Belrin taz | Yoon Suk Yeol mag an diesem Freitag einen taktischen Sieg | |
errungen haben, doch die langfristigen Folgen für Südkoreas Demokratie sind | |
zweifelsohne verheerend. Der suspendierte Präsident hat mit Hilfe seines | |
Sicherheitsdienstes und einer Soldateneinheit die eigene Verhaftung | |
vereitelt. Nie zuvor seit der Demokratisierung des Landes hat ein Politiker | |
derart unverhohlen den Rechtsstaat untergraben. | |
Ein Rückblick: Seit der konservative Präsident [1][Anfang Dezember das | |
Kriegsrecht ausgerufen hat] und infolge dessen [2][von seinem Amt enthoben | |
wurde], versuchte die Anti-Korruptionsbehörde Yoon Suk Yeol bereits dreimal | |
zu einer persönlichen Befragung vorzuladen. Der 64-Jährige verweigerte | |
jedoch jegliche Kooperation: Schriftliche Vorladungsdokumente ließ er | |
ungeöffnet retournieren, Razzien seiner Büros mit Hinweis auf | |
Militärgeheimnisse blockieren. | |
Die Fahnder wollten sich jedoch nicht weiter an der Nase herumführen lassen | |
– und ließen bei der Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl ausstellen. Yoon | |
ist schließlich kein bloßer Zeuge in der Causa, sondern der | |
Hauptverdächtige: Ihm werden Machtmissbrauch und mutmaßlich Hochverrat | |
vorgeworfen – Straftatbestände, gegen die ihn auch seine präsidiale | |
Immunität nicht mehr schützen. Im Falle eines Schuldspruchs droht Yoon | |
lebenslängliche Haft. | |
## Überraschungsbesuch im Morgengrauen | |
Am Freitag schritt die Anti-Korruptionsbehörde schließlich zur Tat. Den | |
Überraschungsmoment hatten die Behörden scheinbar auf ihrer Seite: Noch vor | |
Morgengrauen fuhren die Fahnder in dunklen Wagen vor den | |
Präsidentenwohnsitz im zentralen Seouler Stadtbezirk Yongsan. Zuvor hatte | |
die Polizei bereits die Einfahrt abgesperrt, damit die rund tausend | |
ausharrenden Yoon-Unterstützer sie nicht blockieren konnten. | |
Dann jedoch standen die 30 Beamten, mit 120 Polizisten im Schlepptau, vor | |
verschlossenen Toren. Der suspendierte Präsident, mutmaßlich in einem | |
Bunker verbarrikadiert, ließ sich zudem durch seinen Sicherheitsdienst und | |
einer Soldateneinheit abschirmen. | |
Nach einer fast sechsstündigen Pattsituation gaben die Fahnder | |
unverrichteter Dinge schließlich auf. „Wir haben festgestellt, dass die | |
Vollstreckung des Haftbefehls aufgrund der anhaltenden Konfrontation | |
praktisch unmöglich ist. Deshalb haben wir die Vollstreckung aus Sorge um | |
die Sicherheit des Personals vor Ort ausgesetzt“, ließ die | |
Anti-Korruptionsbehörde in einer Stellungnahme mitteilen. Wie es | |
weitergehe, würde man nach einer internen Überprüfung klären. Viel Zeit | |
bleibt allerdings nicht mehr: Am Montag bereits läuft der Haftbefehl aus. | |
## Rückschlag für die Demokratie Südkoreas | |
Zumindest ist es am Freitag bis auf kleinere Rangeleien weitgehend | |
friedlich geblieben. Dennoch waren die Ereignisse für die Demokratie des | |
Landes ein schwerer Rückschlag. Denn längst steht der Rechtsstaat Südkoreas | |
auf dem Spiel: Ganz offensichtlich stellt sich Yoon über das Gesetz – und | |
bislang, so scheint es, kommt er damit sogar durch. | |
Als der 64-Jährige im Frühjahr 2022 knapp ins Präsidentenamt gewählt wurde, | |
versprach er vollmundig, die hochpolarisierte Bevölkerung zu einen. Längst | |
jedoch ist Yoon zum größten Aufwiegler der Nation geworden. Mit kruden | |
Verschwörungstheorien versucht er weiterhin seine Kriegsrechtsentscheidung | |
zu legitimieren und sich selbst als Opfer einer Intrige zu inszenieren. | |
Von Kommunisten bis zu Nordkorea-Sympathisanten beschwört er Feindbilder | |
herauf, die weniger auf Tatsachen als auf einer schwerwiegenden Paranoia | |
beruhen. Und wohl vorrangig darauf abzielen, von der eigenen politischen | |
Misere abzulenken – etwa den Korruptionsvorwürfen gegen seine Ehefrau. | |
Doch Yoon Suk Yeol hält weiter an seinem brandgefährlichen Kurs fest. Seine | |
Anhänger stachelt er – als angebliche Verteidiger der freiheitlichen | |
Ordnung – zunehmend auf. So ließ Yoon noch aus seiner Residenz heraus | |
gedruckte Briefe in Form von Flugblättern an seine Unterstützer verteilen, | |
die während bitterer Minusgrade vor der Einfahrt kampieren. „Das Land ist | |
durch staatsfeindliche Kräfte in Gefahr. Ich werde bis zum Ende kämpfen, um | |
die Nation gemeinsam mit Ihnen zu schützen“, heißt es darin. | |
## Südkorea vor dem eigenen Präsidenten schützen | |
Dabei steht für die absolute Mehrheit der Koreaner außer Frage, dass | |
vielmehr die Nation vor Yoon geschützt werden muss. Denn am 3. Dezember | |
rief der ehemalige Staatsanwaltschaft mit dem kurzzeitigen Kriegsrecht | |
längst überwunden geglaubte, autoritäre Geister wach: So ließ Yoon das von | |
der Opposition kontrollierte Parlament von Spezialkräften abriegeln und | |
ordnete die Verhaftungen von Abgeordneten, Journalisten sowie Beamten der | |
Wahlkommission an. Zeugen sprechen auch von einem Schießbefehl, den der | |
Präsident ausgegeben haben soll. | |
Dass es nicht zum Äußersten kam, hat vor allem mit dem moralischen Rückgrat | |
der Soldaten zu tun, die die Anordnungen Yoons nur äußerst passiv umgesetzt | |
haben. Und auch dem blitzschnellen Vorgehen der Abgeordneten, die in einer | |
Nacht-und-Nebel-Aktion eine Abstimmung organisierten, welche Yoon dazu | |
zwang, sein Kriegsrecht wieder zurückzunehmen. | |
Damals schien es, als hätte Südkorea [3][die schwerwiegendste | |
Bewährungsprobe seiner Demokratie] dank einer wachen Zivilgesellschaft und | |
demonstrierenden Bürgern mit Bravour gemeistert. Nun jedoch wird immer | |
offensichtlicher: Die Nachbeben der Staatskrise sind noch lange nicht | |
ausgestanden. | |
3 Jan 2025 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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