# taz.de -- Festival gegen rechts in Jamel: NS-Musterdorf will Antifa abkassier… | |
> In Jamel veranstalten Birgit und Horst Lohmeyer seit 2007 ein Festival | |
> gegen rechts. Jetzt will die Gemeinde auf einmal Miete für ihre Wiesen. | |
Bild: Haben das Festival 2007 im 40-Seelen-Dorf Jamel gegründet: Horst und Bir… | |
Hamburg taz | Es könnte eine Provinzposse sein, ein Streit um eine Wiese. | |
Aber in einem Dorf wie Jamel ist eine Auseinandersetzung um Platz | |
politisch. Jamel in Mecklenburg-Vorpommern ist seit Jahren als | |
[1][„nationalsozialistisches Musterdorf“] bekannt, in dem Rechtsradikale | |
den Ton angeben. Nur 35 Menschen wohnen in dem Ort nahe der Ostsee, die | |
meisten davon sind bekennende Neonazis. | |
Gegen diese rechte Übermacht veranstalten Birgit und Horst Lohmeyer seit | |
2007 das [2][Festival „Jamel rockt den Förster“]. Die Lohmeyers engagieren | |
sich seit ihrem Umzug aus Hamburg vor über 20 Jahren als Einzige im Ort | |
gegen die Vereinnahmung des Dorfes durch Neonazis. | |
Dafür werden sie immer wieder bedroht und angefeindet – aber auch | |
ausgezeichnet: Erst [3][in der vergangenen Silvesternacht] drangen mehrere | |
Vermummte auf ihr Grundstück und griffen die Lohmeyers mit Pyrotechnik an; | |
vor einer Woche dann erhielten die Lohmeyers für ihr Engagement den | |
Verdienstorden des Landes. | |
Aus einer Etage weiter unten in der staatlichen Verwaltung bekommen die | |
Lohmeyers gerade weniger Unterstützung für ihr Engagement. Am Dienstag ist | |
bekannt geworden, dass die für Jamel zuständige Gemeinde Gägelow plant, den | |
Festival-Veranstalter:innen erstmals Gebühren dafür zu berechnen, dass sie | |
Gemeindeflächen nutzen. | |
Bürgermeisterin nennt „schwierige Haushaltslage“ als Grund | |
Bisher hatte die Gemeinde dem Festival die Wiesen kostenlos zur Verfügung | |
gestellt. Die Bürgermeisterin Christina Wandel, Mitglied der | |
Wählergemeinschaft „Wir für Gägelow“, begründete den Schritt laut | |
Sitzungsprotokoll des Finanzausschusses, das dem NDR vorliegt, mit einer | |
„schwierigen Haushaltslage“. | |
Für Birgit Lohmeyer ist das ein vorgeschobenes Argument. „Wir lassen uns | |
nicht veralbern“, sagt sie der taz. Ein Teil der Wiese, um die es geht, | |
würde das restliche Jahr über an einen Neonazi in Jamel verpachtet. Dieser | |
zahle dafür nur rund 60 Euro, für das ganze Jahr. Der Verein, der das | |
„Forstrock“-Festival veranstaltet, nutze die Fläche gerade einmal einen | |
Monat. Zwar hätten sie noch keine konkreten Zahlen genannt bekommen, | |
vermuteten aber, dass es nicht allein um Geld gehe. „Wir werten das als | |
Missachtung unseres zivilgesellschaftlichen Engagements“, sagt Lohmeyer. | |
Dabei hätten die Wiesen in Jamel die Kassen der Gemeinde Gägelow auf eine | |
andere Art tatsächlich füllen können. Das Land hatte schon länger | |
angeboten, die betreffenden Gemeindeflächen für 80.000 Euro zu kaufen. Den | |
Vorschlag hatte Gemeinderatsmitglied und Landesbildungsministerin Simone | |
Oldenburg (Die Linke) schon vor längerer Zeit eingebracht. | |
Ein Angebot des Landes hat die Gemeinde nach NDR-Informationen in derselben | |
Sitzung abgelehnt, in der es um das Nutzungsgeld für das „Jamel rockt den | |
Förster“ ging. Eine Anfrage der taz zu der Entscheidung ließ Wandel bis | |
Redaktionsschluss unbeantwortet. | |
Neonazis sitzen im Gemeinderat | |
Gegen den Verkauf stimmte neben der Bürgermeisterin Wandel auch die extrem | |
rechte Fraktion „Heimatliebe“ des Neonazis Sven Krüger. Der bundesweit | |
vernetzte Rechtsextreme und Unternehmer Krüger wohnt in Jamel und gilt als | |
„Chef“ des Dorfes. [4][Seit 2019 sitzt er im Gemeinderat] von Gägelow. Bei | |
der Kommunalwahl 2024 gewann Krüger sogar die meisten Stimmen. Seitdem | |
sitzt mit Steffen Meinicke ein zweites Mitglied der Fraktion „Heimatliebe“ | |
in der Gemeindevertretung. | |
Die Abstimmung gegen den Verkauf der Wiesen in Jamel an das Land ist nicht | |
die erste Zusammenarbeit der Gemeinde mit den Neonazis. Im vergangenen | |
Herbst hatte die Gemeinde Gägelow trotz Protesten eine Spende von Krüger | |
für das hiesige Erntefest angenommen. | |
Auch deshalb überrascht Birgit Lohmeyer die Ankündigung der Gemeinde, ein | |
Nutzungsgeld für ihre Wiesen erheben zu wollen, nicht besonders. „Es | |
knirscht ganz mächtig in Gägelow.“ Auch diese Gemeinde sei ganz gezielt von | |
Rechtsradikalen besiedelt worden. „Das Problem gibt es also nicht nur in | |
Jamel“, sagt Lohmeyer. | |
Kritik aus der Landesregierung | |
Kritik am Vorgehen der Gemeinde kommt aus der Landesregierung von | |
Mecklenburg-Vorpommern. Es gehe um mehr als nur ein Festival, sagt Julian | |
Barlen, Vorsitzender der SPD-Fraktion. „Es ist ein bundesweit beachtetes | |
Symbol dafür, wie viel Mut es braucht, sich gegen Rechtsextremismus zu | |
wehren.“ Dieses Engagement dürfe nicht behindert werden. | |
Die Auseinandersetzung zwischen dem „Forstrock“-Festival und der Gemeinde | |
Gägelow gärt schon länger. Besonders deutlich ist das im vergangenen Jahr | |
geworden. Da mussten die Lohmeyers sich mit einer [5][Anzeige wegen einer | |
angeblich „nicht vertragsgemäß hinterlassenen“ Wiese] herumschlagen. Das | |
Festival stand danach vorübergehend auf der Kippe. | |
Die Entscheidung über die Nutzungsgebühr wird der Gemeinderat Gägelow in | |
einer Sitzung Ende Januar fällen. Wenn die Pacht nicht verhältnismäßig sei, | |
werde sie die Kommunalaufsicht einschalten, sagt Lohmeyer. | |
21 Jan 2025 | |
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[3] /Naechtlicher-Naziangriff-in-Jamel/!6056695 | |
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[5] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-02/jamel-rockt-den-foerster-20… | |
## AUTOREN | |
Amira Klute | |
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