# taz.de -- Amtsenthebung von Yoon Suk Yeol: Südkorea besteht den Stresstest | |
> Das Verfassungsgericht enthebt Präsident Yoon seines Amtes. Seine | |
> Unterstützer akzeptieren das Urteil. Doch die Polarisierung des Landes | |
> geht weiter. | |
Bild: Demonstrant*innen kurz nach Yoons Amtsenthebung. „Lasst uns eine demokr… | |
Seoul taz | Als Südkoreas Verfassungsgericht am Freitagmorgen die | |
endgültige Amtsenthebung von Yoon Suk Yeol verkündete, reagierten die | |
Menschenmengen in Seoul, wie so oft, mit überbordenden Emotionen: Die | |
linken Demonstranten brachen in Jubelschreie aus, während bei den | |
konservativen Yoon-Unterstützern Niedergeschlagenheit vorherrschte, teils | |
auch offene Wut. | |
Doch schlussendlich akzeptierten auch sie das in ihren Augen unfaire | |
Urteil. Der einzige gewalttätige Vorfall am Freitagabend war kaum der Rede | |
wert: Ein wütender Mann schlug mit einem Baseball-Schläger das Fenster | |
eines Polizeibusses ein. Weitere Tumulte wurden befürchtet, doch blieben | |
letztlich aus. | |
Insofern hat die südkoreanische Demokratie den vielleicht schwerwiegendsten | |
Stresstest in der noch jungen Geschichte des Landes erfolgreich | |
überstanden. Denn auch die Regierungspartei gab unmittelbar nach dem | |
Urteilsspruch bekannt, dass sie die Amtsenthebung akzeptieren werde. Die | |
Autorität der Institutionen wurde nicht angezweifelt – immerhin. | |
Die vier Monate andauernde [1][Staatskrise in Südkorea] scheint also | |
weitgehend überwunden. Denn der künftige Weg ist nun klar vorgezeichnet: | |
Innerhalb der nächsten zwei Monate wird das Land Neuwahlen abhalten. | |
Spätestens Anfang Juni wird also die Zeit der Ungewissheit und des | |
Machtvakuums vorüber sein. Das ist auch bitter nötig: Angesichts von Trumps | |
Zoll-Orgien, Nordkoreas militärischer Aufrüstung und der wachsenden | |
Konkurrenz aus China steht Seoul vor massiven Herausforderungen. | |
## Erneute Polarisierung | |
Um diese zu meistern, bräuchte es eine [2][Kultur des politischen | |
Kompromisses.] Doch die seit Jahrzehnten anhaltende Polarisierung innerhalb | |
der südkoreanischen Gesellschaft droht sich zu wiederholen. | |
Denn nach jetzigem Kenntnisstand scheint der linke Oppositionsführer Lee | |
Jae Myung als aussichtsreichster Kandidat für die nächsten | |
Präsidentschaftswahlen. Und der gilt als klassischer Populist, als | |
polarisierender Politiker, der von seinen Anhängern blind verehrt und von | |
den Konservativen geradezu verteufelt wird. Er wird die Gräben innerhalb | |
der Bevölkerung sicher nicht überwinden können. | |
Die derzeitige Staatskrise hat die Spaltung zwar nicht hervorgebracht, aber | |
doch sehr deutlich sichtbar gemacht: Begonnen hat sie in den Abendstunden | |
des 3. Dezembers, als Yoon Suk Yeol völlig überraschend das Kriegsrecht | |
verhängt hatte. Er beschuldigte während einer im Fernsehen übertragenen | |
Rede, dass die Opposition von Kommunisten unterwandert sei und | |
staatsfeindlich agieren würde. Beweise legte er für seine Vorwürfe keine | |
vor. | |
Dann beorderte der 64-Jährige Sondereinheiten des Militärs, das Parlament | |
abzuriegeln und – so schildern es hochrangige Augenzeugen – einzelne | |
Abgeordnete zu verhaften. Dass es nicht zum Äußersten kam, ist wohl auch | |
dem zivilen Ungehorsam der Soldaten zu verdanken. | |
## Die Fußstapfen der Militärdiktatoren | |
Für die Zivilgesellschaft war Yoons radikales Handeln vor allem deshalb ein | |
solch einschneidender Schock, weil er offensichtlich in die Stapfen der | |
Militärdiktatoren trat, welche bis in die 1980er das Land mit eiserner | |
Faust regierten. Das letzte Mal, als in Südkorea das Kriegsrecht verhängt | |
wurde, hatte Chun Doo Hwan im Frühjahr 1980 den Schießbefehl gegen die | |
Demokratiebewegung in der Stadt Gwangju gegeben – und den Tod hunderter | |
Studenten verursacht. | |
„Ich bin wirklich besorgt um unsere Demokratie“, sagt eine Frau in ihren | |
Enddreißigern, die in der südlichen Stadt Daegu ein Nachhilfe-Institut für | |
Sprachunterricht betreibt: „Wenn Yoon nicht vom Amt enthoben wäre und damit | |
durchgekommen wäre, dann könnten auch künftige Präsidenten auf die Idee | |
kommen, das Kriegsrecht auszurufen“. | |
Ihre Sorge wird von den meisten Koreanern geteilt. Doch mindestens ein | |
Drittel der Bevölkerung hat eine ganz andere Wahrnehmung auf die | |
Ereignisse: Sie sehen Yoon als Verfechter der freiheitlichen Ordnung, als | |
Patrioten, der die Werte der Nation mit Entschlossenheit verteidigt. | |
Doch schlussendlich könnte Yoon, wie bereits mehrere Präsidenten vor ihm, | |
nach seiner Amtszeit hinter Gittern landen. Denn neben dem | |
Amtsenthebungsverfahren muss sich der ehemalige Staatsanwalt nun auch noch | |
strafrechtlich verantworten. So wird ihm unter anderem vorgeworfen, sich | |
mit seiner Kriegsrechtsentscheidung [3][des Aufruhrs schuldig] gemacht zu | |
haben. Darauf droht – zumindest theoretisch – die Todesstrafe. | |
In einem Brief hat sich Yoon am Freitag bei seinen Unterstützern gemeldet. | |
Er bitte um Verzeihung dafür, die Erwartungen seiner Anhänger nicht erfüllt | |
zu haben. Es sei ihm die größte Ehre gewesen, der Nation dienen zu dürfen. | |
4 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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